Es gibt ja diese ziemlich ausgeleierte Redensart “Essen wie Gott in Frankreich”. Gemeint sind dabei vermutlich aber nicht unsere modernen Götter, die sich bekanntlich eher von Luft und Liebe ernähren (interessanterweise haben sie ja sowohl Luft als auch Liebe selbst erfunden). Hier sitzen also keine Götter an der Tafel. Dafür aber Menschen, die im Restaurant kein Convenience-Zeug essen, aber trotzdem nicht gleich in den dreistelligen Euro-Bereich für ein Mittagsmenü zu zweit geraten wollen. Kommt also mit in die Restaurants der nördlichen Provence und schaut, was mir hier so gefallen hat. Die Adressen und Öffnungszeiten folgen unten im Text.
Vier Restaurants möchte ich Euch vorstellen, geordnet von der eher schlicht gehaltenen “Kantine” bis zu einem Ort, der den Gerüchten nach an einem Michelin-Stern kratzt.
1. Chez Gégène, Travaillan
Das Dorf heißt tatsächlich Travaillan. Travaillan wie travailler, arbeiten. Das passt total. Und Gégène ist ein echter Schatz, immer freundlich und fix. Sie hat ihre Männer voll im Griff. Touristen kommen nur vereinzelt an diesen Ort, dafür aber alle Klempner und Installateure, alle Arbeiter im Garten- und Weinbau, die gesamte Stadtverwaltung, Polizisten, Friseurinnen und Bankangestellte. Jeden Tag wird hier frisch gekocht, nur sonntags ist geschlossen. Weil es immer voll wird, selbst an einem Montag, empfiehlt es sich, entweder schon um zwölf zu kommen, oder aber dann, wenn der erste Schwung schon gegessen hat.
Auf der Mittagskarte (es ist ohnehin nur mittags geöffnet) steht genau ein Menü für 14 €, das natürlich alle nehmen. Zu Anfang gibt es meist noch zwei Hauptgerichte, ab Halbzeit ist das beliebtere davon oft aufgegessen. Einen halben Liter Wein pro Tisch gibt es kostenlos dazu, eigentlich nehmen alle Rosé. Gekocht wird hier nicht raffiniert und völlig ohne Chichi, dafür aber immer herzhaft und authentisch. Ein Beispiel dafür ist das provençalische Gulasch oben auf dem Foto. Lange geschmortes Fleisch, schwarze Oliven, Tomaten, Gewürze, Reis – so soll das sein. Ich gehe in dieses Restaurant (und zwar schon seit sechs Jahren), weil es eine Mittagsatmosphäre hat, wie ich sie mir früher im Kollegenkreis auch immer gewünscht hätte. Weit weg von den Pappbrötchen vom Großbäcker.
2. Café du Cours, Rochegude
Wie Gégène ist auch das Café du Cours in Rochegude ein Bistrot de Pays. Ich hatte das sehr interessante Konzept auf dem Blog schon einmal vorgestellt. Und zwar mit dem Café du Cours als Beispiel – im Jahr 2011! Soll heißen, ich verkehre auch hier bereits seit einigen Jahren. Was das Café du Cours von den anderen Restaurants unterscheidet, das ist seine Philosophie als Veranstaltungsort. Oben an der Decke hängt die Discokugel neben den farbigen Scheinwerfern, im Nebenraum stehen ein Mischpult und ein schwarzer E-Bass bereit. Offenbar sitzt einer der Musiker schon an der Bar. Das Publikum ist auch ein wenig anders als in Travaillan. Zwar zieht Rochegude im Sommer auf der Terrasse viele Touristen an. Holländer in Fahrradklamotten zum Beispiel. Die Einheimischen hingegen sind hier eher in Jeans und Rock-T-Shirts unterwegs. Ein bisschen künstlerischer geht es zu als in Travaillan.
Beim Essen ist das allzu Künstlerische allerdings schnell verschwunden. Denn auch in Rochegude gibt es sehr anständige provençalische Hausmannskost – wenngleich vielleicht ein bisschen raffinierter als bei Gégène. Für 14 € gibt es ebenfalls drei Gänge zu Mittag, aber den Wein muss man zusätzlich zahlen. Was mir diesmal besonders gefallen hat: Als Hauptgericht gab es “Sot-l’y-laisse”, auf Deutsch Pfaffenschnittchen (wobei ich diesen Ausdruck vorher noch nie gehört hatte). Wer ab und an ganze Hähnchen brät oder kocht, weiß, wie köstlich diese Stücke aus dem Rückenbereich sind. Ich gehe in dieses Restaurant, weil es eine andere Art der Dorfkultur zeigt, ohne dass man krampfhaft versucht, möglichst angesagt und urban zu sein.
3. Le Tourne au Verre, Cairanne
Voilà – mein Lieblingsrestaurant. Auch wenn ich die anderen Restaurants in diesem Artikel sehr mag (sonst würde ich sie nicht empfehlen), ist das Tourne au Verre in Cairanne wahrscheinlich der Ort, an dem ich mich selbst am besten aufgehoben fühle. Ähnlich wie in Rochegude kann man hier gleich gut außen wie innen sitzen. Unähnlich sind sich die beiden Restaurants jedoch in ihrer Ausstattung: Während Rochegude ein bisschen auf Eighties-Rock macht, gibt es hier Stuck, Accessoires vom Trödelmarkt – und ausgesprochen geschmackvolles Geschirr. Letzten Freitag saß am Tisch neben uns wieder der legendäre (Bio-)Winzer Marcel Richaud und probierte zusammen mit seinen Kindern einen Wein blind, den ihnen der Wirt brachte. Es war der “Buisson Renard” von Louis-Benjamin Dagueneau.
Obwohl das ein Wein ist, der im Handel etwa 80 € kostet, muss man im Tourne au Verre für das dreigängige Mittagsmenü lediglich 17,90 € zahlen. Und das ist wahrhaft gut angelegtes Geld. Es gibt immer drei Vorspeisen und drei Hauptgerichte, meistens Fleisch, Fisch und Vegetarisch. Die Vorspeise oben auf dem Foto hatte es mir besonders angetan: “Salade de langue de boeuf, pommes de terre, vinaigrette“, also gekochte Rinderzunge, die wirklich köstlich schmeckte. Dass wir hier in einem weinorientierten Lokal sind (man kann alle Weine der Karte auch zum Mitnehmen kaufen), zeigt sich allerspätestens an der Auswahl der offenen Weine. Aus den 15 verschiedenen Angeboten nehme ich die Vieilles Vignes von der Domaine Gauby (!) für 6,90 € das Glas (!). Ich gehe in dieses Restaurant, weil es Lässigkeit und Offenheit ausstrahlt im Angesicht großen Könnens und großer Weine. Wäre ich ein Winzer vor Ort, würde ich meine Importeure aus New York, Tokio und Berlin genau hierhin einladen.
4. Côteaux & Fourchettes, Cairanne
Der Ort Cairanne hat gerade einmal 1.000 Einwohner. Sollte es trotzdem etwa zwei richtig gute Restaurants geben? Aber ja! Und gleichzeitig nein, denn das Côteaux & Fourchettes befindet sich gar nicht in der Ortsmitte wie das Tourne au Verre, sondern in leicht grotesker Lage mitten in den Weinfeldern an einem stark befahrenen Kreisel. Von außen sieht es auch besonders unattraktiv aus, was aber daran liegen mag, dass man erst durch das Gebäude gehen muss, um zum kleinen Refugium auf der Rückseite zu gelangen. Als einziges besseres Restaurant der Gegend hat das Côteaux & Fourchettes montags geöffnet, was ohne Reservierung eine garantierte Abfuhr bedeutet. Hier geht es ein bisschen förmlicher zu. Der Sommelier eilt gleich an den Tisch, die Geschäftsleute tragen weiße Hemden, und die größere Runde entpuppt sich als Familien-Geburtstagsfeier.
Ganz klar: Lebendiger ist es bei Gégène, freier in Rochegude und intellektueller im Tourne au Verre. Aber neben der wirklich imposanten Weinkarte (fragt den Sommelier, warum es hier alle Crus der Rhône gibt, aber keinen großen Bordeaux – er erzählt es gern) sind es Vielfalt und Raffinesse des Essens, weshalb man ins Côteaux & Fourchettes geht. Auf dem Titelfoto könnt Ihr die Mini-Formen der Nachspeisen sehen, hier auf dem Foto sind zwei Hauptspeisen abgebildet: gebratene Taube und Kalb mit weißen Bohnen und Pfifferlingen (mein Lieblingsgang). Wieso so viel Verschiedenes auf dem Teller? Weil ich das Menu Découverte genommen hatte. Drei “reguläre” Menüs gibt es, und dieses vierte ist ein Ausschnitt aus den dreien. Ich gehe in dieses Restaurant, weil man auch draußen herrlich schattig sitzt. Und weil ein Besuch hier für die meisten Gäste etwas Besonderes ist, was sich in der Atmosphäre widerspiegelt. Unser Wein übrigens: Château des Tours 2014, 40 € die Flasche.
Nicht besucht: La Ferme Chapouton, Grignan
Gescheitert sind wir leider für dieses Mal im Imperium von Jean-Luc Valadeau und Julien Alleno. Unter dem Hauptnamen “Le Clair de la Plume” gibt es in Grignan mittlerweile eine ganze Reihe von Etablissements rund um das bekannte Sterne-Haus herum. Die Ferme Chapouton, sozusagen das Bistrot für das Clair de la Plume, sollte zwar an unserem Besuchstag geöffnet haben, aber tatsächlich war das nicht der Fall. Tja, Pech gehabt. Wir sind dann spontan wieder nach Travaillan gefahren, denn Gégène nimmt ja bekanntlich alle auf, die mühselig und beladen sind…
Adressen und Öffnungszeiten
- Chez Gégène, 36 route de Camaret, 84850 Travaillan. Geöffnet mittags MO-SA. Menü 14 € mit Wein.
- Café du Cours, Cours de l’Apparent, 26790 Rochegude. Geöffnet 9-15 Uhr und 18 Uhr bis Mitternacht außer Montag Abend. Menü mittags 14 €, abends 28 € plus Gerichte auf der Karte.
- Le Tourne au Verre, 5 Route de Carpentras, 84290 Cairanne. Geöffnet DI-SA mittags und abends, SO nur mittags. Menü mittags 17,90 €, abends Karte. 450 Weine.
- Côteaux & Fourchettes, Croisement de la Courançonne, 84290 Cairanne. Geöffnet MO 12-14, DI-MI & FR-SA 12-14 & 19-21, SO 12-14. Mittagsmenü 26 €, weitere Menüs (auch abends) 33-76 €. Ebenfalls 450 Weine (Rayas mit 200 € etwa 10 € mehr als im Tourne au Verre, falls Ihr sowas in Erwägung zieht…)
Was man übrigens in allen Restaurants mit Straßenblick zur Erntezeit kann: alte Treckermarken bewundern. Und damit verabschiede ich mich schweren Herzens für dieses Mal aus der Provence und hoffe auf ein frohes Wiedersehen im nächsten Jahr.
Danke für die tollen Tipps. Nach einem Besuch in Normandie und Bretagne in diesem Monat soll es nächsten Frühsommer mal wieder in die Provence gehen. Da sind Restaurant Tipps immer gefragt…
Am Mittwoch auf der Heimreise waren wir abends in Charleville-Mézières im La Papillote. Das Essen war sehr schmackhaft und auch die offenen Weine begleiteten die einzelnen Gänge hervorragend. Empfehlenswert, nur am Service ist noch etwas zu feilen.
LG Heide