Wenn es ein Genussmittel gibt, auf das in unserer westlichen Welt fast alle anspringen, dann ist das Schokolade. Vom Kleinkind bis zur Oma, von Rügen bis Lörrach, vom Tellerwäscher bis zum Millionär. Pro Kopf essen die Deutschen jedes Jahr fast zehn Kilo der süßen Leckerei – und sind dabei in Europa trotzdem nur auf Platz 5. Die Franzosen verspeisen übrigens nur halb so viel Schokolade wie wir, beherbergen dafür aber eine ganz ordentliche Anzahl kleiner und feiner Hersteller. Ich habe fünf hochwertige Milchschokoladen getestet – und die teuerste war gleichzeitig die schlechteste.
Wenn man hier in Paris einen Schokoladen-Quertest veranstalten will, kann man selbstverständlich die ganzen Chocolatiers ablaufen und bei jedem eine Tafel erstehen. Wie viele es davon gibt? Keine Ahnung, aber 100 dürften es schon sein, einschließlich der Stars aus der Provinz, die in Paris eine Niederlassung besitzen. Eine solche Aufgabe wäre aber ein wenig über meine Kräfte gegangen, weshalb ich ganz einfach in die Galeries Lafayette gegangen bin, um aus dem dortigen Sortiment fünf Repräsentanten auszuwählen.
Bevor ich zum Ergebnis komme, möchte ich meine Protagonisten kurz vorstellen. Ich habe sie von “milchig” bis “bitter” gemäß ihrem Kakaogehalt geordnet und in derselben Reihenfolge getestet:
- Voisin – Chocolat au Lait – 32% Kakao. Ein Chocolatier aus Lyon, nicht nur die milchigste, sondern mit 2,55 € auch die günstigste Schokolade im Test (jaja, bei solchen Schokoladen seid Ihr hier gelandet!). Zutaten: Kakao, Kakaobutter, Zucker, Milch, Soja-Lecithin.
- Ritz Escoffier – Grand Cru Jivara – 40% Kakao. Das erste ist ein legendäres Hotel, das zweite ein legendärer Koch der vorletzten Jahrhundertwende, und zusammen sind sie eine private Kochschule. Wer diese Schokolade in Wirklichkeit herstellt, weiß ich nicht. Für 7,60 € pro Tafel wüsste ich es allerdings schon gern. Zutaten: Kakaobutter, Vollmilchpulver, Zucker, Kakaobohnen, brauner Zucker, natürlicher Vanilleextrakt, Soja-Lecithin, Gerstenmalzextrakt.
- Jean-Paul Hévin – Chocolat au Lait – 40% Kakao. Hévin ist ein bekannter Pariser Chocolatier, mittlerweile gut 50 Jahre alt und Chef eines kleinen Imperiums. Drei Boutiquen in Paris, ein eigener Stand in den Galeries Lafayette, aber auch sechs Geschäfte in Japan, drei in Hongkong, eins in Shanghai. Da spielt die Musik. 4,40 € die Tafel, allerdings nur 75 Gramm schwer. Zutaten: Kakao, Zucker, Kakaobutter, Milchpulver, Soja-Lecithin.
- Michel Cluizel – Grand Lait 45% – 45% Kakao. Michel Cluizel ist ebenfalls ein Pariser Chocolatier, dessen Produkte auch in Deutschland zu haben sind. Seine kleine Fabrik steht in der Normandie, wo er immerhin 240 Angestellte beschäftigt. Obwohl er ein paar Filialen besitzt (u.a. in Riad/Saudi-Arabien), lässt er seine Produkte lieber per Zwischenhandel an den Kunden bringen. 3,30 € hat diese Tafel gekostet, allerdings wieder nur 70 g. Zutaten: Rohrzucker, Kakaobutter, Vollmilchpulver, Kakao, Bourbon-Vanilleschote.
- Chocolat Bonnat – Chocolat au Lait Biologique – 55% Kakao. Bonnat stammt aus Voiron in der Nähe von Grenoble. Ähnlich wie Michel Cluizel vertreibt Stéphane Bonnat seine Schokoladen lieber über den Handel, statt eigene Boutiquen zu eröffnen. In deutschen Geschäften relativ gut vertreten, hat diese Tafel (diesmal wieder 100 g) 4,65 € gekostet. Zutaten: Kakao, Kakaobutter, Zucker, Milchpulver.
So, liebe Leute, das wolltet Ihr natürlich alles gar nicht wissen. Ihr interessiert Euch einzig und allein dafür, ob ich eines dieser teuren Schätzchen wegen Ungenießbarkeit wieder ausspucken musste. Natürlich nicht. Aber das Ergebnis hat mich doch überrascht. Hier also meine Hitliste:
Schmelzende Konsistenz, mildwürzige Note mit Karamell-Anklang, außerordentlich ausgewogen und durch den herzhaften Kakao-Anteil auch alles andere als langweilig. Sehr gut.
Deutliche Rosine am Anfang, dann eine starke Bitternote vom Kakao, dazu etwas Pflaumenkompott. Eine Schokolade abseits der anderen: intensiv, robust, stark. Viel Charakter, gefällt mir.
Platz 2 (gemeinsam): Jean-Paul Hévin
Völlig anders als die Bonnat, extrem fein und zartschmelzend. Die Karamellnote ist auch präsent, aber ganz dezent, elegant, fast federleicht. Die Schokolade für das netteste Häsle der Familie.
Deutlich schlechter als die Schokoladen davor. Sehr milchig, was kein Wunder ist, aber auch zu süß, was nicht sein muss. Leider schmeckt man, dass die Zutaten hier nicht toptop waren.
Frech. Die Namensrechte haben hier sicher allein 5 € gekostet, weshalb nicht mehr so viel für das Produkt übrig blieb. Etwas kondensig, dann ziemlich neutral und schwach im Aroma.
Und die Moral von der Geschicht’? So allgemein lässt sich das nicht fassen. Die teuerste und die billigste Schokolade befinden sich jedenfalls auf den beiden letzten Plätzen. Davor liegen zwei, die derartig unterschiedlich sind, dass die persönliche Präferenz hier viel wichtiger ist als irgendeine Punktzahl. Und ganz vorn steht die Schokolade, die man als den optimalen Kompromiss bezeichnen könnte: kräftig, elegant und individuell gleichzeitig.
Geht es Euch eigentlich auch so, dass Ihr von den bitteren Schokoladen wieder ein bisschen mehr in die milchige Richtung zurückgekehrt seid? Oder habt Ihr die nie verlassen? Was könnte denn die beste deutsche Schokolade sein?
Hallo,
interessante Verkostung. Ich mag inzwischen beides gerne: Solo eine SChokolade mit geringerem Kakaoanteil (zwischen 35 und 50% ) und zum Kaffee eine kräftigere Schoki (Bovetti und Cluizel, aber auch die Marke “Hamann Schokolade Berlin”/gerne bis 90%). Zum Backen und Naschen nehme ich meist eine 66% von Valrhona (wenn man die im Kilobeutel kauft geht auch der Preis). In Berlin kaufe ich meine Schokolade in der Regel beim “Süßen Leben” nähe Rathaus Schöneberg. Für mich der tollste Schokoladeladen der Stadt.
Danke für den Tipp! Gelesen habe ich ja, dass Holger in’t Veld sehr gute Schokoladen machen und verkaufen soll. Ich weiß aber gar nicht, ob es ihn (den Laden) noch gibt. Naja, nächste Woche bin ich auf jeden Fall in Berlin – allein und zum Arbeiten, da braucht man viel Schokolade 😉
Viele Grüße, Matze
Na Matze,
allein in Berlin… – wenn du flexibel und mobil bist, komm auf einen Abend nach Bernburg – sind dann noch 15 Priorat / Montsantmusterflaschen offen und wollen getestet werden. Mit dem Auto anderthalb Stunden, mit dem Zug etwas mehr – ich würd mich freuen.
Beste Grüße
Torsten
Na, das hört sich doch nicht schlecht an 😉 Ich muss aber zugeben, dass ich gelogen habe und einfach ein wenig Mitleid evozieren wollte. In Wirklichkeit warten schon sehr viele Leute in Berlin auf mich, um meine Freizeit in Anspruch zu nehmen. Meine Schwester natürlich, viele Freunde auch, ich habe ja bis vor einem knappen Jahr hier gelebt…
Aber das Angebot würde ich zur Frühlingszeit sehr gern annehmen. Können wir übrigens auch mit dem Besuch eines Harzer Weinguts verbinden 😉
Viele Grüße, Matze
Hi Matze,
das mit dem Mitleid heischen hat dan wohl geklappt…
Aber im Ernst, bist natürlich jederzeit gern gesehen, wenn ich im Lande bin. Und auch wenn die 2008er bis dahin ausgetrunken sind, irgendwas, was uns beiden Spaß macht, das findet sich immer. Und ein Abstecher in den Harz sollte auch fix gehen, wenn das Hochwasser erst mal wieder weg ist…
Beste Grüße
Torsten
Au wei, ja. Das Hochwasser werd ich mir morgen in Köln erst mal anschauen dürfen. Viele Grüße, Matze