Wer auf der Galata-Brücke steht, hat gute Aussichten. Auf der einen Seite kann man das Treiben auf dem Fischmarkt von Karaköy betrachten. Auf der anderen Seite geht der Blick in Richtung der großen Moscheen von Sultanahmet. Unter sich fühlt der Galata-Brückenmensch das Wasser, das Goldene Horn. Die vielen Fähren und kleinen Fischerboote, die Möwen, die Menschen überall – hier ist es immer lebendig, hier ist immer “Kosmos”, wie es der Grieche ausdrücken würde, hier wird es einem nie langweilig.
Gute Aussichten erfüllen allerdings auch die Galata-Brückenmenschen, wenn sie an die nähere Zukunft denken. Der gewöhnliche Galata-Brückenmensch ist nämlich Angler, und die guten Aussichten betreffen die abendliche Mahlzeit aus frisch gefangenem Fisch. Trotz aller Unkenrufe und trotz der sichtbaren Verschmutzung ist der Bosporus nach wie vor äußerst fischreich. Gerade in den Wintermonaten, wenn das Schwarze Meer in weiten Teilen zu kalt wird, ziehen die Fische schwarmweise durch die Enge, und einige bleiben dabei an einer Angel hängen.
Ich habe heute keinen einzigen Angler ohne einen Fang gesehen, der zumindest eine vierköpfige Familie satt macht. Besonders beliebt ist natürlich Hamsi (Sardelle), der Schwarzmeerfisch schlechthin, aber es werden auch größere Makrelen von bis zu 30 Zentimetern gefangen und – seltsam, aber wahr – Garnelen. Das Großartigste aber ist, dass unter den Anglern auf der Brücke und über den Fischen im Wasser noch eine Art Zwischenwelt existiert, eine eingezogene Etage des Genusses. Von hier aus kann man die Angelschnüre sehen und die daran hängenden Fische, wenn die Leine eingeholt wird. In dieser Etage befinden sich seit langer Zeit Fischbratereien, und ein “Balık Ekmek”, ein Fischbrötchen, geht eigentlich immer.
Allerdings scheint die Entwicklung, die Istanbul in den letzten Jahren erfasst hat, gerade unter der Galata-Brücke in eine eher unerfreuliche Richtung gegangen zu sein. Es gibt nur noch eine einzige Braterei, die an die unkonventionellen Zeiten erinnert, das “Cansın Café”. Alle anderen wurden nach und nach in mehr oder weniger schicke Restaurants umgewandelt, die zur Mittagszeit und vor allem in der touristenarmen Saison gähnend leer bleiben. Nicht mehr das Paradies für Street Food-Enthusiasten also. Dafür schmeckt das Balık Ekmek bei Cansın hervorragend. Es besteht aus aufgeschnittenem Weißbrot, dazwischen filettierte und gebratene Makrelenhälften, Zwiebeln, eingelegter Rotkohl und Karotten. Fertig. Die Balık Ekmek-Boote habe ich übrigens genauso wenig gesehen wie fliegende Balık Ekmek-Händler mit tragbaren Grills. Alles Schnee von gestern oder das übliche Bild im Winter? Ich weiß es noch nicht – wisst Ihr da mehr? Ich könnte jedenfalls jeden Tag über die Galata-Brücke schlendern und einfach nur schauen…
Hallo Herr Matze,
also im August 2009 haben wir bei den Fischgrillerbooten köstliche Fischbrote gegessen. Da waren drei, vier Boote neben der Brücke und es herrschte “reger Konsum”.
Haben Sie schonmal die gefüllten Muscheln von einem Straßenhändler probiert? Sieht wild aus – ist aber lecker!
Viele Grüße
Hallo Felix
ja, gestern waren auch drei Boote da, und zur Feierabend-Zeit herrschte ein riesiges Gewimmel. Davor waren ein paar Stände, wo es einen “Turşu-Drink” gibt, anders kann man das gar nicht sagen. Sauer eingelegtes Gemüse mit Sud in einem Plastikbecher zum Trinken. Leider hatte ich gerade etwas gegesseb, aber es scheint hervorragend zum Fischbrot zu passen. Wird wohl mal wieder Zeit für ein Edit… Und ja, die gefüllten Muscheln! Fliegende Straßenhändler sind im Moment nicht so häufig wie im Sommer, aber einer steht zum Beispiel immer am Ausgang der Brückenunterführung. Da kommt auch noch etwas.
Viele Grüße, Matze