Das Motto der diesjährigen Hausmesse lautete “Deutschland trifft Frankreich”. Das gefiel mir natürlich, werden doch alle, die auf diesem Blog schon länger dabei sind, meine Wertschätzung insbesondere der französischen Regionalweine kennen. Regionalweine? Ja, so heißt das in Frankreich, wo es neben der Hauptstadt Paris die “province” gibt. Hier weiß man zu selektieren. Regionalweine sind also alle Gewächse außerhalb der beiden weltberühmten Regionen Bordeaux und Burgund, wobei Rhône und Champagne immer so eine Zwitterstellung einnehmen.
Was Bordeaux anbelangt, hatten die Liebhaber der Heimatregion von Cabernet und Merlot diesmal nichts zu lachen. Das Haus Dourthe wurde neben einem völlig unbedeutenden Gut als einziger Repräsentant ausgewählt. Da muss ich wirklich schlucken, jeder Supermarkt in Frankreich ist besser aufgestellt. Im Burgund sieht die Sache schon ein wenig anders aus, hier gibt es Konkurrenzloses. Und damit meine ich in erster Linie die beiden Giganten, nicht von der erzeugten Menge, aber vom Prestige: die Domaine Leflaive und die Domaine des Comtes Lafon, beide übrigens seit Jahren biodynamisch bewirtschaftet. Zwar waren weder Anne-Claude Leflaive noch Dominique Lafon anwesend, aber ihre Weine sprachen für sich. Beginnen wir mit ersterer:
Im Jahr 2004 beschloss Anne-Claude Leflaive, 9 ha Weinberge im Mâconnais zu erwerben. Das ist viel für ein Weingut von ursprünglich 22 ha, andererseits hätte Leflaive mit ihrem Renommee wahrscheinlich ein Vielfaches ihrer jährlich 120.000 Flaschen verkaufen können. Also eine Investition in einem Gebiet, das keinen wirklich herausragenden Ruf besitzt. Ihr Cousin übernahm die Aufsicht über die mittlerweile 25jährigen Anlagen aus Chardonnay, gearbeitet wurde auch nach biodynamischen Grundsätzen wie im Mutterhaus. Fast kann man das als alternative Idee eines Zweitweins auffassen, denn der 2008er Mâcon-Verzé (21 €) ist wesentlich preiswerter als die “echten” Leflaive-Weine, obwohl für das sonstige Preisniveau im Mâconnais schon beachtlich weit oben angesiedelt. Er wird nicht im Barrique, sondern im Stahltank ausgebaut, auch um ihn früher zugänglich zu machen. Ich schmecke Birne, Quitte, ein gewisses Feuer, Mineralität, alles von einer gezügelten Säure umgeben. Der Wein kommt mir aromatisch schon ziemlich weit entwickelt vor, er erinnert mich eher an einen Chablis aus einem reifen Jahrgang als an irgendetwas Südburgundisches. Ein schöner Wein, aber mit dem eigentlichen Stil des Hauses hat er wenig gemein. Der kommt nämlich mit dem 2008er Puligny-Montrachet 1er Cru Clavoillon (82,50 €). Fast 5 ha besitzt Leflaive in dieser Lage, die Reben wurden sukzessive zwischen 1959 und 1988 gepflanzt. 100% Chardonnay, klar. In der Nase ist deutlich das Holz vom Ausbau zu spüren. Am Gaumen schmeckt man zunächst eine frische Säure, dann eine enorm elegante Materie, gepaart mit gewissen Kalknoten. Dies ist ein Wein, der viel mehr Tiefe als Kraft zeigt. Deshalb entspricht er auch zur Gänze dem Stil des Hauses: finessenreiche, lagerfähige, eher helle Weine. Hervorragend. Der 2008er Meursault 1er Cru sous le dos d’âne (89 €), ein seltsamer Name übrigens für eine Lage, aber sowas gibt’s ja auch in Deutschland, ist dagegen ein noch junges Kind des Weinguts. Nicht der Parzelle wegen, sondern wegen der Bestockung. Hier befanden sich auf 1,6 ha die Rotweinreben des Guts, die allerdings nur unter der AOC Blagny vertrieben wurden. Weil Leflaive nun einmal für Weißwein steht, wurden die Reben gerodet und in zwei Durchgängen 1995 und 2004 durch Chardonnay ersetzt. In der Nase ist der Wein noch sehr verschlossen, nur ganz leicht ist Holz zu spüren. Im Mund gibt er sich dafür ungeheuer frisch und lebendig, sehr jahrgangs- und gutstypisch, wenig erinnert an den “gelben” und fülligen Meursault, wie man ihn kennt. Nun sind dies zum einen noch sehr junge Reben, zudem nur ganz knapp auf Meursault-Territorium gelegen, aber hier prägt eindeutig der Stil der Winzerin den Wein. Auch sehr gut, wenngleich noch zu jung. Dass die Weine von Anne-Claude Leflaive teuer sind, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. In diesem Preissegment dominieren hierzulande häufig Kunden, die auf etwas muskulösere Weine stehen und bei denen Rotweine immer noch über Weißweinen stehen. Für solche Leute sind die Leflaive-Weine nichts. Eher etwas für echte Liebhaber, die bewusst auf irgendein Elektronik-Spielzeug oder die schicke Hose verzichten, um sich dann einen echten Spitzenwein einschenken zu können.
Ganz ähnlich verhält es sich mit den Weinen der Domaine des Comtes Lafon. Dominique Lafon (ein Mann übrigens, die Schreibweise des Vornamens ist in Frankreich ja für beide Geschlechter möglich) ist der Geschäftsführer dieses knapp 14 ha großen Weinguts, Besitzer ist rechtlich gesehen die ganze Familie. Auf der Homepage werden alle zehn Mitarbeitenden bis zum “Traktoristen” namentlich genannt. Seit 1998 wird hier biodynamisch gearbeitet, alle Weine spontanvergoren, der malolaktischen Gärung unterzogen und zwischen 18 und 22 Monaten in gebrauchten Barriques ausgebaut. So mal im Groben. Der 2008er Meursault Clos de la Barre (76 €) ist doch, potztausend, schon wieder keiner der üppigen Meursaults. In der Nase noch leicht vom Holz geprägt, zeigt sich am Gaumen wieder diese Säure-Finesse-Kombination, eher schlank und mit einer dezenten Kraft. Ich bin mir sicher, dass dieser Wein sich noch hervorragend entwickeln wird. Wer auf die richtig klassischen, eleganten weißen Burgunder steht, sollte sich ein besseres Exemplar aus dem Jahrgang 2008 holen. 2009 war dann wieder zu saftig-breit. Das steht den kleinen Weinen gut, die ansonsten Probleme mit der Reife haben, aber für Meursault (meiner bescheidenen Meinung nach jedenfalls) sind heiße Jahrgänge nichts. Was der Jahrgang bewirken kann, zeigt der 2007er Meursault (59,50 €). In der Nase immer noch Holz, aromatisch aber deutlich weiter entwickelt. Am Gaumen Birne, Quitte, Kraft, eine bernsteinige Note und einiges an Alkohol. Die Säure ist dagegen noch sehr frisch und präsent. Ich bin mir nicht sicher, was ich dazu sagen soll. Aromatisch ist der Wein trinkreif, Holz und Säure raten allerdings zu einer längeren Lagerung. Dekantieren und jetzt trinken ist sicher möglich, für einen echten Langläufer halte ich den 2007er nämlich nicht. Lieber den teureren Wein aus dem Nachfolgejahrgang kaufen.
So. Jetzt wird’s haarig. Ich probierte die Weine (fast alle rot) von drei anderen Burgundgütern. Sie überzeugten mich nicht im Geringsten. Sauer, bitter, unharmonisch, plump oder einfach belanglos. Es hilft niemandem weiter, wenn ich hier ein Bashing einzelner Weine betreibe, aber kein einziger Wein hätte auf meiner Punkteskala mehr als 14 MP erreicht. Manche waren in Ordnung, aber ich erwarte von Premiers und Grands Crus einfach mehr. Und das liegt nicht an der mangelnden Qualität der burgundischen Rotweine im Allgemeinen, sondern an der hier zur Verfügung stehenden Auswahl. Gleiches ließe sich auf andere Regionen übertragen. Fragt mich mal, welche fantastischen Weine und Weingüter mir beim Stichwort Loire, Languedoc, Roussillon, Alsace, Jura oder Sud-Ouest einfallen. Aber hier? Totale Fehlanzeige. Die meisten Regionen vermisste ich komplett, andere wurden lieblos mit Handelshäusern besetzt. Hier fehlte entweder die Kenntnis (ein Blick in den aktuellen Guide Vert hilft dabei festzustellen, ob man noch vorn dran ist), oder die Hausherren sind durch langfristige Importverträge so gebunden, dass sie keine Möglichkeit haben, Spannendes aufzunehmen.
Die Champagne war mit drei Prestigehäusern solide vertreten, Bollinger sicherlich herausragend. Aber auch hier gibt es spannende Winzerchampagner für einen Bruchteil des Preises. Einzig bei der südlichen Rhône kam wieder echte Freude auf. Auch hier ein paar solider Mitläufer – aber dann das Château de Beaucastel. Jetzt kann man zu den Weinen von Beaucastel sehr unterschiedliche Meinungen haben. Für mich, der ich ein Freund der Finesse bin, steht ein Rayas deutlich vorn. Andere, die dunkle Fruchtbomben lieben, werden Beaucastel auch nicht ganz oben sehen. Aber Beaucastel ist halt Beaucastel, führend in einem ganz eigenen Stil. Der “normale” Châteauneuf-du-Pape hat eigentlich in allen Jahrgängen eine eingekochte Marmelade zu bieten, aber nicht dunkel und üppig, sondern mittelfarbig und trüb, als ob noch ein paar Hagebutten mit in den Traubensaft gelangt wären. Ich bin wie gesagt kein riesiger Fan dieses Stils, aber er hat echte Klasse, ganz ohne Frage. Für alle, die hier einmal reinschnuppern wollen, empfehle ich allerdings die nachgeordnete Linie, den Coudoulet de Beaucastel, und zwar in Rot wie in Weiß. In Rot gab es hier die Jahrgänge 2001 (19,70 €), 2003 (17,50 €) und 2008 (15,90 €) zu verkosten. 2001 ist schon trinkreif und für weniger als 20 € ein enorm günstiger Wein im echten Châteauneuf-Stil. 2003 ist schon in Deutschland nichts für mich, den sollen andere trinken. 2008 wurde von Parker abqualifiziert, was in seinem Sinne stimmen mag. Ich sehe das ein bisschen anders: der erste trinkige Jahrgang an der südlichen Rhône seit langer Zeit. Man muss allerdings wirklich die besten Güter nehmen, sonst wird es gelegentlich mager und fast grün.
Und was die Weißen von Beaucastel respektive Coudoulet anbelangt, kann ich nur sagen, dass wir alle die weißen Rhôneweine entweder unterschätzen oder viel zu selten trinken oder sogar völlig ignorieren. Versucht mal, solche Dinge wie Rotbarbe oder Meerestier-Risotto mit Beilagen wie Fenchel, Knoblauch und Oliven oder einen reif-flüssigen Ziegenkäse mit einem Riesling zu begleiten. Katastrophal? Genau, denn dafür gibt es diese Weine. Das brauche ich nicht jeden Tag, aber manchmal ist man halt in diesem Provencefieber, nicht wahr?
Und damit zum Fazit der ganzen Veranstaltung: Mein Kommen hat sich absolut gelohnt, insbesondere für den “deutschen” Teil der Messe. Manche Weine waren zwar noch etwas fad, teilweise sicher auch dem neuen Jahrgang geschuldet, aber es gab großartige Dinge zu probieren. Breuer und Huber hatten meiner Meinung nach die beeindruckendsten Kollektionen mitgebracht, einer eher streng, der andere sensorisch kompromissbereiter, aber beide absolut stark. Hubers Bombacher Sommerhalde GG 2008 war für mich der beste Rotwein. Der beste Weiße kam aus Frankreich, der 2008er Puligny-Montrachet Clavoillon von Leflaive. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bot für mich der Königsbacher Ölberg 2008 von Christmann. Viel Charakter und Individualität, ohne überkandidelt zu sein. Jeder, der sich ein Großes Gewächs entweder nicht leisten kann oder nicht leisten möchte, sollte die 16,40 € dafür ausgeben. Letztens hatte ich irgendwo gelesen, dass der Ölberg zur unförmigen Breite neigen soll. Auf diesen Jahrgang und in diesem Zustand trifft das jedenfalls nicht zu.
Ein bisschen schofel fand ich allerdings, dass es für 20 € Eintritt am Eingang lediglich ein mickriges Probenglas zum Testen gab, in das meine Nase niemals gepasst hätte. Das kenne ich von woanders (z.B. bei K&U) nicht. Als hätte ich es geahnt, hatte ich in meiner Tasche ein richtiges Weinglas mitgebracht. Man kommt sich dann bloß ein bisschen überkandidelt vor… Der Rewe-Konzern, zu dem der Kölner Weinkeller gehört, hat da an einem seltsamen Ende gespart. Von der teils etwas missglückten Auswahl der französischen Weingüter hatte ich ja schon gesprochen. Ansonsten hoffen wir mal, dass es mit dem Kölner Weinkeller weitergeht, nachdem mit FuB vor kurzem schon ein Hochkaräter in der Region dichtmachen musste. Dann bin ich nächstes Jahr nämlich wieder mit von der Partie und kann von den großartigen Ergebnissen des Jahrgangs 2011 berichten.