Gestern in Dijon kam ich zur Mittagszeit an einem Restaurant vorbei, in das jede Menge Leute strömten. Ein gutes Zeichen. Auf der Karte am Eingang wollte ich mich ein wenig orientieren. Ich stellte fest, dass sie hier im “Clos des Capucines” nicht nur eine französische Speisekarte, sondern auch eine englische und sogar eine deutsche Version vorrätig haben. Was ich auf letzterer zu sehen bekam, trieb mir allerdings die Tränen in die Augen. Vor Lachen. Und der Lachflash ist immer noch nicht ganz vorbei. Aber seht selbst und versucht ein bisschen mitzuraten, worum es sich in Wirklichkeit handeln könnte. Was zum Beispiel könnte ein “Ziegelstein Rechtsanwalt” sein?
Aber beginnen wir ganz unten, beim einfachsten Menü, hier als Menu Eil, also “Menu Express” bezeichnet. Zunächst sieht alles relativ normal aus. Der Lebkuchen am Heiligen Môret ist ein Pain d’Epice mit Frischkäse, St-Môret mit Namen. Beim Rindpflasterstein mag es sich in der Tat um ein besonders hartes und zähes Exemplar handeln. In Wirklichkeit geht es aber um ein Pavé, also um ein dickes Stück Rindfleisch. Das panierte Dorschnetz irritiert ein wenig, ist aber halb so wild, wenn man realisiert, dass das französische Wort “Filet”, das ja etliche Bedeutungen haben kann, hier mit “Netz” übersetzt wurde. Das Tiramisu an der weißen Fischerei hingegen hat nichts mit Fisch zu tun. Es handelt sich hier um Pêche, also Pfirsich.
Richtig schlimm wird es beim Menu gierig an 32 €, denn ein derart bezeichnetes Menü bestellt man dann doch nicht so gern. Dabei ist es einfach das Menu Gourmand. Die nächste Sache ist derart kniffelig, ich möchte wetten, dass Ihr das nicht herausfinden würdet. Ziegelstein Rechtsanwalt, da wären viele Interpretationen möglich. Nur ein Blick auf die französische Speisekarte hilft in diesem Fall weiter. Der Ziegelstein ist ein Taco, und beim Rechtsanwalt handelt es sich selbstverständlich um Avocado. Was bei der zweiten Wahlmöglichkeit Sot dort läßt, erklärt sich auch nicht von selbst. Die Sache ist aber verzeihlich, denn für das “Sot-l’y-laisse”, also die beiden feinen Fleischstücke aus den Vertiefungen am Geflügelrücken, gibt keine deutsche Entsprechung. Das Netz von Courbine, das an den Früchten der Leidenschaft geröstet wurde, ist dafür wunderbar blumig bezeichnet. Netz kennen wir ja schon als Filet, Courbine bleibt unübersetzt, die deutsche Bezeichnung dafür lautet “Adlerfisch”. Und die Früchte der Leidenschaft, klar, sind Passionsfrüchte.
War es schon ein wenig unangenehm, das Menü für Gierige zu verlangen, hätte man beim Menu verliebte eigentlich keine derartigen Probleme. Wäre da nicht die Vorspeise, die für ein erstes Date denkbar ungeeignet erscheint. Salat von Ratte. Da muss man schon sehr hartgesotten sein. In Wirklichkeit (obwohl ich mich jetzt nicht dafür verbürgen würde) handelt es sich um einen simplen Kartoffelsalat, denn “Ratte” ist die unter Feinschmeckern geschätzte knubbelige Kartoffelsorte. Der Känguruhpflasterstein an den Panzerkrebsen klingt dafür nach schlimmen Zahnschmerzen. Weshalb der Restaurateur sich bei den Vorschlägen seines Übersetzungsprogramms für “Gibier”, also Wild im Allgemeinen, ausgerechnet für Känguruh entschieden hat, lässt mich allerdings ahnen, dass er seinen französischen Klienten dieses Detail vorenthalten wollte.
Ob Touristen, die mit der deutschen Speisekarte malträtiert wurden, angesichts von Rattensalat und Rechtsanwalts-Ziegelsteinen dort letztlich auch gespeist haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Wir sind nämlich zu einem anderen Bistrot weitergezogen, wobei das Hacksteak dort im Nachhinein ein wenig, nun ja, rattenhafte Assoziationen bei uns hervorrief.
Wie sieht es bei Euch aus? Habt Ihr auch schon einmal unglaubliche Bezeichnungen auf Speisekarten entdeckt? Oder – noch schlimmer – nachher festgestellt, dass die Beschreibung doch korrekt war?
Das ist eine der origninellsten Übersetzungen 😉
“Baby kid cooked in a pot” war mein bisher abenteuerlichstes Gericht, ein köstliches Lamm-Giuvetsi in einer Taverne in Sifnos.
Das klingt sehr böse. Aber wahrscheinlich kommt es daher, dass “kid” ja auch Kitz oder Zicklein heißt.
Hi Matze!
Wie ich vermute bist Du schon wieder auf dem Rückweg aus dem gelobten Land in die kulinarische Diaspora!?
Wo geht es denn demnächst hin? Weißt Du schon was?
Jens
Ja, bin quasi auf halber Strecke. Wohin es danach geht, ist noch nicht entschieden. Oder vielleicht doch schon, nur bekomme ich es natürlich als letzter mit…
Habe kürzlich einen Gewlitztraminer auf einer Karte entdeckt. Die schönste Sammlung mit schrägen Übersetzungen auf Speisekarten allerdings gibt es unter dem Titel »Bindenbrusse mit Puffern und sterilisierter Gurke« bei Maggi Aboul-Kheir als fortlaufende Sammlung. Da gibt es »Vienne snichl« oder »fegüllter Sack« Aber lies selbst…
Hier Teil 1: http://kolumnen.de/kolumnen/aboul/aboul-060704.html
Danke für den Link! Da gibt es ja wirklich unglaubliche Sachen.
Hat nichts mit essen zu tun, aber als ich einmal in einem B&B in England übernachtet habe, habe ich einmal die folgenden Sachen bei der Zimmerbeschreibung gelesen:
“Ein Gastfreundschaftsbehälter wird zur Verfügung gestellt.” Was für ein Behälter das war, weiß ich bis heute nicht.
“Untaugliche Gäste: Setzen Sie bitte das Zeichen des roten Feuers auf den Plastikhaken.” Das Schlimme ist, dass die Gastgeber Mark und Angela fürchterlich PC waren. Ausgerechnet ihnen musste es passieren, dass sie “disabled” mit “untauglich” übersetzen. Was die “untauglichen Gäste” dann aber tun sollen, ist ziemlich rätselhaft.
“Die Markierung lässt den Stab laufen.” Sehr wörtlich übersetzt. Heißt auf Englisch: “Mark runs the bar.”
Hach, immer wieder ergötzlich. Die Bindenbrusse war mir auch gleich eingefallen …
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