Der Natürliche Dienstag besitzt – wie ihr ja vermutlich mittlerweile wisst – eine innere Agenda, was die hier vorgestellten Weine betrifft. EU-Bio ist die absolut minimale Voraussetzung. Spontangärung und Unfiltriertheit sind ebenso meist dabei. Die Schwefelgabe sollte weit unter den zugelassenen Höchstwerten liegen, gern auch bei Zero. Auch wenn ich damit die auf dem Markt befindliche Weinwelt ganz schön stark einschränke, stelle ich immer wieder fest, wie breit das geschmackliche und philosophische Spektrum immer noch bleibt. In diesem Fall möchte ich einen Wein vorstellen, der sich geschmacklich eher auf der hedonistischen Seite befindet und philosophisch bei der Biodynamik. Österreich, Grüner Veltliner vom Löss, Gut Oberstockstall. Ein Klassiker.
Gut Oberstockstall Grüner Veltliner Maulbeerpark 2015
Das Gut Oberstockstall ist ein alter Hof am Rand des gleichnamigen Weindorfes, das mittlerweile administrativ zu Kirchberg am Wagram gehört. Wir befinden uns hier nördlich der Donau, und bis zum Wiener Stephansdom sind es zu Fuß auf dem kürzesten Weg exakt 53 km. Der Gutshof wurde von der Familie Salomon im Jahr 1869 erworben und wird heute von zwei Brüdern und ihren Ehefrauen geleitet. Elke und Matthias führen dabei das hoch gelobte Restaurant, Birgit und Fritz sind für Landwirtschaft, Weinbau und Gästezimmer zuständig. Seit 2002 wird hier biologisch, seit 2008 biodynamisch (zertifiziert Demeter) gewirtschaftet.
Vier Lagen gibt es um das Gut herum, die allesamt auf Lössboden stehen. Der Maulbeerpark (eigentlich ein Teil des Brunnbergs) kam zu seinem Namen, als nach dem Ersten Weltkrieg hier eine Maulbeerbaumplantage angelegt wurde. Man wollte Seidenraupen züchten und Wagramer Seide produzieren, was ein paar Jahre lang auch gut funktionierte, sich dann aber als zu aufwändig entpuppte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde also wieder Grüner Veltliner gepflanzt. Der hatte schließlich schon vorher hier gestanden.
Wie schmeckt der Wein?
Der Grüne Veltliner Maulbeerpark kommt aus dem Jahrgang 2015. Das war in Österreich ebenso wie in Deutschland ein eher warmes Jahr, und der Maulbeerpark ist ohnehin eine wärmere Lage. In kleinen Kisten händisch gelesen, wurden die Trauben zunächst gepresst und der Saft dann spontan vergoren. Die Besonderheit beim Maulbeerpark ist sein langes Hefelager. 18 Monate lang lag der Wein auf der Feinhefe, bevor er leicht filtriert abgefüllt wurde. An diesen Angaben könnt ihr schon erkennen, dass das hier keine wilde Hipster-Brause ist, sondern ein richtig schön gediegener, laaangsamer Wein.
Deep lemon, sagt der Farbprofi, ganz schön dunkles Gelb. In der Nase gibt es selbstverständlich keine Primärfrucht, sondern eher etwas pflanzlich-Mürbes, Quitte, Apfelschale, vor allem aber einen echten Autolyseton. Der entsteht, wenn sich die toten Hefezellen allmählich selbst auflösen und geschmacklich diese ganz typische dunkle Hefigkeit mit in den Wein geben. Am häufigsten gibt es das bei Champagner mit seinem richtig langen Hefelager, manchmal aber auch bei Stillweinen. Im Fall des Oberstockstall’schen Veltliners bringt das eine zusätzliche Komponente mit hinein, die mir wirklich gefällt.
4,4 g Säure hat der Wein analytisch nur, und das spürt man dann auch am Gaumen. Es gibt eine außerordentliche Dichte, viel Reife, aber keine Überreife. Marille, Quitte und Bratapfel sind die Fruchtnoten, hinten kommt noch ein würziges Feuer dazu, das mehr ist als ein resches Pfefferl. Solo ist mir der Wein zu dicht, für Wiener Schnitzel auch ein bisschen zu üppig. Aber vorderorientalische Gerichte jubeln, wenn der Maulbeerpark sie begleitet. Ob Couscous, libanesische oder persische Küche, vielleicht sogar ein bisschen in Richtung Nordindien, das funktioniert hervorragend. Das ist übrigens auch die Umgebung, in der der Schwarze Maulbeerbaum am besten gedeiht. Ein Zufall?
Wo habe ich ihn gekauft?
Gekauft habe ich den Maulbeerpark vom Gut Oberstockstall in Österreich, aber weit entfernt von der Donau. Hier im Städtchen Kufstein war es, das ihr wohl kennt. Ich war dort eigentlich beim Werksverkauf der Glasfirma Riedel. Nicht weit davon entfernt gibt es aber mit dem örtlichen Wein & Co auch einen gut sortierten Weinhandel. Die Mischung, die ich mir da in den Korb gelegt hatte, ließ die Mitarbeiterin spontan zu der Aussage hinreißen, dass ich ja einen wahrhaft interessanten Weingeschmack habe. Was sie nicht direkt sagte: Kraut und Rüben waren es. Aber was tut man nicht alles für die Weiterbildung?
Ich bin mir nicht sicher, ob es den Maulbeerpark von Oberstockstall aus diesem Jahrgang auch in Deutschland zu kaufen gibt. Meine Google-Recherche hat nämlich lediglich den Wein & Co-Treffer ausgespuckt. Für 17,95 € hauen sie das Demeter-Schätzchen da im Sale raus. Sollte die Palette nicht versehentlich den Sommer im Innenhof verbracht haben, ist das eine schöne Gelegenheit, einen bereits fein gereiften Speisenbegleiter zu erwerben. Nach dem Exemplar von Johannes Zillinger ist das hier übrigens bereits der zweite Veltliner beim Natürlichen Dienstag. Fehlt zwecks Bandbreite nur noch ein richtig abgefahrenes Exemplar. Aber das soll es ja auch geben, habe ich mir sagen lassen…
„Man wollte Seidenraupen züchten, was … sich dann aber als zu aufwändig entPUPPTE“. Dein Sprachgefühl ist wunderbar, lieber Matthias! 🙂👌
Merci! Aber ich glaube fast, das sind eher die Synapsen 😉