Guide Vert 2012: alle neuen Spitzenweine aus Frankreich

Einmal im Jahr, und zwar kurz vor dem Ereignis, das die Franzosen “La Rentrée” nennen und bei dem alle von den Strandmatten wieder an die Schreibtische hetzen, habe ich meinen wahren Geburtstag. Ende August kommen nämlich in mittlerweile schön festgelegter wöchentlicher Abfolge die neuen Weinguides heraus: erst der “Guide Vert” der RVF, der eigentlich “Le guide des meilleurs vins de France” heißt, und eine Woche später der “Bettane & Desseauve“. Dann ist es mir egal, ob es stürmt oder gar schneit, und ich widme mich ganz der Blätterlektüre. In diesem Nachschlage-Post möchte ich Euch nun die am besten bewerteten neuen Weine der 2012er-Ausgabe vorstellen. Nur Nerds wie ich lesen sich das alles durch, aber vielleicht findet Ihr ja eine Region, in die Ihr noch im Frühherbst-Urlaub fahrt oder einen Wein, der Euch besonders interessiert.

Wenn ich hier von allgemeinen Jahrgangsbewertungen und Punkten für Weine spreche, dann ist das natürlich alles über den sehr grob gezinkten Kamm geschoren. Ein Jahrgang ist selten bei allen Winzern und allen Weinen entweder durchgängig gut oder durchgängig schlecht. Und Freunde des vollfruchtigen und des schlank-eleganten Weins können sich bei den Punkten auch schon mal in die Haare bekommen. Darüber hinaus gebe ich natürlich nur das wieder, was in dem Buch steht.

Aber interessant ist es trotzdem. Interessant deshalb, weil ich über die Jahre festgestellt habe, dass die RVF-Verkoster – im Nachhinein betrachtet – eigentlich nie gänzlich daneben lagen. Und auch deshalb, weil Weinbereitung, Weingeschmack und die dazu gehörige Philosophie in Frankreich mehr sind als ein schlichter Modegag oder das Fachsimpeln unter Nerds. Wein ist in Frankreich nicht nur ein immenser Wirtschaftsfaktor, sondern als integraler Teil des kulturellen Erbes auch tief in der Gesellschaft verwurzelt. Besonders die beiden großen Weinguides besitzen dadurch einen ganz anderen Stellenwert als vergleichbare Buchpublikationen wie Gault Millau in Deutschland oder Falstaff in Österreich.

Die Bewertungen für Weingüter reichen übrigens von keinem bis zu drei Sternen, und Weine können als Optimum 20 Punkte erreichen. Was die Regionen anbelangt, habe ich mich an die im Buch festgelegte Reihenfolge gehalten. Ansonsten geht es in diesem Artikel ausschließlich um Weltklasseweine, also solche, die man sich vielleicht einmal im Leben gönnt, die für den alltäglichen Gebrauch aber schlichtweg zu teuer sind. Seid also nicht frustriert, sondern denkt ganz einfach daran, dass Weihnachten ja auch irgendwann wieder vor der Tür steht.

Alsace

Was machen die Jahrgänge? Bei den trockenen Weißen zieht 2009 ganz klar den Kürzeren gegenüber 2008, weil viele 2009er zu plump geworden sind. 2010 reicht vom Himmel bis zur Hölle, vielleicht der heterogenste Jahrgang seit Jahrzehnten. Die meisten 2010er wurden aber noch nicht angestellt.

Wer steht ganz oben? Albert Boxler, Marcel Deiss, Albert Mann, André Ostertag, die Domaine Weinbach und Zind-Humbrecht. Neu ist davon niemand.

Welcher Wein geht auf die 20? Marcel Deiss Grand Cru Schoenenbourg 2008, erst jetzt präsentiert. Perfekt ausgewogen, die Komplexität noch verstärkt durch noble Bitternoten im Finale. 60 € ab Gut. Aber auch die beiden genauso teuren Grands Crus Altenberg de Bergheim 2008 und Mambourg 2008 (jeweils 19,5 Punkte) sollen schlichtweg spektakulär sein. Alles Rebsortencuvées übrigens, ganz entgegen der aktuellen elsässischen oder auch deutschen Praxis. Der beste Wein aus dem Jahrgang 2009 kommt von André Ostertag mit dem Pinot Gris Muenchberg A360P (42 €). Ein monumentaler Wein und übrigens nicht so hoch in der Restsüße wie sonst meist im Elsass bei dieser Traubensorte.

Welches Weingut ist der spektakulärste Neueinstieg? Eigentlich keins. Kuentz-Bas ist wieder da, Pierre-Henri Ginglinger und Jean-Baptiste Adam schrammten auch letztes Jahr nur knapp vorbei. Agathe Bursin hat endlich den ersten Stern. Alle Genannten sind zumindest auf ihren eigenen Flächen biologisch oder biodynamisch zertifiziert. Das geht im Elsass weit über kurzatmige Modeerscheinungen hinaus.

Bordeaux

Was machen die Jahrgänge? 2008 war schon nicht schlecht, aber 2009 und 2010 sind besonders am linken Ufer (also Médoc und Graves) spektakulär ausgefallen. 2009 gilt das auch für Sauternes. Jeder besonders günstige Jahrgang birgt heutzutage ein wenig die Gefahr der Überextraktion, aber wenigstens wird man nicht von mageren und sauren Tropfen sprechen können.

Wer steht ganz oben? Viele. Mehr als drei Sterne vergibt der Guide nicht, und es ist schon ziemlich eng hier oben. In Saint-Emilion sind das Angélus, Ausone, Figeac und Pavie; in Pomerol L’Eglise-Clinet, Lafleur und Pétrus; im Médoc Cos d’Estournel, Ducru-Beaucaillou, Lafite Rothschild, Latour, Léoville Barton, Léoville Las Cases, Margaux, Mouton Rothschild, Palmer und Pontet-Canet; in den Graves Haut-Brion und La Mission Haut-Brion; im Sauternais Climens und d’Yquem. Niemand ist neu davon. Ansonsten heißt es wie immer: Die Geschmäcker sind verschieden.

Welcher Wein geht auf die 20? Ausgerechnet der 2010er des Gutes, das man oben vermissen könnte: Cheval Blanc. Aber gut, 2010 und Bordeaux, warten wir’s ab, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wer noch? Bei Lafite und Latour bringen gleich die beiden letzten Jahrgänge jeweils den höchstmöglichen Punktwert nach Hause, bei Léoville Las Cases immerhin der 2009er, bei Pontet-Canet dafür der 2010er, Pétrus 2010, Yquem 2007 und von Doisy-Daëne der L’Extravagant 2007 und 2009. Preislich weit unterhalb der extravaganten Weine bieten sich jedoch fast genauso gute (oder: gut bewertete) Crus an. Wie wäre es zum Beispiel mit Gruaud-Larose 2009? 19 Punkte auf der Habenseite und genau 1.000 € weniger als Latour und Lafite.

Welches Weingut ist der spektakulärste Neueinstieg? In diesem Jahr geht es nicht so richtig spektakulär zu. Der Clos du Beau-Père ist neu, Jean-Luc Thunevins erfüllter Traum von einem Wein aus Pomerol, ansonsten aber auch Ausgewogenes und sympathisch Unspektakuläres wie Lalande-Borie im Médoc. Der Knaller war letztes Jahr sicher der Einstieg von Liber Pater in den Graves mit seinem Jungfernjahrgang 2006. Ich habe davon noch nie etwas getrunken und werde es angesichts des Flaschenpreises von 1.800 € sicher auch nicht tun. Aber mit seinen 20.000 Stöcken pro Hektar, dem biologisch zertifizierten Anbau und der Arbeit mit dem Pferd im Weinberg ist dies hier ein ganz neuer Ansatz im Bordelaiser Luxussegment. Die Kundschaft dafür wird man wohl eher in New York als in Dubai suchen müssen.

Bourgogne

Was machen die Jahrgänge? Gut machen sie sich. 2008 war schon klassisch gut, 2009 dann noch höher in der Reife, aber vielleicht etwas geringer in der Ausgewogenheit. 2010 hat zumindest bei den Roten jetzt eigentlich alles, was man braucht. Bis zur Trinkreife wird es leider noch eine Weile dauern…

Wer steht ganz oben? Genauso viele wie im Bordelais, nur sind die Rebflächen natürlich wesentlich kleiner. Im Chablis haben Dauvissat und Raveneau drei Sterne. An der Côte de Nuits sind es der Clos de Tart, Jack Confuron-Cotetidot, Bernard Dugat-Py, die Domaine des Lambrays, die Domaine Leroy, Jacques-Frédéric Mugnier, Romanée-Conti, Georges Roumier, Armand Rousseau und Jean Trapet. An der Côte de Beaune werden es schon weniger, nämlich die Domaine d’Auvenay, die Domaine Bonneau du Martray, Jean-François Coche-Dury, Anne-Claude Leflaive und Jean-Marc Roulot. Im Mâconnais schafft es nur noch Jean-Marie Guffens-Heynen ganz nach oben. Ist aber jetzt auch genug des Namedroppings. Nur noch der Hinweis, dass Jack Confuron-Cotetidot neu in dem erlauchten Kreis ist, vor allem – so die Autoren – wegen der unter Beweis gestellten Entwicklungsfähigkeit seiner manchmal in der Jugend seltsam barock daher kommenden Weine.

Welcher Wein geht auf die 20? Hier wird die Luft dann doch sehr dünn, und man trifft nurmehr die üblichen Verdächtigen: Lalou Bize-Leroy mit ihren Grands Crus Chambertin und Musigny, jeweils aus 2009 (Romanée-Conti hat aus dem Jahrgang noch nichts präsentiert), von derselben Dame, aber dem anderen Weingut, der Domaine d’Auvernay, noch der Mazis-Chambertin Grand Cru, ebenfalls von 2009, und schließlich noch der Chambertin Grand Cru 2009 von Trapet. Alles Rotweine übrigens. Dahinter breitet sich ein großes Feld mit hohen Punktzahlen aus. Natürlich ist Burgund heterogener als Bordeaux, und das aus vielen verschiedenen Gründen. Zuallererst wahrscheinlich wegen des Fehlens der in Bordeaux allgegenwärtigen Önologen und Berater, die ziemlich nivellierend wirken. Aber darüber hinaus sind die letzten Jahrgänge im Burgund durchweg gut gelungen, und die Gefahr, daneben zu greifen, ist gegenüber nasskalten Jahrgängen deutlich reduziert.

Welches Weingut ist der spektakulärste Neueinstieg? An erster Stelle ist da sicher die Domaine d’Eugénie zu nennen, wobei das Geld aus dem Bordelais stammt, und zwar von François Pinault, dem Besitzer von Château Latour. Bei der „neuen“ Domaine handelt es sich um nichts anderes als um die alte Domaine René Engel, nur halt mit komplett neuer Mannschaft. Kellermeister Michel Mallard scheint es gelungen zu sein, die schöne Frucht des Jahrgangs 2009 optimal in finessenreiche Weine umzusetzen. Keine Kraftmonster hier, aber auch nichts Preiswertes, die besseren Weine im dreistelligen Eurobereich. Das sieht beim zweiten Neueinstieg mit einem Bumms schon anders aus: Jean Foillard kommt im Beaujolais aus dem Stand auf einen ersten Stern. Die Juroren sind dabei ein wenig uneins, und das hat sicher auch etwas mit der Blindverkostung zu tun. Im Jahrgang 2009 wurden hier in Morgon und Fleurie aus der Süffigweintraube Gamay nämlich extrem tiefe, dunkle und gar leicht fette Weine geerntet, die für weniger als 20 € in sehr hohe Punkteränge kletterten. Auch in Übersee (z.B. Tanzer mit 93 Punkten für Foillards Morgon) greift man zu Noten, die im Beaujolais weitgehend unbekannt waren. Was die Tester des Guide Vert irritiert: Dies ist geschmacklich nicht typisch Beaujolais. Wie auch immer, die Weine von Foillard sollten wir selbst ausprobieren, um uns ein Urteil bilden zu können. Christoph hat es hier ja schon einmal getan.

Champagne

Was machen die Jahrgänge? In der Champagne laufen in dieser Hinsicht die Uhren ja ein wenig anders. Es braucht Jahre, bis ein millésimierter Champagner auf dem Markt erscheint. Insofern sind 2009 und 2010 derzeit relativ uninteressant. Viel interessanter ist dagegen, dass 2002 der letzte wirklich sehr gute Jahrgang war. 2003 war zu heiß, 2004 ziemlich kühl, aber langläuferisch, 2005 ziemlich warm, aber kurzatmig – und 2006 gar nichts. Es bleibt dabei: 1995, 1996, 1998, 2002, das sind die starken Jahrgänge.

Wer steht ganz oben? Bollinger, Egly-Ouriet, Jacquesson, Krug, Pol Roger und Jacques Selosse. Egly-Ouriet ist der Kritikerliebling schlechthin, Krug einfach unvermeidlich, Bollinger in der Spitze ebenso, Jacques Selosse auf einem eigenen Planeten. Bleiben Jacquesson, die den Spagat zwischen Winzer- und Luxuschampagner hinbekommen – und Pol Roger. Weshalb Pol Roger in diesem Jahr in die Drei-Stern-Riege aufsteigt, Salon jedoch einen Stern abgeben muss, liegt an Winston Churchill. Der Sir Winston Churchill Brut 1999 muss den Pol Rogers nämlich hervorragend gelungen sein, während Salon mit seinem einzigen Wein, der mit 300 € noch dazu doppelt so teuer ist, offenbar diesmal deutlich den Kürzeren zieht.

Welcher Wein geht auf die 20? Die volle 20 erreicht niemand, aber erwähnter Winston Churchill 1999 (144 €) ist mit 19,5 Punkten ebenso nah dran wie der Brut Rosé La Grande Année 2002 von Bollinger (kostet weniger, aber immer noch dreistellig). Winston Churchill wird übrigens mit äußerst blumigen Worten beschrieben, der Genuss bereite „kallipygisches Vergnügen. Ein infantiler und ernsthafter Champagner, der gleichzeitig zu trinken und zu essen bietet, Sonne und Mond.“ Am vergleichsweise günstigsten von allen Superstar-Champagnern ist übrigens der Brut Grand Cru Blanc de Noirs Vieilles Vignes von Egly-Ouriet, 63 € ab Hof. Dass eine ganze Reihe sehr anständiger Winzer-Champagner für weniger als 20 € empfohlen wird, sei nur am Rande dazu noch bemerkt.

Welches Weingut ist der spektakulärste Neueinstieg? Von ganz unten gab es diesmal nichts wirklich Spektakuläres, wenn man mal davon absieht, dass die Weine von Bruno Paillard sich endlich ein wenig zu stabilisieren scheinen. Georges Laval bekommt den ersten Stern und wird mit seinen (respektive Vincent Lavals) weinigen und äußerst lagerfähigen Champagnern aus extrem bewusstem An- und Ausbau auch noch weiter steigen. „Leider“ ist sich Vincent preispolitisch der Qualität bereits bewusst.

Jura & Savoie

Was machen die Jahrgänge? Ich finde es immer wieder schön, dass dieser etwas vernachlässigten Region ein eigenes Kapitel gewidmet wird, denn ihre Weine sind es wert, entdeckt zu werden. Die letzten Jahrgänge waren durchweg sehr gut, sei es 2008, 2009 oder 2010. 2008 erschien dabei noch am wenigsten lagerfähig, aber das hat anders herum natürlich den Vorteil, dass man die Weine heute schon mit Genuss öffnen kann.

Wer steht ganz oben? Es kann nur zwei geben im Jura, und das sind Jean Macle und Stéphane Tissot. Ersterer mit extrem traditionellen Juraweinen im oxidativen Stil, die (wie der Château-Chalon) Jahrzehnte überdauern, zweiterer mit einer enorm breiten Palette für wirklich jeden Geschmack – und das alles aus biodynamischem Anbau. Vom Spitzen-Chardonnay aus exzellenter Lage, der die Burgunder das Fürchten lehrt, bis zum süffigen „Wurstroten“ ist alles dabei.

Welcher Wein geht auf die 20? Gar keiner, aber wir sind hier auch in einem ganz anderen Preissegment unterwegs. 18 Punkte erhält der Château-Chalon von Jean Macle (ca. 40 € ab Gut), wobei man da auf die künftigen Jahrgänge wie 2005 oder ab 2008 sehr gespannt sein darf. Ebenfalls 18 Punkte bekommen drei Süß- und Starkweine von Stéphane Tissot. 18,5 Punkte gar der Côtes du Jura Vin Jaune Savagnin Vert 2002 von Ganevat, und danach folgen noch etliche andere ultra-interessante Dinge von allerdings nur einer Handvoll erstklassiger Güter. In Savoyen ist man noch nicht ganz so weit, aber auch da beginnen die autochthonen Reben langsam wirklich hochwertige Weine zu produzieren.

Welches Weingut ist der spektakulärste Neueinstieg? Keine großen Sensationen ganz unten diesmal, aber die Weiterentwicklung zweier extrem interessanter Güter aus Savoyen, der Domaine des Ardoisières und der Domaine Belluard. Neben den dort schon bekannten Trauben Mondeuse, Altesse oder Jacquère werden auch Persan und Grignet angebaut, die Ihr – fast würde ich da wetten – noch nie getrunken habt. Mit dem schweizerischen Wallis, dem italienischen Aostatal und dem französischen Savoyen haben die Alpen im Dreiländereck ohnehin für Freunde interessanter autochthoner Spezialitäten zunehmend mehr zu bieten. Großes Ziel einer fantastischen Weinexpedition, glaubt mir.

Languedoc-Roussillon

Was machen die Jahrgänge? 2005 und 2007 waren ganz stark und die Jahre danach nicht viel schwächer. Man kann also wirklich zufrieden sein im Midi. Ich war ja selbst letztes Jahr während der Ernte dort, und die Winzer meinten durchgängig, dass Petrus es gut mit ihnen gemeint habe. Allerdings wäre es zunehmend wichtiger, früher, frischer und trotzdem ausgereift zu ernten. Also nicht diese breiten Alkoholmonster, sondern kraft- und fruchtintensive, aber dennoch ausgewogene Weine des Südens.

Wer steht ganz oben? Im Languedoc besitzt nur Olivier Jullien mit seinem Mas Jullien die drei Sterne und im Roussillon nur Gérard Gauby mit seiner Domaine Gauby. Dahinter wird es aber in beiden Regionen zunehmend enger, und das zeigt, dass die Großmeister Nachahmer und Konkurrenten gleichermaßen auf den Plan gerufen haben. Hier gibt es noch echte Verschiebungen, echte Entdeckungen, von denen man sich am besten vor Ort selbst ein Bild macht.

Welcher Wein geht auf die 20? Natürlich wieder keiner, aber es gibt schon sehr spezielle Weine im hochklassigen Bereich. Der weiße Mas Jullien von 2009 bekam beispielsweise 18,5 Punkte, kostet wahrlich nicht die Welt, 25 € etwa, aber man muss diese südlichen Fenchel- und Thymiannoten mögen. 18,5 Punkte auch für Les Glorieuses 2008, den Spitzenroten vom Clos Marie. Im Roussillon hat Gauby seine ganze neue Palette an Spitzenweinen angestellt. Künftig wird man nicht nur von Muntada oder Coume Gineste sprechen, sondern auch von (leider ebenso hochpreisigen) Einzellagen-Schätzen wie La Foun und La Roque in Rot oder der Coume des Lloups in Weiß. 72 € kosten alle diese Weine ab Gut, die Punkte bewegen sich zwischen 18,5 und 19,5. La Foun mit seinen 19,5 Punkten entspringt zum Beispiel Carignan-Reben aus der Zeit vor der Reblauskrise. Großartig, aber gleichzeitig elitär. Ebenso spektakulär und teuer die weißen Lagenweine Iglesia Vella und L’Oca von Le Roc des Anges. Das Roussillon geht in Preis und Qualität in meinen Augen mittlerweile in Richtung Nordrhône.

Welches Weingut ist der spektakulärste Neueinstieg? Wahrscheinlich ist das in diesem Jahr die Domaine Danjou-Banessy im Roussillon, auf der Benoît Danjou zeigt, dass man auch mit dem großväterlichen Weingut einiges anstellen kann, ohne gleich spektakuläre Neuinvestitionen zu tätigen. Mit dem Rivesaltes Rancio 1955 hat er sogar aktuell noch einen echten „Erbwein“ aus jener Zeit im Programm. Einen Stern gewonnen haben jeweils Le Roc des Anges von Marjorie Gallet und Clos du Rouge Gorge von Cyril Fhal. Letzterer hat aus einer ultrasteilen Gneiss-Parzelle aus 100% Cinsault übrigens den Ubac gekeltert, 18,5 Punkte (50 €). Ich Glücklicher habe ihn schon probieren dürfen. Ansonsten haben nicht weniger als 15 Güter in diesem Jahr einen Stern dazu gewonnen, die pure Dynamik.

Loire

Was machen die Jahrgänge? Erst einmal die gute Nachricht: Alle, die von dünnen und krautigen Cabernet Francs bislang abgeschreckt waren, dürfen sich auf die neuen Jahrgänge freuen. 2009 war zum Beispiel exzellent bei Rot wie bei Weißsüß. Für Weißtrocken war es allerdings zu heiß, und da sind wir bei dem Problem. Es könnte – wie auch in Deutschland – ein wenig zu easy für die Trauben gewesen sein in jenem Jahr. 2008 war für die trockenen Weißen hingegen exzellent, und 2010 scheinen alle auf einem guten Niveau zufrieden zu sein.

Wer steht ganz oben? Im Pays Nantais niemand, aber das ist auch die Gegend, in der ein Wein nicht mehr als 5 € kosten darf. Im Saumur haben die Brüder Foucault mit ihrem Clos Rougeard drei Sterne, in der Touraine sind es die Domaine du Clos Naudin und die Domaine Huet; im „Centre“, wie es hier heißt, die Domaine Didier Dagueneau. Alles alte und hoch geschätzte Bekannte.

Welcher Wein geht auf die 20? Echte Super-Luxus-Cuvées gibt es praktisch nicht an der Loire, dreistellig ist hier noch nie ein Wein über den Ladentisch gegangen. 20 Punkte werden dann auch von keinem erreicht, 18 Punkte und mehr dafür von einem guten Dutzend. Dabei ist (wie üblich) der Saumur-Champigny Le Bourg 2007 der Brüder Foucault (um 50 € im Laden), wie immer ein Rotwein, der mit den besten Bordeaux mithält und sie mit seiner Natürlichkeit gar in den Schatten stellt. Brüder im Geiste sind hingegen die Vieilles Vignes des Blanderies 2009 von Mark Angeli (35 €), die Noëls de Montbenault 2009 von Richard Leroy (24 €) und der Saumur La Charpenterie der Domaine du Collier (35 €), alles extrem volle, feurige, mineralische Chenins mit einem großen Lagerpotenzial. Ein neuer großer Sancerre kündigt sich noch an, der 2010er Petit Chemarin von Vincent Pinard (27 €). Wie viele französische und damit auch weltweite Spitzenwinzer allerdings immer noch keine eigene Website besitzen, finde ich nach wie vor erstaunlich.

Welches Weingut ist der spektakulärste Neueinstieg? Mark Angelis „Geselle“ und Weingutmitarbeiter Stéphane Bernaudeau bekommt mit seinem eigenen 2-Hektar-Weingut seinen ersten Stern, aber für mich ist die wahre Sensation der Einstieg der Domaine des Pothiers. Mir selbst völlig unbekannt, ist hier das erste Mal ein Gut von der Côte Roannaise vertreten, also von den Ausläufern des Massif Central. Anständige Weine mit viel Terroir-Charakter zum kleinen Preis. Daneben halten sie auf den Weiden noch ein paar Kühe. Hoffen wir, dass diese interessante Gegend mit ihrem Vulkanboden durch die Erwähnung ihres ersten Vertreters weiteren Schwung erhält.

Provence & Corse

Was machen die Jahrgänge? Alles mittelprächtig an den französischen Sonnen- und Ferienküsten. 2007 war der letzte sehr gute Jahrgang für die Roten, aber einen exzellenten Jahrgang hat es hier seit Jahrzehnten nicht gegeben. Diese Einschätzung mag auch ein wenig daran liegen, dass – vielleicht aufgrund der Bodenpreise – die Entwicklung in dieser Region bei weitem nicht so dynamisch verlaufen ist wie beispielsweise im Languedoc-Roussillon. Machen also die Winzer den Jahrgang? Fast scheint es hier so.

Wer steht ganz oben? Nur die Domaine Tempier bekommt im Guide Vert drei Sterne, und auf Korsika liegen Antoine Arena und Yves Canarelli mit ihren zwei Sternen vorn. Allerdings sind in der Provence die Zwei-Sterner zahlreicher geworden: Bégude, Hauvette, Revelette, Richeaume, Simone und Trévallon gehören mittlerweile zum Kreis der Aspiranten aufs Olymp.

Welcher Wein geht auf die 20? Das hat es noch nie gegeben: Der am besten bewertete Wein der Provence ist tatsächlich ein Rosé! Und zwar der Bandol 2010 der Domaine de la Bégude (17 €). 55% Mourvèdre, 35% Grenache, dicht, strukturiert, Fruchtsuppe mit Minze und eine enorme Weinigkeit – dies ist mit Sicherheit kein Sommer-Rosé, sondern ein Wein zum Einlagern. 19 Punkte war das den Testern wert. Ebenfalls mit 19 Punkten ganz oben der rote Bandol La Tourtine 2009 der Domaine Tempier. Den sehen wir in 20 Jahren wieder. 18 Punkte für den Grand Rouge 2009 der Domaine Revelette, mit 20 € noch ein Wein aus der Spitzengruppe, der erschwinglich ist. Auf Korsika machen drei Weingüter die 18 Punkte klar. Einmal Antoine Arena mit seinem weißen 2010er Grotte di Sole (16 €), Clos Canarelli mit dem roséfarbenen Figari 2010 und dem roten Figari 2009, und schließlich die Domaine U Stiliccionu mit dem roten Sottu Scala 2009. Vor Ort sind die Preise praktisch nie über 20 €, aber die Importeure schlagen in der Regel ordentlich drauf, der Schiffstransport wahrscheinlich.

Welches Weingut ist der spektakulärste Neueinstieg? Am spektakulärsten ist sicher die Domaine U Stiliccionu aus der Gegend von Ajaccio, denn gleich mit dem Neueinstieg einen der Spitzenweine der gesamten Region zu präsentieren, das hat schon was. Extreme Langläufer-Weine allerdings und von vornherein darauf ausgerichtet. Ganz stark auch ein Newcomer aus der Provence, obwohl das Gut so „new“ natürlich nicht ist. Es handelt sich um die Domaine Les Bastides aus der Nähe von Aix-en-Provence, die besonders mit ihrem Vin Cuit bezaubern konnte. Wie bitte, ein Glühwein auf Spitzenniveau? Ja ja ja, dreimal Ja. Zarte Aromen nach frischer Aprikose, gekochter Pflaume und Haselnuss, ein Wein, den man zu den 13 provençalischen Desserts zu Weihnachten reichen sollte. Na, mal eine andere Idee fürs Festmahl?

Rhône

Was machen die Jahrgänge? Wahrscheinlich ist die Rhône der Gewinner der letzten Jahrgänge. 2007 war gut aber heiß, 2009 ebenso, also beides eher für Freunde des Kräftigen. 2008 wurde viel zu früh niedergemacht, hier gibt es ein paar exzellente und vor allem ausgewogene Tropfen bei den guten Winzern. Und 2010 muss ein flächendeckender Erfolg sein, im Süden wie im Norden. Kann eigentlich nicht viel schief gehen.

Wer steht ganz oben? Im Norden ist das Chapoutier, allerdings mit seinen Einzellagen, dann noch Jean-Louis Chave (der im Übrigen genau das gegenteilige Konzept fährt) und die Domaine Jamet. Im Süden haben sich Beaucastel und Rayas ganz oben festgesetzt. Das sind alles andere als Neulinge, und im Grunde dürften sie schon seit mindestens 20 Jahren auf diesem Niveau sein. Keine Fluktuation an der Spitze also.

Welcher Wein geht auf die 20? Ein einziger, aber der hat es in sich: Château Rayas rouge 2007. Einmal möchte ich in vollem Bewusstsein meiner Sinne diesen König des Châteauneuf genießen. Man muss das aber gar nicht so melodramatisch sehen, denn wer es will, kommt auch an ihn ran, diesen feinsten Wein des Südens. Mit 19,5 Punkten nicht weit entfernt ist der L’Ermite 2009 von Chapoutier, ebenfalls in der roten Version. Auch bei den 19-Punkte-Weinen hat Chapoutier zwei Eisen im Feuer, den weißen L’Ermite 2009 und den roten Pavillon 2009. Alles Hermitage-Weine natürlich, und alle genannten Weine bewegen sich bereits im dreistelligen Bereich. Wenn ich jetzt auf die 18,5 oder gar 18 Punkte gehe, sehe ich spontan etwa 30 Weine vor mir, und das wäre wohl etwas zu viel des Guten. Wegen des erschwinglichen Preises (ist ja nicht immer so) möchte ich hier einfach zwei Weine herausgreifen, nämlich den „einfachen“ Châteauneuf-du-Pape 2009 vom Clos du Mont-Olivet, der 18 Punkte erhalten hat (17,50 € ab Gut) und den Gigondas 2009 der Domaine du Cayron (15,90 €) mit 17,5 Punkten, der jahrein, jahraus auf diesem exzellenten Niveau zu finden ist.

Welches Weingut ist der spektakulärste Neueinstieg? Zwei Güter möchte ich hier auswählen, eins im Norden, eins im Süden. Im Norden handelt es sich nicht um einen Neueinstieg, aber um ein Gut, das kurz vor dem zweiten Stern steht, die Domaine Duclaux. Zwei echte und wahrhaftige Côte-Roties werden hier angeboten, La Germine und Maison Rouge, der eine mit 17,5, der andere mit 18,5 Punkten bewertet. Gut, die Traubenpreise sind hier mittlerweile auf einem unglaublichen Niveau angekommen. 8,60 € zahlen die Négociants den Weinbauern für ein Kilo Syrah. Das hat natürlich Einfluss auf die gesamten Preise der Region, und deshalb gibt es den „schlechteren“ Wein für 35 € und den „besseren“ für 48 € ab Weingut. Das zweite Gut  im Châteauneuf-Gebiet ist dafür ein veritabler Neueinstieg, die Domaine Bois de Boursan. Als einer der seltenen Fälle, in denen zu Zeiten des industriellen Weinbaus echtes laissez-faire geübt wurde, kann Jean-Paul Versino jetzt auf 16 Hektar blicken, die seit der Gründung des Guts im Jahr 1955 noch nie mit chemischen Spritzmitteln in Berührung gekommen sind. Interessanterweise hat die Besitzerfamilie mit all ihrem dickköpfig-anti-syndikalistischem Hintergrund aber bis heute nicht daran gedacht, irgendeine Zertifizierung vorzunehmen. Der einfache Châteauneuf-du-Pape 2009 (18,50 €) muss dementsprechend schmecken wie ein Wein aus ganz alten Zeiten. Klingt interessant.

Sud-Ouest

Was machen die Jahrgänge? Die Bedingungen waren naturgemäß denen im Bordelais recht ähnlich, ohne allerdings in die ganze Welt hinausposaunt zu werden. 2009 scheint ein großer Jahrgang zu werden, ein wenig überkräftig vielleicht, aber für Freunde der feineren Frucht gibt es das Jahr davor und das Jahr danach. Alles im grünen – oder, nein – alles eher im roten Bereich.

Wer steht ganz oben? Drei Sterne hat hier niemand zu bieten, aber Camin Larredya, das Château du Cèdre, Les Jardins de Babylone, Montus, Plageoles, Souch und Tour des Gendres besitzen je zwei Sterne. Nur Larredya ist neu in diesem Club.

Welcher Wein geht auf die 20? Natürlich auch wieder keiner, aber die 18+-Pünkter, die es gibt, weisen eine faszinierende Bandbreite auf. Zunächst ist das der Cahors GC 2008 vom Château du Cèdre, der vielleicht größte Rotwein der Region (68 €), seine Extraktionssucht hat er längst abgelegt. 18,5 Punkte bekommt sogar der süße Jurançon 2009 der Jardins de Babylone (kostet sicher um die 80 €). Guy Pautrat macht also auch nach dem Tod von Didier Dagueneau auf demselben Niveau weiter. Superspannend ist der neue trockene Jurançon des Mini-Weinguts aus 100% Lauzet, eine mir bislang völlig unbekannte Rebsorte des Pyrenäenvorlands. 18,5 Punkte auch für den Madiran La Tyre 2009 vom Château Montus, noch so ein roter Spitzenbrummer. 18 Punkte gibt es für den süßen Monbazillac L’Abbaye 2007 der Domaine de l’Ancienne Cure. Ein veritabler Sauternes-Ersatz für 19 €. Für alle Spitzenrote des Südwestens heißt die Devise entweder sofort austrinken, solange die Frucht noch da ist – oder 20 Jahre warten, bis die wahre Noblesse sich einstellt. Was den letzten Spitzenroten der Region anbelangt, bin ich aber schon bei der nächsten Frage gelandet.

Welches Weingut ist der spektakulärste Neueinstieg? Kein Neueinstieg, aber einen neuen Wein präsentiert Michel Issaly mit seiner Domaine de la Ramaye, und dafür gibt es 18 Punkte. Der Braucol 2009 ist mit 45 € wahrscheinlich der teuerste Rote, den es in Gaillac je gegeben hat. Genauso wahrscheinlich ist es, dass es sich um den ambitioniertesten und besten Wein handelt, der je aus dieser Rebsorte produziert wurde. Das zweite Gut ist dafür ein echter Neueinstieg, und zwar das Mas Del Périé. Wieder ein interessantes Konzept eines innovativen Jungwinzers. Im unteren Bereich seines Angebots tummeln sich frech benannte Tafelweine im Stil eines Vin Naturel mit – wenn überhaupt – geringsten Schwefelbeigaben. Vins de Soif halt. Oben im Portfolio gibt es dafür ebenfalls biologisch erzeugte, aber richtig strenge und ernsthafte Cahors für die lange Lagerung. Ob der Spagat gelingt, kann man natürlich noch nicht sagen, aber es ist auf jeden Fall eine Idee, von der ich glaube, dass sie in den nächsten Jahren in Frankreich noch mehr Nachahmer finden wird.

So, und schon sind wir nach mehreren Tausend Wörter am Ende der kleinen Rundreise durch das Frankreich des Guide Vert 2012 angelangt. Ich kann es zum Abschluss nur noch mal betonen: Das hier ist trotz allem keine Bibel für mich. Oder halt, eigentlich doch. Das hier ist wie eine Bibel für mich: Ich glaube das meiste, aber ich nehme es nicht wörtlich. Der Guide Vert bietet jedenfalls wieder mal eine fantastische Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen und auf spannende Neuentdeckungen aufmerksam zu werden.

Kauft Ihr Euch eigentlich auch dieses Buch, oder bin ich wieder mal der einzige Verrückte? Dank Internet-Bestellung braucht man dafür ja keinen Fuß mehr vor die Haustür zu tun.

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16 Antworten zu Guide Vert 2012: alle neuen Spitzenweine aus Frankreich

  1. jens sagt:

    Soeben bei amzon.fr bestellt. Der Guide Hachette gehört ebenso zu meinen jährlichen käufen und auch früher der Gault Millau. Seit letztem Jahr gefällt er mir ob der Layoutveränderung allerdings nicht mehr und zwei Führer decken Frankreich doch ganz gut ab und erscheinen mir ausreichend.

    Grüße Jens, der gleich auf der Bierbörse in in unserer Stadt noch ein frisch gezapftes Grimmbergen blond in sich hineinschütten wird – so zum Apero versteht sich. 😉

    • chezmatze sagt:

      Mach das! Der Gault Millau leidet irgendwie an Zeitnot oder Geldnot oder an Wurschtigkeit, ich weiß es nicht. Da kommt das Château de Puligny-Montrachet vor der Domaine Leflaive und Jean-Claude Boisset – nicht qualitativ, sondern in der alphabetischen Einordnung. Ich finde da nie was, weil ich nicht weiß, ob es als Château, Domaine, unter dem Vor- oder dem Nachnamen des Besitzers eingeordnet ist. Alles Chaos. Und die Bewertungen sind auch sehr gewagt. Fast hat es den Anschein, als hätte man den kleinsten Wein des Weinguts getestet, und dann werden die größeren gleichmäßig abgestuft drübergeschichtet. Oder umgekehrt. Dabei war, glaube ich, die Ausgabe 2009 richtig gut. Ich werde jedenfalls im Laden trotzdem wieder reinschauen und abschätzen, wie es diesmal aussieht. Der Bettane&Desseauve war letztes Mal auch mit ziemlich heißer Nadel gestrickt, und beim Hachette verderben viele Köche den Brei (finde ich jedenfalls). Dafür ist es ein tolles Adressen-Nachschlagwerk.

      • jens sagt:

        Also! Bis 2010 hab ich den Gault Millau gekauft. Ab 2011 hatte er ein neues Design, was mir nicht mehr gefallen hat. Reinschauen werd ich auch, wenn ich wieder in Frankreich bin, aber blind kaufen auf keinen Fall. Der Hachette hat bei mir sowas wie einen Nostalgiebonus. Das war halt mein erster französicher Weinführer (zuerst noch in deutscher Sprache, dann Englisch und später nur noch französisch). Den kaufe ich immer. Ist halt immer ne Frage, wie du sozialisiert worden bist – mit französichen Weinführen natürlich. 😉

        Gab übrigens heute Abend zum Apero Grimbergen brune und ein Guinness….

        Grüße Jens

        • chezmatze sagt:

          Ja, den Guide Hachette habe ich auch schon lange gekauft, noch auf Deutsch und im blauen Einband – und auch aus genau dieser Nostalgie heraus habe ich das letztes Jahr auch wieder getan. Aber viel zu wenig reingeschaut, da hatten die beiden anderen Guides einfach mehr an (für mich) verlässlicher Info zu bieten. Viel Spaß beim Frühdienst morgen, oder etwa nicht ;)?

  2. jens sagt:

    Ne! Hab’ frei. Sieben Frühdienste kann ich mir einfach nicht mehr ziehen. Das macht mein Körper nicht mehr mit. 😉

    Bin eher der Nachtdiensttyp!

    Ja der blaue Einband. 2003 war schluss mit dem Guide Hachette auf Deutsch. Welche zwei meinst Du den. Der Guide Vert ist klar, aber welcher andere – Bettane und Co oder was meinst Du? Die haben zumindest ne fragwürdige Politik im Bezug aud Probeneinsendung und Bezahlung dafür. Das hat der Guide Hachette nicht. Vom Guide Vert weiß ich es nicht.

    Grüße Jens

    • chezmatze sagt:

      Ja, den Bettane & Desseauve meine ich. Das mit den Proben und der Bezahlung ist immer eine schwierige Sache, beim deutschen Gault Millau wird da ja auch stark diskutiert. Kannst du heutzutage mit einem so aufwändigen Buch nur von den Verkäufen leben? Ich weiß es nicht. Müsste man mal Eichelmann oder Dussert-Gerber fragen, die sollten das wissen.

      Aber – und das ist das, was bei der Bezahlungsgeschichte irgendwie anklingt – B&D sind mir persönlich etwas zu gierig geworden, und das ist gerade für die kleinen Weingüter ein Problem. Erstmal schaffen es die beiden wegen ihrer 1.000 Verpflichtungen gar nicht, alle Weine für ihren Guide selbst auszusuchen und zu bewerten. Das ist ein Team fast wie bei Parker. Dieses Team testet mittlerweile auch alle Weine für die Zeitschrift “Terre des Vins”, die ich deshalb nicht mehr kaufe, denn da steht dann genau dasselbe drin wie im Buch. Für die Kaufhauskette Monoprix suchen sie teilweise auch noch die Sachen aus (was den Weinen dort allerdings gut bekommt). Dann noch die ganzen anderen Veranstaltungen, die Kolumnen überall, ständig sieht man die Namen der beiden irgendwo. Vielleicht täusche ich mich, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass das zunehmend societymäßig wird und immer mehr von der ernsthaften und intensiven Beschäftigung mit der Materie weggeht. Natürlich werfe ich ihnen nicht vor, dass sie nicht jeden Morgen mit weißen Kitteln in ihr Labor gehen, um zu schlürfen, aber es ist mir ein bisschen zu viel Personenkult. Schauen wir mal, wie das Buch diesmal aussieht, in wenigen Tagen werd ich’s wissen 😉

  3. Herzlichen Dank für den Überblick. Meine Herren, wann schreibst du das immer alles? 😉

  4. Charlie sagt:

    Durfte den 2008er AOC Ajaccio von der Domaine U Stiliccionu bei viniculture probieren und war begeistert http://www.verkostungsnotizen.net/vkn_details.php?ID=33344

    • chezmatze sagt:

      Ah, dankechön! Wusste gar nicht, dass es den überhaupt in Deutschland gibt. Naja, bei viniculture haben sie schon ein gutes Gespür für besondere Weine…

      Auf Korsika war ich übrigens noch nie. War mir irgendwie immer zu umständlich, aber lohnen soll es sich ja sehr. Die Abbatucci-Weine, die es bei viniculture noch gibt, kommen übrigens im Guide Vert auch sehr gut weg.

  5. jens sagt:

    Die Tage ist mein Guide angekommen und ich muß sagen, dass er mir wirklich gefällt. Kein Vergleich zu dem mit der heißen Nadel gestrickten Gault Millau vom letzten Jahr. den Guide Hachette habe ich ebenfalls vorbestellt. Soll ja am 1 September erscheinen. Mal schauen ob der pünktlich rauskommt.

    Grüße Jens

    • chezmatze sagt:

      Ich blättere auch jeden Tag ein wenig darin herum. Der Guide Hachette kommt sicher pünktlich raus, ist ja ein zuverlässiger Verlag. Und den Bettane & Desseauve kaufe ich mir am Montag. Die näheren Umstände später… 😉

  6. Hi Matze,

    ich kanns in dem Fall nicht lassen und muß nochmal fürs Gaillac das Wort ergreifen.
    Auch wenn man all diese Bewertungen nicht auf die Goldwaage legen sollte und bei den 20ern, wenn sie soviel kosten, ja eigentlich auch überhaupt keine andere Bewertung raus kommen darf (ich wäre jedenfalls sauer, wenn ich den Preis bezahlen würde und der Wein wäre dann wie meine Stimmung oder selbst nur normal) , sollte man bei all den Nebengebietsbewertungen immer einen kleinen Bonus mitrechnen, weil es total schwer ist manche zu bewerten, weil sie einfach anders sind und die Vergleiche fehlen oder nicht vorhanden sind. Oder einfach auch per se nicht besser bewertet werden.
    Wenn also der Braucol von Issaly 18 Punkte bekommt, heißt das echt was. Ich will nur mal kurz erzählen wie es mir mit ihm ging. Wir waren mit einer kleinen Gruppe dort auf dem Hof als er das erste Mal vorgestellt wurde und waren hin und weg. Vielleicht lag es in dem Moment auch daran, daß wir schon seine gesamte Palette zuvor ausreichend probiert hatten. Einige schreckten aber nicht davor zurück den Wein sofort zu ordern. Ca. drei Monate später machte ein guter Freund in Köln mal wieder ein kleines Spiel mit mir, wohlweislich, daß ich zwar die Weine und Winzer dort in- und auswendig kenne, aber in einer realen Blindprobe eine absolute Katastrophe bin.
    Also kam er mit zwei Gläsern um die Ecke und es ging los. Noch nichtmal die eingepackte Flasche war irgendwo zu sehen. Weil er mir manchmal auch gut gepanschte Weine unterjubelt dauerte es zwei Stunden bis mein Urteil feststand. “Keine Ahnung was das sein soll!” Seine Frage : “Könnte es Gaillac sein?” “Nö – da müßten sich die Spitzenleute dort noch gewaltig lang machen wenn sie sowas hinkriegen wollen. Das hier ist das Beste was ich je in meinem Leben getrunken habe.”
    Du ahnst ja schon welcher es war. Ein mail an Michel ging sofort raus und ich konnte ihm nur nochmal gratulieren und zustimmen. Besonders, weil er uns vor vier Jahren schon sein Vorhaben, den Standard – auch bezüglich auf die Preise – im Gaillac nach oben zu puschen und es sein Ziel war, einen für 35+ am Markt (was für ein Markt bei ~500 Flaschen) durch zu setzen, wissend, daß er mit einer anderen Appelation drauf, direkt einen anderen Preis hätte. Man kann nur sagen : gelungen.
    Eine Flasche habe ich selber noch hier liegen und die wartet auf den richtigen Moment. Vielleicht gibt es ja mal eine Retourkutsche wenn mein Kölner Freund hier unten ist. Obwohl man sagen muß, er ist entgegen mir, gut beim Blindverkosten.
    Salut
    Karl

    • chezmatze sagt:

      Also erstmal finde ich das sehr wichtig und richtig, was Du sagst. Nämlich dass “Nebengebietsbewertungen” so schwer sind wegen der fehlenden Vergleichsmöglichkeiten. Ich habe mir zum Beispiel den trockenen “Jardins de Babylone” gekauft (wenn wir schon mal bei teuren Weinen aus dem Südwesten sind ;)), 100% Lauzet. Von der Rebsorte hatte ich vorher noch nie etwas gehört. Wenn ich den jetzt probieren sollte (wobei ich ihn ehrlich gesagt noch ein bisschen im Keller lassen möchte), was sagt mir der Geschmack dann? Das ist irgendwie auch eine Blindprobe, bei der man nur eben nicht “wirklich” blind ist, sondern eher mit der Blindheit des fehlenden Wissens geschlagen.

      Und genauso schwierig wird es halt dann, wenn du als Winzer aus so einem Nebengebiet einen doch ganz eindeutig exzellenten Wein zu einem gehobenen Preis loswerden willst. Das kannst du wahrscheinlich nur dann tun, wenn dein Name eh schon bekannt ist (ein “Dagueneau” zieht halt) – oder wenn du bei einer Blindprobe nicht Karl oder Matze beeindruckst, sondern Robert Parker ;). Wahrscheinlich wird Michel Issaly keine riesigen Absatzschwierigkeiten haben. Aber falls doch: Ein Gaillac dieser Qualität bei einer Blindprobe mit klassifizierten (und saulangweilig gewordenen) Bordeaux, zwei bis drei sehr gut vernetzte Journalisten, fünf bis sechs luxusweintrinkende Nachplapperer – und das war’s dann. Nie mehr Urlaub für den Winzer 😉

      • Da stimme ich vollkommen zu. Michel hat wie auch Plageoles oder Lescarret in dem Trio tatsächlich sowieso keine Absatzschwierigkeiten. Es ist eher so, das wir da immer auf dem Sprung sein müssen und bei manchen Weinen weil sie innerhal 2-3 Monaten ausverkauft sind nichts mehr bekommen. Im unserm Fall Braucol, ist Michel auch richtigerweise nicht bereit irgend eine Art von Rabatt für Wiederverkäufer zu geben. Und so wie ich ihn und die anderen inzwischen kenne würde ein ?Erfolg? wie Du ihn oben beschreibst nicht zu mehr Menge führen sondern – und da dränge ich seit Jahren blöderweise leider auch drauf – zu höheren Preisen für solche Weine.
        Das mit der Blindheit kann ich auch gut nachvollziehen. Selbst bei einem bekannten Sorten sind die Unterschiede bei guten Winzern die den Standortcharakter der Rebe retten wollen, wegen der microklimatischen, bodenständigen und altersbedingten Unterschiede innerhalb von wenigen hundert Metern (wenn nicht weniger) so gewaltig, daß es schon dadurch schwierig wird Bewertungen zu normen. Allerdings soll das nicht dem heute so gängigen Geschmackssache-laissez-faire drein reden. Da stellen sich mir ja die noch wenig vorhandenen Haare hoch, weil man dann jeglichen Versuch Qualität zu ergründen vergessen kann. Qualität ist nicht, was mir gut schmeckt. Die Betonung liegt da immer auf “mir”. Es gibt aber noch den Wein und da bin ich immer noch naiv genug zu glauben, daß es doch nachvollziehbare Merkmale gibt, die dem Wein gerecht werden und davon absehen was ich mag oder nicht. Ich kann doch auch Weine die mir wegen bestimmter Aromen, Säure, Tannin, Süße,….. nicht schmecken, in ihrer Komposition, Abfolge, Stimmigkeit, ganzheitlichen Geschlassenheit in der schönen Geschichte die sie erzählen (wenn sie halt ACHTUNG! : GUT sind) anerkennen und denen viele, viele Punkte geben. Noch naiver werde ich da ja vielleicht, wenn ich denke, daß man so auch gebietsübergreifend oder sortenfremd denken kann und Matchboxautos mit Runkelrüben vergleichen kann.
        In dem Sinne und einem feucht-fröhlichem Grüß (und ich würde mich mal echt freuen, wenn wir uns in Köln doch mal treffen könnten zu ein paar solchen Krachern)
        Karl

  7. Pingback: Guide Vert 2015: die Weine des Jahrgangs 2012 in Frankreich (Teil 1) | Chez Matze

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