Reflektieren wir mal kurz: Das Pfingstfest steht vor der Tür, wir haben (fast) alle frei, es wird heiß. Wenn wir also jetzt einen Wein trinken wollten, müsste der vermutlich eher weiß sein, aber weil es ja doch ein bisschen sonntäglich zugehen soll, muss es nicht unbedingt der dünne Schlucker sein, den wir gerade neu erstanden haben. Ein klarer Fall für …Bürklin-Wolf, oder nein, lieber doch etwas Unbekannteres, aber genauso gut.
Gonçalo Sousa Lopes und Rui Cunha sind keine Unbekannten in der Weinszene, zumindest in der portugiesischen Weinszene. Sie hatten sich schon seit Jahren als Önologen für verschiedene Arbeitgeber durchgeschlagen, als sie vor etwas mehr als zehn Jahren beschlossen, ihr ganz eigenes Ding zu machen. Da sie selbst keine Reben besaßen, waren sie darauf angewiesen, irgendwo da draußen etwas aufzuspüren, wonach sie schon immer gesucht hatten. Und sie mussten die Besitzer der Weinstöcke davon überzeugen, dass es sich lohnt, aus diesem Kleinod einen wirklich professionellen Wein zu machen.
Nichts leichter als das, jedenfalls in Portugal. Aufgrund der dort teilweise immer noch äußerst kleinbäuerlichen Strukturen gibt es – ein wenig zynisch ausgedrückt – als positive Begleiterscheinung ländlicher Armut noch eine ganze Reihe versteckter Flecken, an denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Diese “Secret Spots” (so der Name des Projekts) wollten Rui und Gonçalo aufspüren. Dabei ging es ihnen aber keineswegs darum, einen modernen Önologenwein der Spitzenklasse zu kreieren. Vielmehr wollten sie die Tradition ganz bewusst beibehalten und nur behutsam in die Moderne überführen. Tradition bedeutet dabei reine Handarbeit, vom ersten bis zum letzten Schritt. Die Moderne hielt Einzug in Gestalt einer kleinen, aber feinen Kellerei, in der ein fehlerfreier Ausbau der raren Weine möglich war. Denn, seien wir ehrlich, wenn “Tradition” Handarbeit, Sorgfalt und Weisheit bedeutet, dann gibt es nichts Besseres. Wenn “Tradition” aber Unbewusstsein, Schludrigkeit, faule Trauben und muffige Fässer bedeutet, dann will ich die dementsprechenden Erzeugnisse lieber nicht im Glas haben.
Im Glas ist stattdessen ein ungemein goldgelber Saft. “Crooked Vines”, krumme Rebstöcke, heißt der Wein aus dem Dourotal. Es handelt sich um einen “field blend”, einen gemischten Satz also, wie er am Douro traditionellerweise Standard war. Als die drei Hauptrebsorten in meinem Jahrgang 2008 wurden mir seinerzeit Rigourela, Ribagato und Ovelho mitgeteilt, mittlerweile wird von Gouveio, Viosinho and Rabigato gesprochen. Aber weder weiß man das so ganz genau, noch sollte es die Kaufentscheidung in irgendeiner Weise beeinflussen. Der ein wenig nördlich daherkommende Jahrgang 2008 hatte für einen pH-Wert von 3,09 gesorgt bei 7,5 g Säure und 13,79 vol% Alkohol.
Technische Werte sind allerdings nur der eine Teil der Wahrheit, der andere Teil findet an Nase, Zunge und Gaumen statt. Und da fühle ich mich doch gleich an eine interessante Kombination erinnert, die ich Euch auszuprobieren allerdings aus kulturästethischen Gründen nicht wirklich rate. Stellt Euch also lieber vor, Ihr würdet einen sehr frischen, säurebetonten und komplett trockenen Elbling mit einem Grünen Veltliner Smaragd von Hirtzberger oder FX Pichler mischen. Oder aber einen Chenin von der Loire aus einem kühleren Jahr mit einer sehr langen, intensiven Reifezeit nehmen. Dieser portugiesische Weiße ist nämlich dicht und äußerst reif, gleichzeitig aber auch von einer intensiven Säureader durchzogen. Glatt wirkt er, erhaben, nicht aufgeregt würzig oder anstregend, die Jahre im Keller haben die Kanten sichtlich abgeschliffen. Ein individueller, sehr interessanter Wein, aber nicht so freakig, als dass man ihn nicht zu Tisch reichen könnte. Ich finde persönlich, dass etwas mildere, aber substanzreiche Curry-Gerichte sehr gut zu so einem Wein passen, Safran-Reis ebenso.
Zu kaufen, wie praktisch, gibt es ihn bei uns auch, und zwar dort, wo ich ihn selbst erstanden hatte, nämlich bei der Weingalerie in Berlin. 19,50 € für die 2010er Ausgabe, die ein wenig niedriger in der Säure ausgefallen sein soll, ansonsten aber auch alles andere als schlaff daherkommt. Bis zum Pfingstfest werdet Ihr die Flasche leider nicht mehr geliefert bekommen, fürchte ich. Aber der nächste Feiertag lässt ja auch nicht mehr lange auf sich warten. Bei uns in Bayern handelt es sich um den Fronleichnam in knapp zwei Wochen, bei Euch im Norden ist es …der Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober. Naja, irgendwie muss es sich ja auszahlen, einen guten Draht zum Vatikan zu haben.
Da mache ich am Dienstag doch gleich einen kleinen Spaziergang in die Pestalozzistraße.
Das ist eine gute Idee. Ich fand es da immer ausgesprochen nett, als ich noch in Berlin gewohnt habe.