Vulkane in Rheinhessen! Zu Besuch bei Wagner-Stempel

Daniel Wagner, Wagner-Stempel

Das ist Daniel Wagner vom Weingut Wagner-Stempel. Viele von euch werden Daniel kennen. Zum einen wegen seiner Großen Gewächse Höllberg und Heerkretz, die seit Jahren brillieren, zum anderen vielleicht auch durch seine Podcast-Serie. Daniel spricht nämlich regelmäßig mit Christoph Raffelt über, nun ja, Weine, aber eben nicht nur. Hier geht’s zur aktuellen Folge. Ich war bei Daniel zu Besuch, weil ich für den Falstaff eine kleine Reportage gemacht habe, in die natürlich wie immer viel zu wenig von dem passt, was ich alles gesehen habe. Die Rheinhessische Schweiz ist nämlich eine ziemlich interessante Ecke, die wenig mit dem sonstigen Rheinhessen zu tun hat. Es gibt Vulkane, es gibt Haifischzähne, Austern – und natürlich auch gute Weine.

Bei Wagner-Stempel in Siefersheim

Weingut Wagner-Stempel Siefersheim

Das Weingut Wagner-Stempel bewirtschaftet mittlerweile 20 ha biologisch zertifiziert, und weil Daniel und seine Frau Cathrin all das niemals allein schaffen würden, gibt es auf dem Hof noch andere Menschen, die ihren Teil zum Gelingen der Weine beitragen.

Siefersheim

Die Rheinhessische Schweiz besteht eigentlich nur aus wenigen Dörfern. Oder vielmehr aus der Landschaft zwischen den Dörfern. Oben seht ihr Siefersheim und dahinter schon einen der Hügel, welche die kleine Region prägen.

Drei zeitlich ziemlich weit auseinander liegende Ereignisse sind für die Bedingungen verantwortlich, unter denen hier Wein gedeiht. Das älteste Ereignis fand vor etwa 280 Millionen Jahren statt. Zu jener Zeit war es in der Gegend einigermaßen unwirtlich. Einerseits klimatisch heiß und wüstenhaft, andererseits von Vulkanismus geprägt. Ganz bis zur Oberfläche drangen die Vulkane nicht vor, aber ihr erkaltetes Gestein wurde später durch Erosion freigelegt und bildet heute die obersten Kuppen.

Die zweite prägende Periode war das Tertiär vor 30 Millionen Jahren. Damals war das jetzige Rheinhessen von einem flachen Meer überspült, nur die Vulkankegel schauten heraus. Als das Wasser wieder sank, blieben am einstigen Strand Sandkörner, aber auch Austernschalen-Bänke und sogar nicht wenige Haifischzähne übrig. Diese beiden Elemente, also Vulkane und Meer, prägen die Geologie der Höhen. Das alles kann man sich auch wunderbar erwandern, einmal über den so genannten Küstenweg und dann auch ganz oben mit der Hiwweltour. Daniel besitzt von den Kleinst-Expeditionen seiner Kindheit übrigens noch eine ganze Kiste mit Haifischzähnen.

Später im Quartär wurden die unteren Ebenen während der Eiszeiten noch mit angewehtem Löss aufgefüllt. Das sind heute die fruchtbarsten Böden, weinbaulich aber auch am wenigsten herausfordernd.

Weil ich anschließend die drei »Gesteins-Rieslinge« von Wagner-Stempel verkosten möchte (nämlich Rotliegend, Porphyr und Melaphyr), interessiert mich natürlich, woher sie stammen. Also schauen wir uns die Standorte an.

Wagner-Stempel-Tour I: Zum Rotliegend in Neu-Bamberg

Wagner-Stempel Neu-Bamberg

In der gesamten Siefersheimer Flur gibt es nur einen einzigen geteerten Weg. Was für Wanderer wunderbar ist, bringt mein tiefergelegtes Sportmobil bereits am Ortsausgangsschild zum Stillstand. Zum Glück besitzt Daniel ein für diese Zwecke geeignetes Fahrzeug. Auf dem rotlehmigen Weg geht es bis zum Turm in der Heerkretz, der die Siefersheimer von der Neu-Bamberger Gemarkung trennt. Als Bewohner des »echten« Bamberg fragt man sich natürlich, ob Neu-Bamberg oder das im benachbarten Alsenztal gelegene Altenbamberg irgendetwas mit einem zu tun haben. Aber nein. Der Name Altenbamberg kommt von der Altenbaumburg, einer Burg aus dem 12. Jahrhundert, heute Ruine. In Neu-Bamberg wurde 1253 eine neue Burg erbaut, die Neuenbaumburg.

Rhyolith

Der Neu-Bamberger Teil der Heerkretz besteht aus einem Steilhang, der sich von Süd eher auf Südwest dreht. Oben gibt es Vulkangestein, das ihr auf dem Foto seht. Früher nannte man dieses Gestein Porphyr, heute sollte man korrekterweise Rhyolith dazu sagen. An sich ist diese geschmolzene Mischung aus Quarz und Feldspat ziemlich hell. Weiter unten im Hang wird dann der Anteil von Sandstein, Lehm und Tonschiefer höher, also etwas weniger Fels, etwas mehr Tiefgang. Was aber alles eint, das ist der (vor allem farbliche) Einfluss des Eisens. Reagiert Eisen mit Sauerstoff, verfärbt es sich rot. Egal ob hier im Rotliegenden, dem aus derselben Periode stammenden Roten Hang bei Nierstein oder in Teilen des Roussillons, wo ich im Juni war,  fast immer sind Eisenverbindungen bei den roten Böden im Spiel.

Wagner-Stempel-Tour II: Zum Porphyr in der Heerkretz

Heerkretz Wagner-Stempel

Der Hauptteil der Heerkretz befindet sich auf Siefersheimer Territorium und zeigt relativ klar nach Süden. Weite Teile dieser alten Toplage waren zwischenzeitlich verbuscht und sind rekultiviert worden. Die Wagner’sche Streuobstwiese mit der Ziegenherde gehört auch mit dazu.

Wagner-Stempel Emt

Wer sich schon einmal gefragt haben sollte, woher der EMT von Wagner-Stempel stammt, jener rare Versteigerungs-Riesling, auf dem Foto seht ihr die Parzelle. EMT schreibt man eigentlich gar nicht in Großbuchstaben, weil die Familie, die früher den Weinberg bewirtschaftete, schlicht Emt heißt.

Zur letzten Bastion – Fürfelder Melaphyr

Fürfeld

Mit der Rheinhessischen Schweiz endet nicht nur Rheinhessen, sondern gewissermaßen auch der Weinbau. Im Nordwesten schließt sich die Nahe an, aber im Südwesten geht es auf die kühlen Höhen des Donnersbergkreises mit ihren Windrädern. Der letzte Weinbauort heißt Fürfeld, und der Fürfelder Eichelberg, wie man die Lage offiziell nennt, ist der kühlste Standort der Wagner-Stempel-Weine. Als ich oben am Weinberg stehe, pfeift der Wind schon ganz ordentlich. Porphyr, pardon, Rhyolith und rot gefärbten Oberboden gibt es hier zwar ebenso, aber auch eine Besonderheit, den dunken Melaphyr im Untergrund. Wer sich noch an das gern auf Dorfdurchgangsstraßen verlegte dunkle Kopfsteinpflaster erinnert, das waren oft sehr haltbare Basalte wie Melapyhr.

Die drei Gesteins-Rieslinge

Wagner-Stempel Gesteins-Rieslinge

Ich habe mir sagen lassen, dass es eine bestimmte Reihenfolge beim Probieren dieser drei Rieslinge gibt. Man beginnt mit dem vergleichsweise gefälligsten Wein, geht dann über zum tiefsten und endet beim kühlsten. Also erst Neu-Bamberg, dann Siefersheim, dann Fürfeld.

Alle drei stammen aus dem aktuellen Jahrgang 2023, besitzen 12,5 vol% und 7,4 g Säure. Unterschiede gibt es nur im Restzucker und im Ausbau. Und natürlich in der Lage, das ist ja das Entscheidende. Rotliegend und Porphyr besitzen je 4,4 g RZ, der Melaphyr nur 1,7 g. Rotliegend und Melaphyr wurden ausschließlich im Stahltank ausgebaut, beim Porphyr war noch eine Partie aus dem Stückfass dabei. Generell war Daniel mit den Rieslingen den Jahrgangs 2023 ziemlich zufrieden, denn anders als den früher reifenden Sorten hat dem spät gelesenen Riesling der Regen im Juli und August nicht so viel ausgemacht.

In der Nase so direkt nebeneinander zeigen die drei Weine erstaunlicherweise mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Der Rotliegend besitzt Anklänge nach Zimt und rotbackigem Apfel, der Porphyr lässt leicht zedrig den Holzanteil durchscheinen, und der Melaphyr bleibt efeuartig reserviert.

Vulkangestein Rheinhessen

Das Fazit

Nach dem Probieren ist mein Verdikt klar: Macht es nicht zu akademisch und esst unbedingt etwas zu den Weinen, das sind großartige Speisenbegleiter!

Der Neu-Bamberger wirkt am unmittelbarsten, hat kandierte Zitronenschale und Pink Grapefruit zu bieten, am meisten Frucht, vergleichsweise am meisten Reduktion auch. Das ist irgendwie der »rheinhessischste« Wein im besten Sinne.

Der Siefersheimer besitzt am meisten Dichte, lässt den Einfluss der GG-Lagen Heerkretz und Höllberg spüren. Ausgewogen und edel. Zur Thymian-Bratwurst der Metzgerei Kalb mit Tajine und Feigen vom hauseigenen Baum ein Gedicht.

Und schließlich der Fürfelder, vielleicht mein Liebling, ich hatte es befürchtet. Das ist der feingliedrigste Wein, der schon sehr stark in Richtung gefühlte Nahe geht. Was ich dazu esse? Kettle Sea Salt-Chips und einen Dip aus Sauerrahm, Dulse und etwas Poivre Fumé, beides von Roellinger. Das ist eigentlich total einfach und hat eher etwas von Tapas. Aber so gut!

Damit zum letzten Hinweis, einer aufrichtigen Werbung, allerdings völlig unbeauftragt und unbezahlt: Die drei Gesteins-Rieslinge gibt es im Online-Shop des Weinguts für jeweils 21 €, und ich persönlich finde, sie lohnen sich sehr. Was sich natürlich auch lohnt, ist der Besuch der Region selbst. Ich war vorher schon ein Freund der Weine von Daniel Wagner, aber ehrlich gesagt hat sich für mich erst beim Betrachten der Lagen offenbart, was die Rheinhessische Schweiz zu bieten hat.

Leider leider sind sie in weiten Teilen Rheinhessens weingastronomisch nicht so weit wie in Franken oder in der Pfalz. In Siefersheim gibt es immerhin eine Pizzeria – mit zugegeben sehr empfehlenswerter Fileja-Pasta. Aber trotzdem. Ein bisschen mehr touristischer Regionalstolz würde der Region sicher ganz gut tun…

Fahrt also hin, wandert, wundert und probiert. Und wer sich ausgesprochen wohl fühlt, darf auch gern irgendwo einheiraten und eine Wirtschaft aufmachen. Wir alle werden es danken.

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