Ihr habt natürlich völlig richtig gelegen bei Euren Vermutungen, ich bin tatsächlich in Japan, genauer gesagt in Tokio, noch genauer gesagt in Shinjuku. Als ich gestern nach allen Anreise-, Einreise- und Anmietungsprozeduren endlich die Tür hinter dem Stromablesemann zugemacht hatte und aufs Bett gefallen war, da habe ich nur eins gedacht: Ein Glück, dass ich so etwas jetzt mache und nicht erst mit Siebzig.
Ich bin ja, wie Ihr vielleicht wisst, ohnehin niemand, der mit der Philosophie des “Lebens auf Pump” viel anfangen kann. Also jetzt leiden, damit es mir später irgendwann besser geht, damit ich als Rentner das ganze Jahr mit dem Wohnmobil herumfahren kann. Wer weiß, ob ich je Rentner werde, oder ob ich es mir mit Siebzig noch zumuten möchte, in zwei Nächten hintereinander nur insgesamt fünf Stunden zu schlafen. Also Tokio jetzt.
Kulinarisch war die Reise nach Japan wieder einmal so, wie man sich Globalisierung in seiner Extremform vorstellt: Auf dem Flughafen gab es eine Kaffeebar, ein Geschäft mit belegten, aufgeschäumten Pappbaguettes und ein anderes mit wunderbar weichen Whoppern. Die Wahl zwischen Not und Elend ist eine Scheinwahl, also nahm ich von zwei schlechten Angeboten einfach den… Crispy Chicken Burger. Voilà.
Im Flugzeug ging es mit umfangreichem Essen weiter. Es gab Rinderformfleisch mit Reis und Mohrrüben, Weißbrot mit Gouda und Kochschinken und als Nachspeise einen Müsliriegel mit künstlichem Apfelaroma. Ansonsten kann ich aber nicht meckern: sehr aufmerksamer Service, modernes Flugzeug, ruhiger und pünktlicher Flug. Die Fluggesellschaft, die dafür verantwortlich war, heißt übrigens Aeroflot. Ich beginne doch sehr an irgendwelchen Horrorstories über bestimmte Fluggesellschaften zu zweifeln, die wahrscheinlich eher aus dem kollektiven Gedächtnis längst vergangener Zeiten stammen.
Am Tokioter Flughafen Narita, direkt am Bahnsteig in Richtung Innenstadt, musste ich mich erst einmal an einem der legendären japanischen Automaten bedienen. Diesen vielen Automaten werde ich eine besondere Aufmerksamkeit widmen, das kann ich schon mal versprechen. Das erste Automatengetränk kam mir von der Marke her bekannt vor: “Chef’s Milk Tea” von Fauchon, der Luxus-Markenkette aus Paris. Natürlich haben sie nur ihr Logo gewinnbringend hergegeben in diesem Fall, der Tee mit viel gesüßter Kondensmilch und ein paar Aromastoffen wird hier in Tokio vom Braugiganten Asahi hergestellt.
Auf meinem ersten kurzem Rundgang um mein neues Domizil herum kam ich an einem Restaurant vorbei, das seine Gerichte im Schaufenster enorm plastisch bewirbt. Ich habe gelesen, dass es im Küchenutensil-Viertel Kappabashi Geschäfte geben soll, die derartige Essensnachbildungen verkaufen – in erster Linie natürlich an entsprechende Restaurants, aber so etwas muss ich auch haben!
Leider fehlte mir in meinem Zustand dann doch der Mumm, in eins der zahlreichen Lokale in der Nachbarschaft zu gehen. Stattdessen holte ich mir im “Kombini” (was der japanische Ausdruck für “Convenience Store” ist, also ein Mini-Supermarkt für alles) einen Reisbollen. Im Buch nachgeschlagen (das werde ich Euch ein andermal vorstellen), fand ich heraus, dass es sich um ein “seki-han” handeln müsste, gekochter Reis mit roten Azuki-Bohnen und schwarzem Sesam. Schmeckte besser als alles andere auf der Reise, aber gut, so schwierig war das ja auch nicht.
Meinen ersten kurzen Einblick möchte ich mit einem Ausblick schließen, nämlich dem von meinem Balkon. Eigentlich ist das kein richtiger Balkon in unserem Sinne, sondern nur ein Austritt mit einem Mäuerchen davor und einer Wäscheleine. Das habe ich bei der Fahrt vom Flughafen in die Stadt nämlich schon gesehen: Hier in Tokio wird unheimlich viel Wäsche im Freien auf diese Art getrocknet.
Zum Schluss noch zwei Fragen von mir an Euch: 1. War jemand von Euch schon mal in Tokio? 2. Falls ja, welchen Aussichtspunkt würdet Ihr mir besonders empfehlen? Ihr wisst ja, dass ich jede neue Stadt erst einmal ein bisschen aus der Vogelperspektive anschauen möchte, bevor ich mich dann ins Gewühl stürze.
TOKYO!!! Seit dem Erdbeben nicht mehr da gewesen. Davor Familienbedingt geschätzte 40 mal, zumindest auf der Durchreise in den Norden… Als Aussichtspunkt kann ich das Park Hyatt in Shinjuku empfehlen. Ist ja nicht weit und Anzug hast du ja anscheinend auch 😉
Kappabashi mit den Restaurant-Fachgeschäften hast du ja schon erwähnt, der Tsukiji-Markt ist natürlich ein Muss.
Ansonsten unbedingt versuchen bei Sukiyabashi Jiro Sushi zu Essen. In der Filliale in Roppongi ist es einfacher ein Plätzchen zu kriegen, wird ja auch “nur” vom Filius geführt. War da ohne Reservierung in der Woche zu Restaurant-Öffnungsbegin da, innerhalb 45 Minuten 200€ ärmer aber um ein einzigartiges Erlebnis reicher.
Bei Wein kann ich die Aruga Branca Winery aus Katsunuma empfehlen. Alles Kôshû. Alles aussergewöhnlich. Süß, Barrique, Sparkling, Madeira-Stil.
Viel Spaß auf jedenfall,
ich warte noch ein wenig mit meinem nächsten Besuch.
Danke für die Tipps! Ja, Tsukiji außen und vielleicht auch innen werde ich auf jeden Fall besuchen. Was das Essen anbelangt, schaue ich mal von Tag zu Tag. Es gibt hier so wahnsinnig viel und auch so wahnsinnig viel (für mich als Europäer) Besonderes, ich wüsste gar nicht, wie Leute das machen, die nur für zwei Tage hier sind. Es hört sich etwas seltsam an, aber ich habe das Gefühl, die Ausgefeiltheit des Fremdartigen ist schier überwältigend.
Einen Aussichtspunkt habe ich heute schon gefunden. Ohne Krawatte ;). Leider packe ich es heute konditionsmäßig nicht mehr, den Artikel auch zu schreiben. Kommt aber, wenn Ihr (hoffentlich) noch alle schlaft ;).
Tsukiji unbedingt auch rein in den Markt. Vielleicht nicht zur Thunfisch-Auktion. So viele unbekannte Fische darfst du dir nicht entgehen lassen. Man muss ein wenig aufpassen, dass man nicht von den kleinen Transport-Wagen überfahren wird…
Ja, ich hab mir schon ein Video angeschaut, wo die Kamera auf einem dieser Flitzer mitfährt. Aber ich würde schon aufpassen. Allerdings weiß ich seit dem Wet Market von Bangkok, dass Gummischuhe und hochgekrempelte Hosenbeine bei einem Fischmarktbesuch sehr vorteilhaft sein können ;).
Jep! Vielleicht das Rathaus bzw. Präfekturverwaltung. Ist auch nicht so weit weg von dir. Es gibt aber bestimmt auch innovativere Aussichtspunkte ;-). Aber für’s erste nicht schlecht. Ein Ereignisreichen Aufenthalt wünsch ich dir.
Das Rathaus ist doch ein guter Anfang. War übrigens ziemlich windig heute, da muss wieder mal ein kleiner Taifun an der Insel vorbeigezogen sein ;). Ob ich auf den Skytree auch noch fahre oder mit dem Odaiba-Riesenrad oder so etwas, das muss ich mir noch überlegen. Falls ich es vergessen hatte zu erwähnen: Zur Dämmerungszeit fangen hier immer die Zikaden an zu zirpen. Sehr sommerlich und/oder tropenpazifisch.
Ich fliege am Freitag nach Tokyo, Samstag lande ich, war schon öfters in meiner Lieblingsstadt Tokyo, hätte auch eine ellenlange Liste der Must-Have Restaurants (keine von der Michelin-Liga), Foodshops und Küchenläden, die fantastisch sind, bis wann bist du da?
Och, lang genug ;). Schreib mir doch einfach eine Email, wenn Du Dich einigermaßen gefangen hast, die Adresse steht im Impressum. Guten Flug!