Es gibt in Lissabon Mitte April nicht mehr viele Dinge, die an den Winter erinnern. Zum Glück natürlich, denn der Winter ist nicht meine bevorzugte Jahreszeit. Eines dieser Überbleibsel habe ich aber mit großem Wohlwollen noch in der Baixa vorgefunden: den Maroni-Stand, hier „Castanheiro“ genannt. Der Castanheiro oder die Castanheira sind nicht nur Berufsbezeichnungen für „Kastanien-Männle“ und „-Weible“, sondern – so habe ich mir sagen lassen – vor allem im Norden des Landes auch häufige Familiennamen.
Ich kannte die Kestane-Männer ja schon aus Istanbul, wo ich zunehmend Gefallen an dem röstwürzigen Geschmack gefunden hatte. Interessanterweise werden die Esskastanien in Lissabon ganz anders zubereitet. Zunächst einmal gibt es bei beiden Stände, aus denen es gar mächtig qualmt. Aber die Istanbuler Kastanien werden offenbar über dem Feuer gegrillt. Die Kastanienhaut ist dadurch leicht angekokelt, die Konsistenz fest, fast ohne Feuchtigkeit, der Geschmack trocken-nussig.
In Lissabon werden die Kastanien hingegen in die Asche gelegt, also nachdem das Feuer hinuntergebrannt ist. Auf dem Blech präsentieren sie sich dementsprechend gräulich eingestaubt. Der Geschmack ist auch ganz anders: Die Lissaboner Kastanien haben sich noch wesentlich mehr Feuchtigkeit enthalten. Sie schmecken deshalb saftig, weniger nussig und eher wie eine Trockenfrucht.
Jetzt würde mich natürlich interessieren, wie die Lage in Italien und den nördlichen angrenzenden Alpenrepubliken aussieht. Vermutlich sind zu dieser Jahreszeit die Maroni-Stände schon längst verschwunden, aber vielleicht kann sich ja noch jemand erinnern…
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