Meine erste Begegnung mit diesem Wein hatte ich vor ein paar Jahren bei der RAW Wine in Berlin. Da waren mir zunächst die Flaschen mit der eleganten, wertigen Ausstattung neben den vielen wilden und bunten Pop-Etiketten aufgefallen. Auch die Herkunft der Weine und die Geschichte hinter dem Projekt sind erstaunlich, weshalb ich euch hier den nominell kleinsten der (glaube ich) fünf Weine ausgesucht habe. Livia heißt er und ist ein trockener Muskat von der griechischen Insel Samos.
Wein von der Insel Samos – Sous le Végétal Livia
»Sous le Végétal« heißt das Projekt, was sich ehrlich gesagt nicht besonders griechisch anhört. Kein Zufall natürlich. Alles begann damit, dass Thomas Ligas, der vorher in Frankreich Önologie studiert hatte, Mitte der 1980er Jahre im Norden Griechenlands ein kleines Weingut aufzubauen begann. Er arbeitete so wenig interventionistisch wie möglich, sozusagen in einer Verbindung von uralter Tradition und dernier cri. Seine Kinder Melanie (die heute die Domaine Ligas führt) und Jason fanden das offenbar anziehend genug, um letztlich genau das Gleiche zu machen. Jason Ligas lernte ebenfalls in Frankreich und arbeitete bei so bekannten Weingütern wie Selosse in der Champagne und Gardiès im Roussillon.
Als umtriebiger Mensch setzte Jason danach eine Reihe von Projekten auf die Spur. Immer ging es darum, das Potenzial griechischer Weine herauszukitzeln und sie auf dem internationalen Natural Wine-Markt zu platzieren. Auf »Sous le Végétal« kam er, als er zusammen mit seinem Geschäftspartner Vassili Alexiou die Insel Samos besuchte. Dort trafen sie auf eine junge, engagierte Önologin, probierten einen Wein von 1958 und sahen zwei Autostunden in den Bergen uralte, abgelegene Weinberge. Fantastisch. Jason und Vassili beschlossen, den bekannten französischen Naturwein-Winzer Patrick Bouju aus der Auvergne mit ins Boot zu holen, und fertig war die griechisch-französische Ko-Produktion.
Der Livia stammt von alten Muskat-Reben, also Muscat blanc à petit grains. Der Boden ist wahrhaftig steinig, hat in der Regel eine vulkanische Vergangenheit besteht im Fall des Livia hauptsächlich aus Quarzit und metamorphem Schiefer. Spontangärung ist selbstverständlich, später auch keine Schönung, keine Filtration, keine Zugabe von SO2. Ausgebaut wird er in Stockinger-Fuder, Betonei und Stahltank, also einer bunten Mischung.
Wie schmeckt der Wein?
Vielleicht sollte ich erst noch ein bisschen zur Ausstattung, zum Erlebnis drumherum sagen, denn das ist wahrhaft eines edlen Weins würdig. Wachskappe (die sich aber gut entfernen lässt) und Naturkork verschließen eine durchaus gewichtige Flasche in burgundischer Form. Gemeinsam mit der Story der einsamen Weinberge in wilder mediterraner Landschaft erzeugt das zumindest bei mir eine Erwartungshaltung, bei der man durchaus bereit ist, ein paar Euro mehr auf den Tisch zu legen.
Ins Glas fließt dann ein eher hellgelbes Getränk. Alles mutet von Anfang an sehr zart, sehr fein, sehr elegant an. Das ist definitiv kein sonnengegerbter Geselle. 12,5 vol% besitzt er auch nur, was sich perfekt in das Bild einfügt. In der Nase eher floral ausgerichtet, kommt im Mund eine Kombination aus birnigen Noten, ein bisschen Holzeinfluss und einer feinen Säureader. Seidig, leicht, eigentlich eine für meinen Geschmack traumhafte Version eines mediterranen Weißen aus steiniger Höhe. Immerhin reichen die Weinberge bis 800 Meter über dem Meer hinauf, selbst wenn die Sonneneinstrahlung immer noch intensiv sein dürfte.
That having said, hat zumindest meine Flasche einen Grad an Flüchtigkeit, der für Anhänger:innen filigraner Weine ein bisschen schwierig wirken kann. Wer einen kernigen Natural erwartet, dürfte hingegen weniger irritiert sein. Inwiefern das mit den sicherlich herausfordernden Bedingungen der Weinbereitung zusammenhängt, vermag ich nicht zu sagen. Ich weiß auch nicht, ob das häufiger vorkommt. Solltet ihr in Erwägung ziehen, Livia zu erwerben, könnt ihr ja beim Weinhandel einmal nachfragen. Ansonsten ist der Wein nämlich wie gesagt ein wunderbares Erlebnis.
Wo kann man ihn kaufen?
Da bin ich also bei der Frage, wo man den Livia von »Sous le Végétal« kaufen kann. Ich selbst habe ihn hier erstanden, im Bottles in Paris. Ein sehr sympathischer Ort übrigens, der nicht nur interessante Weine anbietet, sondern auch Tapas, die sehr appetitlich aussahen. Leider musste ich weiter und habe deshalb nur 22 € für den Wein dort gelassen.
In Deutschland gibt es die Samos-Weine von Jason Ligas und Patrick Bouju bei Sips und Drops und Morenaturalwine, also der »Berliner Blase«, sowie gelegentlich bei der Vinoteca Maxima.
In jedem Fall hoffe ich, dass es bald noch mehr Weine auf diesem Qualitätslevel aus dieser so hochtraditionellen Region bei uns gibt. Samos ist ja nicht aus Versehen seit, tja, Jahrtausenden für Wein berühmt – allerdings eher für die starken, süßen Versionen. Jason und seine Mitstreiter zeigen mit dem Livia ziemlich eindrücklich, was hier sonst noch möglich ist.
…ich kenne von dem Gut bis dato den Palli & Genesià, den ich in jüngeren Jahren mal als Muskateller-GG bezeichnet habe. Die zweite Flasche hatte aber zwei Jahre später einen deutlichen Ethylacetat-Anfall, die Gefahr schwingt bei den Naturingern halt immer mit (das Thema hatten wir ja schon mal…).
Hab ich übrigens direkt in Frankreich bestellt, das ist nach meiner Erfahrung meist insgesamt nicht teurer, als wenn ich in D auf die Suche gehe, die Versandkosten sind meist höher, aber oft hat man die Differenz mit dem in der Regel geringeren Flaschenpreis mit bereits wenigen Flaschen kompensiert. Hat bis jetzt immer problemlos geklappt…
Ich hatte bei der RAW alle probiert, die mit dabei waren. Am besten hatte mir der Hüpnos gefallen, der aber auch die Spitze darstellte (und völlig sauber war, das nur nebenbei 😉 ). Den habe ich später gekauft und in den Keller gelegt. Als ich jetzt in Paris in dem Laden war, ist mir spontan das Etikett ins Auge gesprungen. Ich glaube, ich muss mir eh mal ein paar südosteuropäische Weiße zulegen. Gerade in Griechenland und in Kroatien selbst habe ich da schon ein paar sehr feine Exemplare getrunken…
…Kroatien? Vorne mit T, hinten mit c? 😀
Wenn’s hinten nicht mit c ist, kommt’s auch nicht aus Kroatien 😉 . Nein, Quatsch, aber es war in der Tat völlig unbekanntes Zeug.
Hallo Matthias!
Griechenland? Im Mai präsentiere ich dem Bonner Zirkel eine Griechenlandprobe 😉
Feine Assyrtiko und Xynomavro….
Ich habe jetzt auch schon mehrfach die griechische Werbung für die ProWein eingespielt bekommen. Klang nicht uninteressant. Vielleicht findest du ja noch Anregungen, falls das Line-up für den Mai noch nicht steht…