Liebe Freunde der funktional-technischen Argumentation, jetzt gibt’s Futter für Euch. Die Fragen lauten: 1. Können die (trockenen, fränkischen) Weine aus dem Jahrgang 2013 überhaupt so gut geworden sein wie die aus dem Vorgängerjahrgang? 2. Wie verhalten sich die 2011er und die 2010er in dieser Hinsicht? Die Antworten für Anhänger des messbaren Genusses sind ziemlich eindeutig. Frage 1: Nein. Frage 2: 2011 war besser, 2010 schlechter. Kann man alles aus der Abbildung oben ersehen. Wenn man weiß, was dort abgebildet ist…
Also: In die Grafik habe ich der besseren Verwirrung wegen vier Jahrgänge gepackt mit ihren täglichen Messdaten von Anfang August bis Ende Oktober – in der Regel die entscheidende Phase beim Weinbau in unseren Breiten. Gemessen wurde an der Wetterstation Würzburg die relative Feuchte in Prozent, die für mich als einzelner Wert die größte Aussagekraft aller Messwerte besitzt. Das ist deshalb der Fall, weil sie gewissermaßen bereits selbst einen Index darstellt: Dadurch, dass wärmere Luft eine höhere Wasserhaltekapazität besitzt als kältere (deshalb auch relative Feuchte), bringt dieselbe absolute Feuchtigkeit in der Luft bei höheren Temperaturen (und stärkerer Besonnung) niedrigere Werte als bei tieferen Temperaturen. Im Prinzip kann man also sagen: Je niedriger die Kurve auf der Abbildung oben ist, desto besser.
Jetzt müsstet Ihr nur noch wissen, welcher Jahrgang welche Farbe besitzt. 2013 ist blau, 2012 rot, 2011 gelb und 2010 grün.
2012 – die rote Kurve also – liefert den ganzen August über und bis weit in den September hinein die niedrigsten, also die besten Werte. 2013 hingegen ist ausgerechnet im September am miesesten gewesen, hat dann aber Ende September bis Anfang Oktober eine gute Phase gehabt. 2010 war im Sommer schrecklich, bot für die ganz Geduldigen dafür aber Mitte Oktober eine goldene Zeit. Und 2011 schließlich dümpelt die ganze Zeit in der Mitte herum, der typische “Langweilerjahrgang”.
Bezieht man Mittelwert und Standardabweichung mit ein, sieht die Sache folgendermaßen aus:
- Platz 1, 2012: 72,4% Mittelwert, Standardabweichung 12,0 Prozentpunkte (die höchste Schwankung, liegt aber v.a. an den niedrigen Augustwerten)
- Platz 2, 2011: 77,7% im Mittel, Stabw. 8,3
- Platz 3, 2013: 80,5% im Mittel, Stabw. 10,6
- Platz 4, 2010: 82,6% im Mittel, Stabw. 8,2
Wenn Ihr Euch jetzt fragt, ob Euer guter Matze noch alle Tassen im Schrank hat mit seinen angeblich beweiskräftigen Messreihen (ich hätte sogar noch viel mehr Werte im Angebot), dann gehört Ihr eindeutig zur Sorte der Probierer.
Nun, für eine vernünftige Analyse sind technische Werte natürlich unerlässlich. Aber für das Gesamtverständnis sagen sie nicht mehr aus, als wenn man nach dem Betasten des Rüssels auf die Form des Elefanten schließen wollte.
Weil ich immer auf der Suche nach dem ganzen Elefanten bin – und weil ich mich ehrlich gesagt für Wein interessiere – bin ich zur Jahrgangspräsentation des VDP Franken gegangen. 28 Winzer mit ihren Weinen waren anwesend, gezeigt wurden in der Regel die gerade abgefüllten 2013er sowie die größeren Brocken aus dem Jahrgang 2012.
Mein Fazit nach dem Rundgang: Bei vielen Weine zeigten sich die Probleme des Jahrgangs. Die Materie stand oft nicht richtig, und entsäuert werden musste ebenso häufig. 11,5 g Säure pro Liter sind halt kein Wert, den man seinen Kunden gern zumutet.
Wenn es jetzt dennoch ein paar schöne Exemplare gibt, zu denen sich bei den später herauskommenden noch einige weitere gesellen werden, dann sind dafür vermutlich die üblichen Faktoren verantwortlich: Glück beim Standort, Fleiß und Können des Winzers im Weinberg, eine entsprechende Umsicht im Keller. Früher wäre ein solcher Jahrgang jedenfalls gnadenlos in die Hose gegangen. Jetzt führt er “nur” zu stark unterschiedlichen Charakteren – die 2012er waren für mich deutlich homogener. Schaut also besser bei dem Winzer (oder dem Weinhändler) Eures Vertrauens vorbei, probiert selbst und glaubt nicht einfach alles, was andere so schreiben. Meine eigenen Wertungen selbstverständlich eingeschlossen.
Hier sind also meine subjektiven Favoriten der Probe:
- Platz 1: Weingut Fürst Löwenstein, Riesling Homburger Kallmuth. Endlich scheint sich das wahnsinnige Potenzial der Lage auch auszuzahlen. Wer einmal vor dem Kallmuth gestanden hat, weiß, dass von dort – der passende Ansatz vorausgesetzt – auf Dauer richtig große Weine kommen werden. Dieser Riesling besitzt eine enorm reine, traubig-süße Nase, ganz individuell und auch komplett anders als alle anderen. Am Gaumen ist das Potenzial spürbar, feinfruchtig und schmackhaft.
- Platz 2: Weingut Rudolf May, Silvaner Retzstadter Langenberg. Viel Würze, ein bisschen Bitterkeit, ganz typisch Muschelkalk, schön und fränkisch. Alle Weine, die ich von Rudolf May probiert habe, unterscheiden sich deutlich voneinander; das Gut sollte ich künftig stärker im Auge behalten.
- Platz 3: Weingut Rudolf Fürst, Weißburgunder pur mineral. Weiter in seiner Entwicklung als die anderen Weißen des Hauses, frisch-gehaltvoller und richtig gut. Ich bin mir sicher, dass ich der einzige bin, der die Weißen von Fürst – insbesondere die Rieslinge aus dem Centgrafenberg – meist besser findet als die Roten.
- Platz 4: Weingut Horst Sauer, Riesling Escherndorfer Lump S. Hoch in der Süßeanmutung, dadurch der höchste Leckerheitsgrad der ganzen Probe. Die meisten Gäste sahen hier ihren Favoriten, mir persönlich ist er zu süß angelegt, aber mal schauen, wohin der läuft. Horst Sauer macht ja immer saftige Weine, und reifen können sie eigentlich auch gut.
- Platz 5: Weingut Zehnthof Luckert, Weißer Burgunder Sulzfelder Berg I. Etwas knackiger als der Silvaner Alte Reben, der mir derzeit arg weich daherkommt. Sicher, das ganz Puristische ist der Stil der Luckerts nicht, aber so stringent wie dieser hier dürfen die anderen Weine auch ruhig sein. Ansonsten von ihrer Gesamtleistung her vermutlich die besten Franken.
- Platz 6: Weingut Juliusspital, Silvaner Würzburger Stein. Für mich derzeit der beste Wein vom Juliusspital, fein, aromatisch tiefergelegt, braucht noch einige Zeit, aber meiner Meinung nach im Moment vor seinen Großgüter-Konkurrenten.
Nicht vergessen möchte ich bei dieser Gelegenheit die Rotweine des Jahrgangs 2012, denn auch sie kommen nach und nach auf den Markt. Ich verrate bestimmt keine Geheimnisse, wenn ich sage, dass ich mich schon sehr auf sie freue (mehr als auf die weißen 2013er…). Die ersten Proben deuten darauf hin, dass die Roten vor allem von der Souveränität der Frucht her den gleichfarbigen 2011ern deutlich überlegen sind. Mein roter Lieblingswein in dieser Hinsicht war der Spätburgunder Klingenberg vom Weingut Stadt Klingenberg. Spontanvergoren, 300-Liter-Fass, keine Schönung, keine Filtration und eine der großartigsten Lagen, tja, Deutschlands wahrscheinlich. Manchmal können die Dinge so einfach sein. Ein ungemein samtiger Fruchtkörper ruht in der Mitte, während draußen die etwas ungestüme und – wie üblich bei dem Weingut – konsequent trockene, zupackende Art umherzieht. Noch hochwertiger der Klingenberg R und damit für mich, ja, meinetwegen wirklich nur für mich, besser als Paul Fürst und damit selbstredend einer der besten Burgunder Deutschlands.
Habt Ihr schon Weiße aus 2013 und/oder Rote aus 2012 probieren können? Welchen Eindruck hattet Ihr von ihnen?
Hallo Matze,
zuerst mal – natürlich hast Du alle Tassen im Schrank!
Wenn es um wissenschaftliche Belege und Beweisführungen geht, stehe ich dem offen gegenüber. Wenn so eine Sachlage Vereindeutigt werden kann erspart man sich ja stundenlange Diskussionen. Allerdings müssen ein paar Dinge gegeben sein.
1. Die wissenschaftliche Methode muss wisenschaftlichen Kriterien entsprechen.
2. Die Methode muss zur Theorie passen.
3. Statistik kann nur auf quantitativ-mathematische Beobachtungsgegenstände angewendet werden.
Was heißt das für die Frankenweine bzw. die Untersuchung und deren Ergebnisse?
Zuerst mal erinnere ich mich zwar gut an meine absolute Abneigung gegenüber den Sozialwissenschaften und deren müßig bis dämlichen Versuchen, mit statistischen Methoden irgend etwas Relevantes aussagen zu wollen, aber leider nur noch schwach daran, daß eine Standardabweischung von mehr als irgenwas um 5 % bedeutet, ich hätte mir das Ganze auch sparen können.
Dann stellt sich ja die Frage, wie da Korrelationen zwischen Qualität und Gemessenem hergestellt werden soll. Wie wird das bewiesen und wie soll das belegt werden?
Und außerdem hätte man sich das Ganze sparen können und nur mal jemanden der im Frankenland wohnt, sich für Wein interessiert und den Jahresverlauf beobachtet hat fragen können. Dessen Antwort hätte wahrscheinlich schon im Oktober 2013 eine genauere Analyse der Potenz des 2013er Jahrgangs ergeben.
Und dann kommt da auch noch der Faktor Verallgemeinerung ins Spiel. Zwar kann man ungefähr eine Linie sehen und ahnen, was wir erwarten können, aber leider spielen da mehr als nur die beachteten Faktoren eine Rolle. Und wirklich – wir wollen doch eigentlich nicht wissen, wie es im Allgemeinen ist beim Wein, sondern gerne die Rosinen im Kuchen finden. Und die gibt es in jedem Jahr, werden einem aber von keiner Statistik verraten. Da ist dann doch der eigene Rüssel gefragt.
Noch zu den 11,5 g Säure. Das sagt doch erst mal auch nicht viel. Wie ist die begleitet von der Restsüße und der Frucht und den Aromen? Kann doch auch gut sein.
Ich habe jetzt zwar keine Frankenweine aus 2013 probiert, dafür natürlich so einiges, was hier unten schon raus gekommen ist, bzw. noch ein wenig schlummert vorgekostet.
Das große Problem war das verfaulte Erntegut. Wein ohne Handernte und konventionell verarbeitet bewerte ich mal grob verallgemeinernd als böswilligen Anschlag auf die Gesundheit. Soviel zum Allgemeinen.
Speziell einige Weiße sind ne Wucht und das kühle Jahr hat ihnen gut getan. Schöne Säurespiele und tolle Aromen (wenn sie denn gut sind). Die Roten dauern ja noch ein wenig. Die paar schon Abgefüllten sind zum Teil Katastrophe (die zu stark gepresst wurden), zum Teil aber auch bombastisch (die selektierten und jungfernölmäßig “gepressten”). So der Syrah von Plageoles. Zum drin baden!
Es wird auf jeden Fall wieder mal spannend. Also Hallali und fröhliches Jagen.
Da habt Ihr im französischen Südwesten ja vergleichbare Bedingungen gehabt – verglichen immer mit dem, was bei Euch “normal” ist, denn ein kühles Jahr nahe an der Anbaugrenze ist natürlich noch mal eine andere Herausforderung 😉 .
Was die Standardabweichung anbelangt, war das – ich geb’s gern zu – ein bisschen Spielerei. Das sagt ja nur aus, wie stark die gemessenen Werte streuen. Wenn ich Aussagen zur Signifikanz hätte machen wollen, hätte ich nicht den Mittelwert aller Werte hernehmen müssen, sondern mit Erwartungswerten rechnen. Und da wäre dann z.B. der Wert, den ich für einen gewöhnlichen 10. August erwarte, wesentlich niedriger als der Wert, den ich für den 25. Oktober erwarte. Weil die Luft im August im Durchschnitt aller Jahre ja viel trockener ist als im Oktober. Das hätte bedeutet, dass die 2012er August-Werte vielleicht gar nicht so stark vom Erwartungswert abgewichen hätten, wie sie vom Mittelwert aller Kurvenwerte abweichen. Aber ich will’s nicht noch schlimmer machen 😉 .
Natürlich kann man gut eine etwas höhere Säure mit etwas Restzucker abpuffern. Aber 11,5 g Säure ist – wo wir schon bei Werten sind – dann doch ein Wert, den ich lieber ich edelsüßen Weinen sehe. Aber natürlich ist alles eine Gewöhnungssache, also eine Frage des persönlichen Erwartungswerts. Ich mag’s aber an sich auch gern etwas höher in der Säure, weshalb mir (deutlich) entsäuerte Weine immer zu lasch vorkommen. Wir sind ja hier nicht bei weißen Châteauneufs.
Ich bin auch mal gespannt, wie die einzelnen Winzer mit dem Jahrgang umgegangen sind. Gerade bei den GGs sind ja ziemlich freie Interpretationen möglich…
Hallo Matze,
verzeih die späte Antwort – ich war mal wieder unterwegs. Jetzt hab ich dann doch begriffen. Gut gemacht. So geleimt wurde ich schon lange nicht mehr. Das schreibe ich mal meiner Statistikaversion zu. Reaktion ohne Nachdenken. Super – toller Humor.
beste Grüße
Nein, Du bist nicht alleine – auch uns haben die Spätburgunder von Benedikt Baltes besser gefallen als die auch sehr guten Spätburgunder von Fürst. Sehr schön die Abstufung der Weine vom “kleinen” Buntsandstein bis zum R.
Ansonsten kann ich nur zustimmen, dass die vorgestellten 2013er teilweise ein Säureproblem und selbst laut Winzer entsäuerte Weine eine sehr spitze Säure hatten. 2012er GG waren dagegen teilweise bereits enttäuschend reif und matt, eine Ausnahme hier das Riesling GG von Luckert.
Meine beiden Entdeckungen waren Rudolf May und Paul Weltner. Bei Weltner hatten es mir vor allem der einfache Guts-Sylvaner (kräutrig, würzig, wenig Frucht) sowie die Scheurebe (sehr fein verwoben und alles andere als laut) angetan. Deine Einschätzung zu den Weltner-Weinen würde mich noch interessieren?
Generell hat mich die Probe darin bestärkt, dass der reife und teils bananing-breite Silvanerstil wie er vor allem bei ansteigender Qualitätsstufe vorherrscht so gar nicht mit meinem Silvanerideal korreliert und ein wahres Silvaner-GG die Ausnahme von der Regel ist.
PS: Am Samstag hatte ich die Gelegenheit die 2013er Weine von Klaus-Peter Keller zu verkosten, über alle Stufen hinweg liegen da einfach Welten zwischen diesen Weinen und den fränkischen 2013ern. Ganz zu schweigen von den Fassproben von Hubacker und Kirchspiel…
Sorry vielmals für die späte Reaktion, ich war wieder mal drei Tage unterwegs. “Nach Diktat verreist”, das sind ja die sympathischsten Zeitgenossen 😉 .
Was die 2012er GGs anbelangt, teile ich Deine Wahrnehmung. Ich meine aber, dass das in erster Linie daran liegt, dass sie sich derzeit in einer Delle befinden, aus der sie erst in frühestens zwei bis drei Jahren wieder rauskommen. Die würde ich so früh nicht abschreiben.
Die Weltner-Weine, tja, hm, da hatte ich mir etwas mehr versprochen. Die 13er hatten für mich eine eindeutig zu starke Bitterbetonung, und das 12er GG hatte diesen leichten Muskateinschlag, den ich bei Rieslingen nicht so schätze. Die Scheurebe habe ich leider nicht probiert. Aber das sind ganz subjektive Eindrücke, und wie gesagt, gerade hochwertigere Weine können aus dieser Delle schon mal erstaunlich gut…, äh, phönixhaft auferstehen.
Die deutschen Rieslingspitzen sind da aber auch meiner Meinung nach schon noch ein ganzes Stück weiter oben anzusiedeln. Bei den 13er Fassproben habe ich mich ja bislang sehr zurückgehalten, aber dass ein Hubacker eine ganz andere Strahlkraft besitzt, überrascht mich nicht. Wie gesagt, der Centgrafenberg GG von Fürst kann für mich als einziger Franke bei den besten Pfälzer (sic!) Gewächsen mithalten. Die “gewöhnlichen” fränkischen Weine sind für mich in erster Linie sehr gute Speisenbegleiter, wenn es nicht ins Bananige abgleitet.
Schöne Klima-Spielerei. Aber was hast Du gegen die Rotweine von Fürst? Weshalb ziehst Du die von Baltes vor?
Nein, ich habe nicht etwas gegen die Fürst-Weine, sondern eher für die Baltes-Weine. Und zwar deshalb, weil sie mir insgesamt im Stil wegen ihrer größeren Kernigkeit besser gefallen, wegen der prononcierten Frische, dieser – ja, ich sag’s mal – Côte de Nuits-Anmutung. Nie würde ich behaupten, dass die Fürst-Rotweine schlecht wären, das würde sicher kein Weinfreund tun. Aber es freut mich, dass es da jemanden gibt, der quasi aus dem Stand in einer großartigen Lage richtig konsequente Weine macht.
Ich habe 2013 schon ” Refluxjahrgang ” getauft
Wie, Traubensaft mit Kondensationswasser verfeinert? Ein bisschen ist es vermutlich auch ein Jahr, bei dem der Kellermeister mal zeigen konnte, was er so gelernt hat…