Manchmal ist Euer Matze schon ein echter Schnellmerker. Dieser Artikel hat für die informierten Bierfreaks keinerlei Neuigkeitswert. Worum geht es (falls Ihr nicht zu den informierten Bierfreaks gehört)? Ein Biervertrieb, ein Supermarkt gar, hat die wachsende Gemeinde der Bierfreunde für sich entdeckt und ein Bier in drei verschiedenen Varianten brauen lassen. Der einzige Unterschied dieser drei Varianten liegt in der Verwendung des Hopfens. Nur eine singuläre Hopfensorte war jeweils zugelassen, und das eröffnet doch herrliche Geschmacksdiskussionen am Stammtisch, aber oberhalb dessen Niveaus.
Die belgische Supermarktkette Delhaize, deren Verschwinden vom deutschen Markt vor ein paar Jahren sicher nicht nur ich bedaure (gut, es bestanden bis dato auch erst vier Filialen), hatte eine gute Idee: Immer mehr Bierfreunde wollen nicht nur beim, sondern zur Abwechslung auch einmal über das Bier reden.
Nun ist der Biermarkt in Belgien traditionell ganz anders beschaffen als jener in Deutschland. Deshalb muss ich etwas weiter ausholen. In Deutschland galt bis vor kurzem das Bier, namentlich das “Pils” im Norden und Westen, das “Helle” im Süden, als reiner Durstlöscher. Dessen Eigenschaften: frisch, flüssig, nicht zu viel Alkohol, günstig bis hin zu billig. Der Belgier als solcher kennt hingegen noch das im Englischen als “sipping beer” – auf Deutsch “Nipp-Bier” – bezeichnete Getränk. Dessen Eigenschaften: komplex, viskos, ordentlich Alkohol, gar nicht günstig.
In dieser Tradition stehen dementsprechend die Single Hop-Biere von Delhaize. Obwohl, nein, sie stehen dazwischen. Und das ist der Grund, weshalb ich glaube, dass dieses Konzept auch in deutschsprachigen Ländern funktionieren könnte. Man nehme also einen Distributeur mit Marktmacht und einem guten Renommée (das hat Delhaize). Dann gehe man zu einem willigen Brauer, der sich der Umsetzung annimmt. In diesem Fall war das die Proefbrouwerij in der Nähe von Gent. Diese “Versuchsbrauerei” ist allerdings alles andere als ein Trial-and-Error-Verein, sondern wurde von Brauprofessor Dirk Naudts gegründet. Übersetzt auf deutsche Verhältnisse: die Versuchsbrauerei der FH Weihenstephan, mit der sich der Chef selbstständig gemacht hat. Wegen der guten technischen und intellektuellen Ausstattung kam seit ihrer Gründung im Jahr 1996 eine unzählige Menge an Brauverrückten mit ihren Aufträgen zu “De Proef”. Ein Horror übrigens für jeden Bierautor, die ganzen Gebräue dann in einer Liste festhalten zu wollen. Tim Webb hat es einmal versucht.
Neben Aufträgen für die Silberhochzeit oder das Dorffest haben hier auch einige hoffnungsvolle Neubrauer ihre ersten Sude angesetzt. Welche Auftraggeber dem Team der Proefbrouwerij am liebsten sind, weiß ich natürlich nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass ihnen der Delhaize-Auftrag schon gefallen hat. Die Aufgabe: “Braut drei verschiedene obergärige Biere im traditionellen Stil. Verwendet nur Zutaten, die in Eurem Nachbarland unter das Reinheitsgebot fallen würden. Nehmt für jedes der drei Biere je eine Hopfensorte (die konkreten Sorten, nämlich “Cascade” aus Washington State, “Nelson Sauvin” aus Neuseeland und “East Kent Goldings” aus Belgien, haben die Proef-Leute sicher selbst ausgesucht). Das sei der einzige Unterschied der Sude. Braut je Typ nur 4.000 Flaschen, denn wir wissen noch nicht, wie gut so etwas ankommt. Schreibt aber nachher nicht auf die Flasche, dass Ihr dahintersteckt.”
Ha, die alte Braufactum-Leier! Schämen sich die Auftraggeber etwa? Das gefällt uns als Konsumenten gar nicht, liebe Heimlichtuer. Und es kommt sowieso raus, einer der ratebeer-Kommentatoren besitzt immer irgendwelche Kontakte.
Aber zurück zum Produkt: All diese Biere besitzen zwar einen gemeinsamen Alkoholgehalt von 7 vol% (knappe “sipping beer”-Marke), aber dank der Hopfensorten enorm unterschiedliche Bitterwerte: 23 EBU für das Cascade-Bier, 30 EBU für das East Kent Goldings-Bier und mächtige 55 EBU für das Nelson Sauvin-Bier. Nun bin ich ja, wie eingangs erwähnt, viel zu spät auf diese Aktion aufmerksam geworden, und es gibt sicher nur noch Restbestände dieser Edition. Er hier hat alle drei gestestet, ich nur die Cascade-Version.
Meine Notizen: Farbe zwischen Gold und Amber, leicht grobporiger Schaum. In der Nase deutlich fruchtig, wie bei obergärigen Bieren üblich, frische Aprikosen, dazu Baumblüten. Am Gaumen enorm ausgewogen von vorn bis hinten. Der Alkohol ist bei mittlerem Körper nirgends spürbar, keinerlei Anzeichen von Brandigkeit. Die Bitternote kommt im letzten Drittel prononciert heran, aber nicht mit Macht, sondern eher als Ergänzung. Süße ist praktisch gar nicht zu spüren, und das ist ja eine Komponente, die manche belgische Biere für Fremdländer so unangenehm werden lässt. Stilistisch geht das Cascade in Richtung eines guten, festen Altbiers vom Schlage eines Schlüssel. Mir gefällt das Bier, obwohl ich es mir wesentlich besser als Speisenbegleiter denn als Solobier vorstellen kann.
Mein Fazit: Fahrt nach Belgien zu Delhaize und kauft Euch für 3,75 € (0,75l-Flasche), was Ihr noch an Resten bekommen könnt. Falls das nicht geht, fragt bei einer befreundeten Brauerei in Eurer Nähe nach, ob sie nicht auch eine limited edition einer solchen Spielerei machen wollen. Hilft dem Ruf der Brauerei, bildet die Bierfreunde weiter, und Spaß macht es auch.