[In Kooperation mit dem Weingut Zähringer] Wenn man den Verkostungsraum des Weinguts Zähringer betritt, sieht man es noch nicht. Erst beim Verkosten selbst, beim Blick zurück zur Theke, erscheint es vor einem Vorhang: das hellblaue Stahlross. Natürlich will ich gleich wissen, worum es sich handelt. Fabian Zähringer, seit einigen Jahren Inhaber des Weinguts und selbst früher begeisterter Rennradler, klärt auf. »Das habe ich einem Freund abgekauft. Das ist die Straßenversion des Rads, mit dem Eddy Merckx 1972 in Mexico City den Stunden-Weltrekord aufgestellt hat.« Oh, denke ich mir, wenn es so geschmackvoll weitergeht, könnte das ein sehr angenehmer Besuch werden. Schauen wir also, wo die Zähringers herkommen und wo sie hingehen hier im Südwesten an der Grenze zwischen Breisgau und Markgräflerland.
Das Weingut Zähringer im Markgräflerland
Dass es die Zähringers als Familienweingut schon eine Weile gibt, merkt man nicht nur beim Besuch der Räumlichkeiten, es steht auch explizit auf dem Etikett. Seit 1844. Zudem heißt es offiziell immer noch »Wilhelm Zähringer« und nicht nach Fabian oder Wolfgang, Fabians Vater. Auch im Keller habe ich den Eindruck, an einer sehr lebendigen, sich stets wandelnden Familiengeschichte teilzuhaben. Es gibt viel Platz und riesige Betontanks, die noch aus Großvaters Handelszeiten stammen. Vater Wolfgang hatte dann in den 1980er Jahren mit dem Großvolumigen gebrochen und radikal auf Bio umgestellt. Im Weinberg wurde auf Biodiversität gesetzt, im Keller hielt Holz als Ausbaumaterial wieder Einzug. Heute sind selbst die über 100 Jahre alten Holzfässer des Urgroßvaters in Gebrauch – in ihnen reift der Basis-Pinot.
18 ha eigene Weinberge bewirtschaften die Zähringers, nicht nur biologisch, sondern gar biodynamisch zertifiziert. Das Weingut ist sowohl bei Ecovin als auch bei Demeter Mitglied. Dasselbe gilt für die 45 ha einer Erzeugergemeinschaft, die ebenfalls hier verarbeitet werden. Bei jenen handelt es sich übrigens nicht um Traubenzulieferer, sondern um langfristige Partner. Denn Winzer wie Philipp Rieger, Max Greiner oder Scherer&Zimmer haben auch mit ihren eigenen Weinen schon für einige Furore gesorgt. Auf diese Weise gibt es selbst den Liter Gutedel für 6,90 € nur in tiptopper Biodyn-Qualität. Wie sieht es jetzt aber in der Praxis draußen im Weinberg aus? Davon zu erfahren und es selbst zu sehen, ist ja eigentlich immer das Highlight eines richtigen Weingutsbesuchs.
Philosophie im Weinberg
Das Herzstück der Zähringer-Weinberge ist die Heitersheimer Sonnhohle südlich des Ortes. Mit 10 ha Fläche handelt es sich um eine für badische Verhältnisse fast winzig zu nennende Einzellage. Während der Maltesergarten rings herum 137 ha aufweist, kann man bei der Sonnhohle tatsächlich von einem sehr einheitlichen Gebilde sprechen mit Südwest-Ausrichtung, leichtem Gefälle und Lösslehm im Untergrund. 6 ha gehören den Zähringers hier am Stück, die meisten Reben stammen noch aus den 1970er Jahren. »Hier haben wir 1987 angefangen mit Bio-Anbau«, sagt Fabian. »Oben befindet sich hauptsächlich Weißburgunder, weiter unten Spätburgunder. Wir haben auch überall kleine Inseln eingebaut, wo Obstbäume stehen und Trockenmauern. Einfach um die Biodiversität zu pflegen und Weinbau als Monokultur etwas zu brechen.«
Als wir unter dem Nussbaum in einer dieser Biodiversitätsinseln sitzen, kommt Simon Höre vorbei, der gerade schaut, ob es unten am Hangfuß einen kleinen Peronospora-Befall gegeben hat. Simon, bislang für den Keller zuständig, wird als Betriebsleiter der Nachfolger des wahrhaft legendären Paulin Köpfer. Paulin geht nächsten Februar in seinen wohlverdienten Ruhestand, ein Bio-Pionier und Immer-weiter-Denker, ohne den vieles nicht nur auf dem Weingut, sondern auch im deutschen Bio-Weinbau gar nicht möglich gewesen wäre. Ein schweres Erbe für Simon, könnte man denken. Aber eigentlich ist es das Gegenteil, weil es einfach mehr Spaß macht, gute Dinge mit eigenen Ideen zu ergänzen, als mit Ärger gegen den Widerstand einer schlechten Bewirtschaftung kämpfen zu müssen.
Das dachte sich wohl auch Katrin Lang, die (noch bis September) amtierende Deutsche Weinkönigin. Vor der Wahl hatte sie schon bei den Zähringers gearbeitet. Nach ihrer Amtszeit wird sie jetzt mit all ihren vielfältigen Erfahrungen wieder zurückkommen, um im Keller Verantwortung zu übernehmen. Ein echtes Dream-Team also und auch eine kleine Zeitenwende in good old Heitersheim.
Am Rand des Schwarzwalds
»Traditionell«, erläutert Fabian, »gab es im Markgräflerland gar keine krasse Monokultur. Weinbau wurde nämlich nur auf den nach Süden ausgerichteten Hängen wie der Sonnhohle betrieben. Der Rest war Obstbau, Felder, Mischkultur.« So nah an einem echten Mittelgebirge wie dem Schwarzwald brauchte man früher um Regen nicht zu betteln. Über 800 mm Niederschlag fielen hier im Jahresgang mit Spitzen in den Sommermonaten. Herausforderungen durch Pilzkrankheiten blieben da nicht aus.
»Interessanterweise stellen wir fest, dass der Wind in den letzten Jahren immer stärker aus Norden kommt und weniger aus Süden wie früher«, sagt Fabian. Dadurch würden die Südhänge zwar weiter besser besonnt, die Nordhänge trocknen aber besser ab. »Wir haben aber jetzt nicht vor, wegen des Klimawandels umzuziehen. Wir müssen bloß besser schauen, was wir an welchen Standorten anbauen, wie wir die Weinberge oder die ganze Landwirtschaft resilienter machen.«
Piwis gehören natürlich auch dazu. »Die haben wir schon seit den frühen 1990er Jahren angepflanzt, das ist ein ganz elementarer Teil für uns.« Und wie sieht er da die weitere Entwicklung? »Sehr positiv. Das Thema dümpelte ja Jahrzehnte ein bisschen herum, aber seit zwei bis drei Jahren habe ich den Eindruck, dass es richtig Fahrt aufgenommen hat. Natürlich hängt das auch mit den Rebsorten der neuen Generation zusammen, die einfach wesentlich besser sind, sowohl geschmacklich als auch von den Resistenzen her.« Aber Fabian gibt auch zu bedenken, dass die klassischen Rebsorten von den Erfahrungswerten her einfach ein paar Jahrhunderte Vorsprung haben. Deshalb sei es eine echte Mammutaufgabe, den Weinbau der Zukunft zu gestalten. Einen Teil davon würden Piwis ausmachen, einen anderen die Klassiker der Region.
Zähringer-Tradition – die Vierlig-Weine
Kommen wir also zu den Weinen. Eine der alten Traditionen, die sein Vater in den 1990ern begann wiederaufleben zu lassen, war die Verwendung des Schwarzwälder Vierligfasses. Vierlig, weil es vier Ohm fasste, also 4 x 150 = 600 Liter. »Als ich jetzt neue Fässer bestellen wollte, war das gar nicht so einfach«, berichtet Fabian, »wir haben nämlich im Schwarzwald gar keinen Küfer mehr, der so etwas herstellt. Also haben wir die Schwarzwaldeiche zu Aßmann nach Franken geschickt.« Drei Vierlig-Weine gibt es derzeit im Shop, zwei davon habe ich probiert.
Grauburgunder und Chasselas, sprich Gutedel, sind definitiv das Gesicht des Markgräflerlands. In Verbindung mit der Schwarzwaldeiche haben wir hier also Tradition zum Quadrat. »Weil wir 2021 sechs neue Vierlig-Fässer bekommen haben, hat der Jahrgang einen etwas stärkeren Holzeinfluss als 2020. Aber das wird sich abschleifen«, meint Fabian. Tatsächlich spürt man das Holz ein wenig, überraschenderweise beim Grauburgunder frisch geöffnet stärker, beim Chasselas am zweiten Tag.
Beide Weine sind aromatisch komplett unterschiedlich, aber gleichermaßen reizvoll. Der Grauburgunder wirkt trotz lediglich 12,5 vol% dichter und kraftvoller, geprägt von Aromen nach Apfel, Orangenschale und Senfmehl. Das ist ein ausgezeichneter Speisenbegleiter, und genau dafür und nicht für den Solotrunk würde ich ihn auch verwenden.
Der Chasselas schwebt hingegen förmlich im Glas. Ein bisschen perlt noch die natürliche Kohlensäure, die Materie ist leicht und duftig. Ich schmecke Mandel in unterschiedlichen Reifestadien, Holunderblüte und einen mineralischen Touch. Auch das passt hervorragend beispielsweise zu Flussfisch, schmeckt allerdings auch solo auf der Terrasse sehr gut.
Für die Achtsamkeit und den Charakter der Weine sind das ausgesprochen preiswerte Vertreter: 15,90 € für den Grauburgunder und 12,90 € für den Chasselas – beide im Online-Shop zu haben.
Crémant, Orange, Pinot – für alle Gelegenheiten
Als zweite Stufe habe ich mir drei Weine ausgesucht, die schon allein von ihrer Farbe her die wunderbare Breite des Angebots repräsentieren.
Der Crémant Extra Brut (60% Pinot Noir, 40% Chardonnay, 3 g Dosage) ist mittlerweile der am meisten verkaufte Wein der Zähringers, und nachdem ich ihn jetzt probiert habe, kann ich das absolut verstehen. Da gibt es zunächst eine resche Säure von 7 g/l, die einen durchaus in Richtung Champagner lockt. Sehr feine Perlen kommen zu Vorschein, und aromatisch finde ich die Erdbeerduftigkeit des Pinots stärker präsent als den Chardonnay. Großartig, weil konsequent und gleichzeitig charmant. Vor ein paar Jahren hätte man noch nicht zu träumen gewagt, dass so etwas in Deutschland entstehen kann. 15,90 € ab Hof, da würde ich als Gastronom oder Hochzeitsausrichter kistenweise ordern.
Der Weißburgunder Orange ist dagegen von einem völlig anderen Kaliber. Ungemein dicht, schmelzig, komplex und ewig lang. Die Trauben stammen aus dem Gewann Güttigheimer Berg, nach der Maischegärung kam der Most für 15 Monate ins Barrique. Ungeschönt, unfiltriert, ungeschwefelt, also zero zero, aber überhaupt nicht wild, sondern schlicht hochgradig individuell und wertig. Ich finde die vielschichtige Umami-Note super interessant, und wahrscheinlich könnte man einen eigenen Kochwettbewerb veranstalten, um die besten Kombinationen herauszufinden. Von Tapas wie Oliven und Salzmandeln über Shanghai Cuisine bis zu gegrilltem Schweinebauch ist da wahnsinnig viel möglich. 29 € im Shop, und das ist er definitiv auch wert.
Zum Schluss gibt es noch den großen Pinot Noir aus der Sonnhohle (auch 29 €) und zwar aus dem warmen Jahrgang 2018. War der Vierlig-Chasselas luftig, der Crémant pikant und der Orange Wine intensiv, haben wir hier den eher kraftvollen Vertreter vor uns. Jedenfalls im Pinot Noir-Kontext, denn überreif ist hier mit 13,5 vol% auch nichts. Aber der Rote bietet durchaus Gerbstoffe, dazu Pflaume und Wacholder am Gaumen. Das passt für mich ideal zu herbstlichen Genüssen.
Kleines Fazit des Weinguts Zähringer
Obgleich der Artikel bereits eine stattliche Länge aufweist, habe ich längst nicht alles geschrieben, was ich bei Fabian Zähringer in Keller und Weinberg erlebt habe. Über die Zukunft des Weinbaus haben wir natürlich gesprochen, über Resistenzen, die durch übermäßigen Pestizideinsatz entstanden sind, darüber, dass ihr (sehr gut laufender) Winzersekt seit 20 Jahren schon aus Piwis gekeltert wird. Bei der Gelegenheit zeigte er mir seine neue Hackschnitzelanlage im Keller und erwähnte, dass sie schon 2010 als erstes Weingut in Deutschland ihren CO2-Fußabdruck haben messen lassen. All das wird weder auf einem großen Plakat beworben noch mit dem großen Zeigefinger angemahnt. Aber es zeigt einfach, dass man sich hier seit langem umfassende Gedanken macht.
Ich muss wieder an das alte Rennrad im Verkostungsraum denken. Irgendwie passt das nämlich ziemlich gut zur Weingutsphilosophie. Da gibt es viel Tradition, da zählt das Echte, das Unaufgebauschte, das mit dem langen Atem. Gleichzeitig bewegt sich immer wieder viel, werden Details verändert, Sachen auf den Prüfstand gestellt. Wenn es so etwas geben würde wie dynamische Zeitlosigkeit, hier wäre sie zu Hause. Und so verlasse ich das Weingut Zähringer mit deutlich mehr als nur einem Karton voller Weinflaschen…
Hallo Matthias,
Du schreibst am Ende Deines Artikels (nicht zum ersten Mal): “Obgleich der Artikel bereits eine stattliche Länge aufweist…”
Ich glaube, da machst Du Dir unnötig Sorgen. Deine Leser*innen kennen doch Deinen Stil und Deine Akribie. Optisch gepimpte Instagram-Häppchen ohne intellektuellen Anspruch findet mensch doch andernorts genug.
Für meinen Geschmack darfst Du, was die Besonderheiten des Bioanbaus angeht, hier gerne noch mehr ins Detail gehen. Vielleicht auch mal in einem Sonderartikel?
Biophile Grüße!
Das würde wahrscheinlich ein Sonder-Buch werden 😉 . Tatsächlich gibt es mittlerweile ja so viele Dinge, die relativ neu in den Kanon mit aufgenommen worden sind. Biodiversität, Bodenleben, Begrünung, Kompost, tausend Sachen. Nur bei den Spritzmitteln gibt’s vielleicht noch ein bisschen Forschungsbedarf. Aber auch da habe ich von aeroben Mikroorganismen gehört, die Kupfer entweder abbauen oder in den Humuskomplex einbinden können. Bleibt jedenfalls spannend, und tatsächlich sehe ich es so: Wenn wir schon etwas rein Hedonistisches herstellen wie Wein, dann sollten wir’s auch auf möglichst schonende Weise tun…
Hervorragender Bericht, leider bisschen zu kurz 😁 – ich bestell gleich mal ein paar Flaschen!
Das mögest du tun! Ich habe auch noch 20 Minuten Interviewmitschnitt mit Fabian auf Lager und 46 Fotos, könnte also problemlos noch ein paar Zeilen anhängen 🙂
Mach! 😁
LG Thomas