Portishead – ein Name, der meiner Generation etwas bedeutet. Die gleichnamige Band und ihren stilbildenden Triphop der Mitt-Neunziger zu erklären, hieße das wiederzukäuen, was sämtliche Leser längst schon wissen. Portishead ist aber auch ein Ort, und zwar jener, aus dem Soundtüftler Geoff Barrow stammt. In einem Bericht zur Band im “Rolling Stone” 1995 heißt es: „Portishead are jokingly named after the dreary home-town from which Barrow escaped.“ Grund genug, einmal nach Portishead zu fahren und nachzuschauen, ob denn diese sowohl depressiv als auch kreativ machende Atmosphäre immer noch existiert.
Natürlich war der Ort Portishead nicht das Zentrum der Szene, dafür aber das nahe gelegene Bristol. Wer Portishead sagt, sagt auch Massive Attack, Tricky, Roni Size und DJ Krust, HipHop, TripHop, Drum&Bass, alles, was damals angesagt war, und alle Protagonisten stammten aus Portisheader Verhältnissen.
Auf der Landkarte sah Portishead schon damals nicht schlimm aus. Immerhin liegt es am Meer. Aber ein Seebad war Portishead noch nie, im Gegenteil. Hier wohnten viele der Werftarbeiter nahe bei ihren Arbeitsstätten in den Docks des Hafens von Bristol, zwischen den Wohnblöcken eine Ansammlung unmotiviert hingepurzelter Lagerhallen, zum Meer hin ein mit einem Eisengitter abgesperrter Betonsteg.
Als ich mich dem Hafenbecken voll solcher Altindustrie-Romantizismen nähere, traue ich meinen Augen kaum: eine schnieke Marina mit jeder Menge Kleinyachten. Die Lagerhallen sind alle weg, dafür entsteht ein Appartmenthaus nach dem anderen, Docklands II sozusagen. Alles wirkt ungeheuer sauber und aufgeräumt, wie in einem sommerlichen Feriendomizil.
Tagsüber ist die ganze neue Harbourside allerdings wie ausgestorben. Klar, wer hier wohnen will, muss fleißig arbeiten. Und wer fleißig arbeitet, kommt erst spät zu Hause. Und wer spät zu Hause ist, schafft es gerade noch, dass Essen nach dem „Ping“ aus der Mikrowelle zu holen, bevor er übermüdet ins Bett kippt. Vielleicht noch ein formelles Bussi für Schatzi. Wie auch immer: Portishead heute ist definitiv kein Ort, an dem ein neuer Sound entsteht.