Ich bin wieder da! Gefühlte Ewigkeiten sind vergangen, seit ich das letzte Mal im französischen Süden war, die Zikaden gehört habe, den Mont Ventoux gesehen und in der Badehose am Computer gesessen. Zugegeben, bei 34 Grad gibt es angenehmere Dinge, als einen Artikel über Bioweine von der südlichen Rhône zu schreiben, flach im Fluss abhängen zum Beispiel. Aber ich möchte Euch ein bisschen an meinen Entdeckungen der letzten Tage teilhaben lassen, denn es gibt wahrhaftig schmackhafte Rotweine in dieser klimatisch so begünstigten Region zu entdecken. Fünf davon habe ich zum ersten Mal probiert, und hier sind die Ergebnisse.
Es fällt schon auf, wenn man in den weniger prestigeträchtigen Gegenden der Côtes du Rhône unterwegs ist: Der (günstige) Rhônewein ist in eine gewisse Krise geraten. Natürlich gibt es die Flaschen weiterhin bei den Genossenschaften und in den Bistrots der Umgebung zu haben. Aber jenseits der Region stehen die Rhôneweine in harter Konkurrenz zu Produkten aus anderen Ländern, Südamerika vor allem, die ebenso fruchtig und eingängig daherkommen, aber noch günstiger produziert werden können. Die Folge davon ist, dass etliche Weinfelder im Gebiet westlich des Mont Ventoux nicht mehr richtig gepflegt, oft sogar gerodet werden.
Dabei ist man hier doch in einer Gegend, die sich für nichts anderes so gut eignet wie für den Weinbau: viel Sonne, wenig Regen und damit wenig Pilzdruck während der Saison, zusätzlich immer ein frisches Lüftchen durch den Mistral. Ideale Bedingungen also, um relativ unkompliziert vom konventionellen Anbau auf Bio oder gar Biodynamik umstellen zu können. Und damit vielleicht auch ein anderes Zielpublikum zu erreichen. Viele Weingüter haben das bereits getan. Auf der unglaublichen Website chateauneuf.dk (schaut sie Euch unbedingt an) werden derzeit etwa 200 bio-zertifizierte Weingüter von der südlichen Rhône vorgestellt. Die Chancen stehen also schlecht, testmäßig irgendwie durchzukommen, aber ein Anfang ist immerhin gemacht…
Clos des Mourres “NoVice” 2014, Côtes du Rhône, 12,5 vol%, Grenache & Syrah, 11 € beim Weinhändler L’Arbre à Vins in Vaison-la-Romaine, eine sehr gute Adresse.
Ein interessantes, relativ neues Weingut mit Reben in Cairanne und Vaison-la-Romaine. Der Name “NoVice” deutet einerseits auf den Novizen hin, andererseits darauf, dass der Wein sozusagen keine vices, also Laster besitzt. Obwohl auf dem Etikett “contient des sulfites” steht, ist er in Wirklichkeit nicht geschwefelt, dafür leicht filtriert. Hier lassen sich die Winzer, Jean-Philippe und Ingrid Bouchet, aber nicht festlegen, das wechselt je nach Jahrgang und Cuvée. Dieser Wein hier perlt nach dem Öffnen ein bisschen (Gärkohlensäure), ist enorm ansprechend, frisch, und leicht gekühlt an einem heißen Tag in großen Schlucken zu genießen. Sollte man natürlich in Wirklichkeit nicht tun – oder aber wenigstens erst dann, wenn die Sonne untergegangen ist. Ein Wein, der hervorragend in die Aura der Gegend passt, ein echtes Nachkaufprodukt, mein emotionaler Lieblingswein bislang. In Deutschland (habe ich gerade gesehen) gibt es die Weine des Weinguts bei Vins Vivants.
Maxime-François Laurent “Il fait soif” 2014, Côtes du Rhône, 13,5 vol%, Grenache & Syrah, 13 € im Käseladen “Lou Canesteou” von Josiane Déal in Vaison-la-Romaine. Josiane ist MOF, der Laden die beste Käseadresse weit und breit, das Weinangebot sehr gut ausgewählt.
Maxime-François ist sozusagen der Sohn der Domaine Gramenon, einer der wichtigsten Biodyn-Adressen ganz im Nordosten des Anbaugebiets. Quasi als Kontrapunkt zu den eher strukturiert-üppigen Gewächsen, die seine Mutter produziert, hat M-F drei eigene Weine kreiert, die ganz auf Frische setzen. Und das auch schon im Titel tragen. Beim Rosé “Il fait très soif” wird beispielsweise auf den biologischen Säureabbau verzichtet, um die Säureader beizubehalten. Bei diesem Rotwein hier wendet Maxime bei der Syrah die macération carbonique an, also die Ganzbeerenmaischung. Dadurch besitzt der Wein kaum spürbares Tannin, dafür aber eine fast stahlig-kühle Frucht ohne die “schinkigen” Noten, die ansonsten mit Syrahweinen oft einhergehen. Der Wein auf dem Foto oben schwitzt nicht wirklich, sondern ich habe ihn im Kühlschrank ein bisschen angekühlt. So ist er genau richtig. Wirklich straff und blau, keine üppige Rhônebombe, aber auch sehr zivilisiert, ganz anders als der Clos des Mourres.
L’Or de Line 2013, Châteauneuf-du-Pape, 14 vol%, hauptsächlich Grenache, 19,92 € im Biosupermarkt “Naturel et Bio” in Orange (ein paar Meter entfernt vom Hyper Carrefour).
Das Weingut von Gérard und Paule Jacumin ist dieses Jahr einer der erfolgreichen Neueinsteiger in den Guide Vert der RVF (gerade neu gekauft, darüber werde ich noch schreiben). Der Preis ist für einen Châteauneuf, und zudem einen bio-zertifizierten, schlichtweg sensationell. 2013 war sicher nicht der allereinfachste Jahrgang an der Südrhône, aber einen entscheidenden Einfluss auf Stil und Qualität des Weins hatte das nicht. Zwölf Monate lag der Wein im Barrique, und das spürt man natürlich in der Nase: neues Holz, dazu Würze, eindeutig zu jung. Am Gaumen sind sowohl Jugendlichkeit als auch Holz weiterhin präsent. Was mir aber am meisten auffällt, das sind das unglaublich samtige Tannin, die fein erhaltene Säure, der insgesamt sehr elegante, sehr ausgewogene Auftritt. Wer seinen Châteauneuf wild, üppig, überbordend vor Glyzerin, Würze und Stärke wünscht, ist bei L’Or de Line definitiv nicht richtig. Ich fühle mich ein bisschen an die kalifornischen Weine von Ridge erinnert – jedenfalls an die von vor ein paar Jahren. Das waren auch samtig-fruchtig-elegante Schmeichler auf gehobenem Niveau. Ich werde den Wein hier auf jeden Fall nachkaufen und dann schauen, wie er sich im Keller entwickelt.
Am Weingut von Corinne Depeyre bin ich schon auf dem Weg zum Einkaufen vorbeigekommen. Leider war die Dame nicht zu Hause, aber als ich mir die Rosés im Supermarkt Biosphère in Nyons anschaute, sah ich diesen hier. Also zugreifen. Domaine Corinne Depeyre “Cuvée Style” 2015, Côtes du Rhône, 13 vol%, Grenache, Carignan, Syrah, 8,34 €.
Ab und zu und gerade im Sommer wünscht man sich ja mal einen schön gekühlten Rosé, und zu dem lauwarmen Feigensalat, den ich auf meinem Campingkocher bereitet hatte, passt nun einmal ein Rosé am besten. Andererseits habe ich festgestellt – und da macht dieser Wein leider keine Ausnahme – dass abgesehen von einer Minizahl an Ausnahmen wie Eric Pfifferling kaum jemand einen wirklich interessanten Rosé herstellen mag. Natürlich kann man solche Weine problemlos trinken, aber sie sind nicht nur sauber, sondern einfach zu sauber. Ihre Seele haben sie an eine komplett abgesicherte Technik verkauft. Erdbeer-Pink Grapefruit-Eisbonbon. Es gibt hier in der Gegend ja ein paar versierte Weinhändler. Das nächste Mal werde ich einfach fragen, was der individuellste, charakterstärkste Rosé ist, den sie im Angebot haben.
Nicht fotografiert habe ich den letzten Wein, den ich Euch vorstellen möchte. Dafür habe ich ein symbolisches Foto von der Landschaft gemacht, in der die Trauben gewachsen sein können. Das ist übrigens immer unser Spazierweg nach dem Abendessen. Einfach traumhaft.
Aber zum Wein: Cave La Suzienne “Domaine des Hautes Garrigues” 2012, Côtes du Rhône Villages, halb Grenache, halb Syrah. Die letzte Flasche des 2012ers hatte ich in der Genossenschaft selbst für 7,50 € gekauft, den 2014er Jahrgang gibt es derzeit für 5,93 € bei ein paar Intermarchés der Gegend.
Goldmedaillen hat der Wein abgeräumt, in Orange, in Paris, ein typisches Concours-Produkt. Obwohl es sich um eine Genossenschaftsarbeit handelt, ist dieser einzige Biowein im Portfolio eigentlich ein reines Winzerprodukt, nämlich von der Familie Labaume in Suze-la-Rousse, deren Rebflächen als einzige zertifiziert sind. Ich möchte Euch diesen wirklich günstigen Wein zum Abschluss vorstellen, weil er mir überraschend gut gefallen hat. Sehr ausgewogen war er, ein typisch fruchtiger Südwein, aber nicht überkocht oder langweilig oder auch zu technisch anmutend. Natürlich befinden wir uns hier auf der “sicheren Seite” der Weinbereitung, also Reinzucht, Filtration, Stahlausbau etc., was man halt so machen kann innerhalb der Bio-Bestimmungen. Dennoch schmeckt der Wein einfach gut, und gerade Leute, die ansonsten in Deutschland Weine im Supermarkt kaufen, dürften an so einer Qualität und an so einem Geschmack ihre helle Freude haben. Der ideale Alltagswein.
Und damit erhebe ich mich wieder von meinem Klapptischplatz, dem zum Glück ein hartlaubiger Eichenbaum Schatten spendet. Mal schauen, was ich hier noch so alles entdecke…
Ich bin gespannt was Du noch alles so entdeckt……;-)……und bin mir sicher, Du wirst berichten!! Darauf freue ich mich schon. Viel Spaß noch im gelobten Land.
Jens