Buchvorstellung: Atlas mondial des cuisines et gastromies

Wer sich ernsthaft für Essen und Trinken interessiert, kommt nicht umhin, sich zwecks weiterer Inspiration ein paar Bücher anzuschaffen. Zwar gibt es immer mehr Menschen, die behaupten, das Buch als Medium hätte sich überholt, aber ich bin mir da nicht so sicher. Das Rad gibt es schließlich auch noch. Lassen wir künftige Generationen darüber richten. Jedenfalls kaufe ich weiterhin Bücher, und das auch gern in anderen Ländern. Eine reine Bleiwüste in einer fremden Sprache ist mir allerdings meist suspekt. Ein Atlas jedoch, der sich mit Küche und Gastronomie beschäftigt, und zudem aus dem kulinarischen Nabel der Welt stammt – das sollte doch eigentlich gehen.

Ich muss zugeben, dass ich ein Fan der Atlanten der “Editions Autrement” bin. In Frankreich gibt es eine große Zahl dieser 80 Seiten schlanken Paperback-Heftchen. Mittlerweile sind 51 Atlanten zu allen möglichen Themen erschienen, und ich besitze ungefähr 15 davon. Thematisch reicht das von der Mafia (eine sehr interessante Ausgabe übrigens) über die Geopolitik der Briten und die Krisenregion Kaukasus bis zu Wein und eben hier Gastronomie. Wie es solch aktuellen Kartenwerken nun mal zu eigen ist, veralten sie relativ schnell. Ich musste daher feststellen, dass auch die Gastronomie mit einer neuen Auflage glänzen kann, die Ihr Euch hier anschauen könnt. Die Abbildungen in diesem Artikel stammen allerdings noch aus dem Original von 2004. Die Essgewohnheiten der Inkas haben sich seitdem nicht wirklich gewandelt, aber die Kurzbiographien der bekanntesten aktiven Köche ändern sich fast so schnell wie das Wetter.

Was den Atlas so interessant macht, sind nicht unbedingt die Vor- und Nachworte irgendwelcher Szenegrößen (obwohl es schon verblüfft, wie viele Ausrufezeichen Michel Bras in einen kurzen Text presst), sondern der thematisch breite Ansatz. Es geht um die Historie von Ess- und Trinkgewohnheiten, um typische Gerichte aus aller Welt, um Tabus und darum, welches Teil von Schaf, Schwein und Rind wie bezeichnet wird. Auf Französisch, bien sûr. Allerdings sind die Karten, Grafiken und kurzen Beiträge nicht so textlastig, als dass man sie mit einem vernachlässigten Schulfranzösisch nicht verstehen könnte.

Die Autoren, kulinarik-begeisterte Geographen, haben viele kleine Fragestellungen herausgepickt, die man woanders kaum behandelt sieht und die das Herumblättern so vergnüglich machen. In welchen Elementen auf dem Geschmacksrad unterscheiden sich beispielsweise die Kaffeepflanzen Robusta und Arabica? Welche Rolle hat Venedig bei der Verbreitung des Weinhandels in Europa gespielt? Welche unterschiedlichen Knabbertypen gibt es? Wer hat den Eistee erfunden? Wo auf der Welt isst man den meisten Zucker? Und worin unterscheiden sich die verschiedenen Formen des Cocido? Bei drei bis vier Grafiken oder Texten pro Seite kann vieles natürlich nur angerissen werden. So soll es aber auch sein.

Dies ist kein Kompendium, sondern ein Blätterbuch mit vielen Informationen, von denen man erst nach dem Finden merkt, dass man sie eigentlich schon immer gesucht hat. Für ein französisches Buch über Küche und Kultur ist es auch erstaunlich wenig auf Frankreich fixiert. Wer die Editions Autrement kennt, weiß, dass es sich dabei meist um engagierte, kritische und intellektuelle Werke handelt. Es geht aber nie um platte Meinungsmache, sondern um eine möglichst umfassende Information über den Hintergrund, um auf dieser Basis besser diskutieren zu können. In diesem Atlas wird nicht über Nahrungsmittelskandale berichtet. Dafür gibt es andere Bücher. Obwohl ich jene des aufklärerischen Gedankenguts wegen durchaus schätze, empfinde ich es diesmal als sehr angenehm, dass sämtliche Interpretationen dem Leser vorbehalten bleiben.

Den “Atlas mondiales des cuisines et gastronomies” in seiner Ausgabe von 2009 gibt es z.B. bei amazon für 16,99 €, in Frankreich kann man ihn in besser sortierten Buchhandlungen auch direkt aus dem Regal greifen.

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