Bouchard Père & Fils, das ist nicht nur ein bedeutendes Handelshaus in Beaune, sondern auch einer der wichtigsten Weinbergbesitzer im Burgund. Vielleicht sogar der wichtigste überhaupt. Gut, ganz an der Spitze gibt es Weingüter wie Romanée-Conti oder Leroy, die allein aufgrund der Preise für ihre Weine das Image des Burgunds in der ganzen Welt prägen. Nur hat kaum jemand von uns je die Möglichkeit, an einer Jahrgangsvertikale “La Tâche” oder Ähnlichem teilzunehmen. Bouchard ist da anders aufgestellt. Zwar hat man hier auch einen Montrachet vorrätig, aber es sind vor allem Vielfalt und Verfügbarkeit, die das Haus Bouchard von den exklusiven Mini-Domänen unterscheidet. Ich war in Beaune und habe einmal ein bisschen in das Burgunder-Universum hineingeschnuppert.
“Hineinschnuppern” ist dabei der richtige Ausdruck. Der Mitarbeiter des Hauses, der mir den seitenlangen Bestellkatalog überreichte, meinte dann auch: “In Wirklichkeit ist unser Katalog dreimal so groß. Aber das überfordert jeden, der mal kurz für eine Verkostung vorbeischaut. Deshalb tauschen wir die Posten regelmäßig aus. Trotzdem bleibt das auch so ein Komplettprogramm.” Wie viele verschiedene Weine tatsächlich im Angebot sind, wusste er allerdings auch nicht, “300 vielleicht…”. 600.000 Flaschen produziert das Haus jährlich, das seit 1995 der Champagnerfamilie Henriot gehört. Die besten Weine stammen dabei von den 130 ha eigenen Weinbergen, darunter allein 86 ha Grand- und Premier Cru-Lagen.
Weshalb ich ausgerechnet Bouchard Père & Fils besuchen wollte, hat allerdings noch einen anderen Grund. Nachdem die einschlägigen Weinguides den gloriosen Wiederaufstieg des Hauses einige Jahre lang begutachtet hatten, ist dies ausgerechnet im üppigen Burgunderjahr 2009 anders: Der Guide Vert bemängelt, dass gerade den Einstiegsweinen der Charakter ziemlich abhanden gekommen sei, die Premiers Crus hätten zu wenig Fruchtreife und Substanz – kurzum, ein Stern wurde abgezogen. Bettane & Desseauve hingegen sehen das völlig anders. 23 Weine aus dem Jahrgang 2009 haben sie verkostet und selbst den kleinsten davon (den weißen Coteaux des Moines für weniger als 10 €) mit 16,5 Punkten bedacht. Allerdings handelte es sich sämtlichst entweder um Fassproben oder um gerade abgefüllte Weine. Die alte Leier.
Gleich beim Eintritt in die Verkostungsräume fällt auf, dass es hier noch ein wenig vornehmer zugeht als bei Chapoutier. Die Mitarbeiter legen dementsprechend eine etwas reserviertere Art an den Tag. Aber dies ist auch Burgund, und man muss offenbar als ausgebildeter Sommelier eine gewisse Leidensfähigkeit besitzen, was den Umgang mit manchen zufällig hereingeschneiten Kunden anbelangt. Jetzt aber zu den Weinen, dreimal Weiß und dreimal Rot. Interessanterweise beginnt man hier beim Verkosten mit den Roten und geht dann erst zu den Weißen, warum auch immer.
1. Monthélie 1er Cru “Clos Les Champs Fulliot” 2009, 20,80 € (wie immer die Ab-Hof-Preise): Wer kann sie alle aufsagen, die Premiers Crus des Burgunds? Ich muss zugeben, die Lage noch nie gehört zu haben, aber Monthélie ist ein Ort an der Côte de Beaune, und “Les Champs-Fulliot” eine Lage direkt an der Grenze zur Gemarkung Volnay mit mageren Böden und deshalb feinen und subtilen Weinen. Genauso stellt sich der Monthélie hier auch vor: sehr duftig in der Nase, Himbeere, auch Rose. Am Gaumen ist der Wein von einer deutlichen Kräuternote geprägt, die mit einer leichten Bitterkeit einhergeht. Das Tannin wirkt enorm fein. Auch wenn es sich um einen sehr jungen Wein handelt, treten die Fruchtnoten hier nicht in den Vordergrund, und das werden sie auch bis in alle Ewigkeit nicht tun. Sehr elegant und klassisch. 16 MP
2. Volnay 1er Cru “Clos des Chênes” 2007, 34,40 €: Die Lage grenzt direkt nordöstlich an die Champs-Fulliot, etwas höher gelegen und mit etwas mehr Hangneigung. Der Kalkmergel soll – trotz der für Volnay typischen Finesse – für mehr Struktur, Dichte und Aroma sorgen. Allerdings war 2007 im Burgund ein leichteres, schlankeres Jahr. Dieser Wein zeichnet sich jedenfalls sofort durch eine Nase aus, die ich etwas unqualifiziert als “edel” bezeichnen möchte. Stärker vom Holz geprägt als der Monthélie, wirkt er ein wenig würziger und schwerer, mehr nach Leder. Am Gaumen ist alle Schwere dahin: etwas stärkere Säure als der Monthélie, vor allem aber sehr eben, elegant, weinig und mit einem extrem geschliffenen Tannin. Wahrscheinlich kann man diesen Wein ab jetzt in allen seinen Altersstufen trinken. Sehr schön. 17,5 MP
3. Corton Grand Cru “Le Corton” 2007, 52,30 €: Wieder Côte de Beaune, diesmal aber ihr nördlichster Teil. Und nicht nur das. “Le Corton” ist die höchst gelegenste Lage, die bis auf 350 m Höhe direkt bis an die Waldkuppe heranreicht. Die Exposition geht dabei nach Südost, der Untergrund ist mergelig und skelettreich. Der hier produzierte Rotwein soll kräftig und langlebig sein. Interessanterweise können als “Corton” Weine bezeichnet werden, die von allen möglichen dafür zugelassenen Parzellen des Berges stammen, während “Le Corton” als Bezeichnung nur für das beschriebene Climat erlaubt ist. Der Wein stömt in der Nase eine noch herbstlichere Anmutung aus: welke Blätter, Gewürznelke, Leder, intensiver als die beiden vorangegangenen Roten. Am Gaumen ist von der Geschliffenheit eines Volnay nicht mehr viel zu spüren. Der Corton gibt sich aggressiver, mit strengeren Tanninen und viel Würze. Meiner Meinung nach ist die Trinkreife noch ein ganzes Stück entfernt. Vielleicht kommt der Jahrgang einem an sich kräftigen und strukturierten Wein nicht gerade entgegen. Möglicherweise würde ein eingeschworener Corton-Freund deshalb den 2009er bevorzugen – aber der ist noch nicht im Verkauf. Oder halt, vielleicht kommen die Flaschen der ersten Tranche genau jetzt in die Läden. 17 MP, aber da geht noch mehr…
4. Beaune 1er Cru “Clos Saint-Landry” 2008, 28,40 €: Dass wir es hier mit einem Weißwein zu tun haben, ist sicher nur den Experten sofort ersichtlich. Denn, uff, die AOC Beaune kann mit nicht weniger als 42 Climats aufwarten, die als Premier Cru gesondert in den Handel kommen dürfen. Der “Clos Saint-Landry” gehört dabei zu den vielen, teils winzigen Lagen in der kieseligen Mitte des Hanges, deren Rotweine meist zum allgemeinen “Beaune 1er Cru” verschnitten werden. Dem Chardonnay gefällt es hier besser als dem Pinot Noir, so dass Bouchard diese Lage in Weiß separat abfüllt. In der Nase wirkt der Wein sogar noch leicht hefig, daneben aber mit floralen Noten ausgestattet. Am Gaumen beginnt sich eine gewisse Cremigkeit Bahn zu brechen, aber die apfelige Fruchtigkeit steht noch deutlich da. Die kantige Säure trägt das Ihre dazu bei, dass ich sagen würde, die Zeit des Saint-Landry ist noch nicht gekommen. 15 MP
5. Meursault 1er Cru “Genevrières” 2008, 43,40 €: Eine der Paradelagen der Gemeinde, auf halber Hanghöhe gelegen, harter Kalkuntergrund, der sich mit weißem Mergel abwechselt. Der Wein aus dieser Lage soll reichhaltig, expressiv und komplex sein und gilt in den meisten Jahrgängen als der beste Meursault. Unser Wein zeigt in der Nase etwas Holz, das aber nicht dominant erscheint. Ansonsten wirkt er derzeit ziemlich verschlossen, schlank, ein wenig Anisnoten, ein wenig helle Birne, aber weit entfernt von expressiver Üppigkeit. “Plump” wäre so ungefähr das unpassendste Wort für diesen Wein, und das kann man bei Meursault nicht immer so sagen. Mir gefällt ehrlich gesagt diese straffe Version gut, zumal die Anlagen für eine schöne Reife vorhanden sind. 16,5 MP
6. Corton-Charlemagne Grand Cru 2008, 82,20 €: Zwei Bereiche gibt es im Burgund nur für weiße Grands Crus: einmal die fünf Lagen des Montrachet, und dann die sich unterhalb der Waldgrenze um den Corton-Berg herumziehenden sechs Lagen. Diese sechs Lagen dürfen allerdings für Weißweine nicht einzeln genannt werden, so dass alle Weine von hier “Corton-Charlemagne” heißen. Bouchards Corton-Charlemagne stammt aus der Lage “Le Corton”, wobei die Chardonnay-Reben direkt am Wald und die Pinot Noir-Reben ein wenig unterhalb stehen. Wer will, kann sich die ganzen Lagen auch auf Google Earth anschauen, denn das Haus hat dort alles eingezeichnet. Ich hoffe, dieser Link hier stimmt. In der Nase zeigt sich der Corton-Charlemagne ganz ähnlich wie der Meursault: elegant, aber noch leicht hefig, verschlossen, Anis und Kräuter statt exotischer Früchte. Am Gaumen kommt das Zitronige stärker zum Vorschein. Der Wein ist schlank, extrem fein ziseliert, elegant und mit einer ordentlichen Säure ausgestattet. Im Abgang dominieren Eisenkraut und Angelika. Belohnt wird der, der warten kann. 17 MP
Zu einem Fazit muss ich mich diesmal nicht durchringen, denn die Sache erscheint mir ziemlich klar. Der Stil des Hauses Bouchard Père & Fils ist von Klarheit, Eleganz und zurückhaltender Finesse geprägt. Wer Weine sucht, die ausdrucksstark und fruchtbeladen sind oder auch solche, die auf dem schmalen Grad zwischen Unsauberkeit und Genialität wandeln, ist hier fehl am Platz. Bouchard bedeutet Maßanzug und nichts Wildes. Ich kann mir also vorstellen, was der Guide Vert einen “Mangel an Charakter” nennt, zumal ich die kleineren Weine, denen jenes unterstellt wird, diesmal gar nicht probiert habe. Ich kann aber auch die Lobeshymnen von Bettane & Desseauve nachvollziehen, denn feine, schlanke und dennoch als absolut hochwertig zu erkennende Weine sind gar nicht so schrecklich häufig auf der Welt.
Mir hat der Besuch hier jedenfalls letztlich besser gefallen, als es der erste, etwas reservierte Eindruck des Hauses vermuten ließ. Genau wie die Weine ist auch mein “Gastgeber” im Verlauf der Probe aufgetaut, und damit passt er eigentlich sehr gut zu den Weinen, die er vertritt. Wer die Weine des Hauses kaufen möchte, muss aber natürlich nicht nach Beaune fahren. Ein recht umfangreiches Angebot habe ich beispielsweise bei Ludwig von Kapff gefunden, aber ich denke, dass Ihr bei der Suche nach einem Bouchard-Wein nicht auf allzu große Schwierigkeiten treffen dürftet.
Die Weinbergsfotos stammen übrigens nicht aus Beaune, sondern aus Marsannay. Hier vom nördlichen Rand der Côte de Nuits vor den Toren der Stadt Dijon stammen vor allem die kleineren Burgunder, und zwar in Weiß, in Rot und in Rosé (die einzige zugelassene Rosé-Appellation im Burgund). In einem Bistrot in Dijon konnte ich mich dann davon überzeugen, dass sich dahinter dennoch ausgesprochen schmackhafte Tropfen verbergen können. Das Haus Bouchard hat allerdings keine eigenen Weinberge in Marsannay.
Was ich darüber fast vergessen hätte: Alle Weine aus den eigenen Lagen des Hauses tragen ein aufgedrucktes “Domaine” auf dem Etikett, die Weine aus Zukaufsware nicht. Welche Range ich bevorzugen würde, ist klar.
Bei Rene Gabriel habe ich mal gelesen, dass auf seinen Bordeaus Primeur-Touren die Rotweine vor den Weissweinen verkostet würden, da letztere mehr Säure hätten . Das würde wohl die anschliessende Rotweinbewertung beeinträchtigen. Kann ich mir bei Jungweinen durchaus vorstellen. Allerdings könnte man auch argumentieren, dass Säure und Tannin der Rotweine den weissen in die Quwere kommen…
Empfehlenswert ist diese Vorgehensweise aber jenseits von Weinpäbsten im ganz normalen Degustationswahnsinn nicht sonderlich gut organisierter grösseren Proben: Da kann es schon Sinn machen,die Roten zuerst zu probieren, solange sie noch noch korrekt temperiert sind und nicht durch Rumstehen in überhitzten Räumen aufwärmen und bei den Weissen zu warten, bis sie einigermassen kühl sind…
Der Sommelier von Bouchard hatte auch gemeint, dass diese Reihenfolge bei ihnen ganz üblich sei. Im Prinzip sollte es ja so sein, dass die “feinen” Weine mit subtilen Aromen zuerst kommen, und die tannin-, säure-, süße- und aromenreichen Weine danach. Ist halt alles eine Frage des Gastgebers, wie er das so einschätzt. Ich fand das bei Bouchard schon in Ordnung so, aber anders herum hätte es genauso gepasst.
Bei größeren Proben ist das mit der Temperatur wahrscheinlich wirklich das größte Problem. Allerdings habe ich es (wenn ich mal darüber nachdenke) öfter erlebt, dass die Weißen schon total warm waren als dass sie noch Kühlschranktemperatur hatten. Außer bei einer Messe im Zelt, wo es draußen schon geschneit hat. Da waren die Ausschenker allerdings genauso verfroren wie die Weine 😉
Bei Bouchard war das alles extrem profihaft. Jede Flasche kam aus einem eigenen Klimaschrank…
Hi Matze!
Auf der Sud de France Verkostung in Düsseldorf im Restaurant Les Halles mit Markus dem Monego war es genauso: Rot vor Weiß und genau auch die Begründung von Duni wurde vorgebracht, da das Procedere eben Fragen aufwarf.
Ansonsten kann ich nur sagen das ich mit Bouchard keine großen Erfahrungen habe, bis auf den Jesuswein. Und ja Torsten, der 93 war wirklich großartig – allerdings vor ca. 2 Jahren. Das sollte er aber immer noch sein.
Grüße Jens
Ausgerechnet den “Jesuswein” habe ich noch nicht probiert, das ist sicher der bekannteste Wein von Bouchard. Bei der Qualitätsweinprüfung, hat mir grad ein Winzer gesmst, wird übrigens auch immer Rot vor Weiß geprüft, weil nach Weiß trocken dann immer gleich Weiß süß kommt, und danach sind die Geschmacksnerven nicht mehr auf irgendwas anderes einzustellen. Wie gesagt, ich find’s wurscht, wenn man nicht als Rotwein mit einem 15+%iges Monster startet und danach einen ultrazarten trockenen Weißen vorgesetzt bekommt.