Türkischer Wein: Corvus Vinium Karalahna 2005

Ich kann es nicht lassen. Die Suche nach einem schmackhaften und einigermaßen individuellen türkischen Wein hat mir schon mancherlei gustative Pein bereitet. Aber so schnell kommt die Gelegenheit nicht wieder. Deshalb habe ich gleich zugegriffen, als ich diesen Rotwein für knapp 13 € in der KavButik im Regal gesehen habe. Warum? Wegen der Rebsorte. Jetzt werdet Ihr Euch natürlich fragen, ob ich vielleicht “Kara Lahana” meinte, was so etwas wie “Schwarzkohl” bedeutet. Das wäre dann wirklich innovativ.

Ich weiß, dass Ihr mir das zutraut, aber ganz so schlimm ist es dann doch nicht. “Kara” bedeutet “schwarz”, wie in “Karadeniz” = “Schwarzes Meer”. “Lahna” hingegen kennt mein Türkisch-Lexikon nicht. Vielleicht handelt es sich um einen Dialektbegriff aus der kleinen europäischen Ecke der Türkei, denn nur in jener wird Karalahna angebaut. Wenn man den kleinen Schritt über den türkisch-griechischen Grenzfluss Evros machen würde, dann würde die Sache allerdings ganz anders aussehen. Karalahna ist nämlich nichts anderes als die im Norden Griechenlands sehr beliebte Rebsorte Xinomavro. Zwar bedeutet Xinomavro auch “schwarzer Saurer”, was ein gewisses Unheil andeutet, aber das Gegenteil ist der Fall.

Hier im südlichen Europa ist die Gefahr gering, dass Trauben nicht ausreifen. Viel größere Probleme hingegen verursachen Trauben, die überreif und säurearm geerntet werden. Die Kunst ist also, nebst der phenolischen Reife auch Frucht und Frische in den Trauben und später im Wein zu erhalten. Wer kürzlich einen astreinen La Mancha-Roten im Drahtkorsett aus dem Jahrgang 1975 günstig bei Ebay ersteigert hat, wird wissen, was ich meine. Xinomavro ist deshalb eine sehr wertvolle Rebsorte. Sie erhält sich eine schöne Säure bei dunkelbeeriger Frucht und gilt nicht umsonst als Hoffnungsträger des griechischen Weinbaus. Dass Griechen und Türken viele gemeinsame kulinarische Spezialitäten besitzen, ist ja bekannt. Dass es auch eine ausgezeichnete Rebsorte auf beiden Seiten des einstigen Minenfeldes gibt, stimmt mich wahrhaft froh.

Über das Weingut Corvus hatte ich hier bereits alles Notwendige gesagt, jetzt also zum Wein: Jancis Robinson, das aber nur nebenbei, gab ihm 16,5 Punkte. Jahrgang 2005, 13 vol%, das sind doch Angaben, die mir bei einem im klimatisierten Keller gelagerten Rotwein gefallen. In der Farbe macht der Wein seiner Rebsorte alle Ehre: fast schwarz mit blassem Rand. In der Nase sind sehr beerige Noten zu spüren, aber keinesfalls breite. Schwarze Johannisbeere, Sauerkirsche, ein bisschen Unterholz und dann doch ein gewisser Alkohol. Am Gaumen ändert sich die Frucht dann wieder: eindeutig säuerliche Pflaume. Die Tannine sind noch ziemlich stark, ich bin froh, den Wein nicht in einem jüngeren Stadium probiert zu haben. Ein bisschen Bittermandel, Kirschkern vielmehr, eine gut präsente Säure, alles sehr angenehm. Irgendwie erinnert mich der Wein an einen kleinen Pomerol. Klein in dem Sinne, dass er zwar keine großartige Raffinesse besitzt, aber auch nicht in Richtung internationale Fruchtmarmelade geht.

Meine Punkte: 5 für Eleganz, 6 für Charakter, macht 15 MP insgesamt. Zugegeben, Jancis Robinsons 16,5 erscheinen mir eindeutig zu hoch gegriffen, aber vielleicht spielte da eine gewisse promoterische Sympathie eine Rolle. Ein erfreulich ungekünstelter Wein jedenfalls. Ich will nur hoffen, dass er weiterhin produziert wird. Meist werden ja nur die allerjüngsten Jahrgänge verkauft; da könnte ein 2005er schon darauf hindeuten, dass seitdem nichts mehr nachgekommen ist. Würden die türkischen Weinproduzenten (von Winzern im eigentlichen Sinne kann man ja leider nicht sprechen) auf das Pferd geeignete autochthone Rebsorte plus charaktererhaltende Vinifizierung setzen, mir wäre um die Zukunft des türkischen Weins nicht bange.

Dieser Beitrag wurde unter Unterwegs, Wein abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.