Es gab einmal eine Zeit, da konnten Brauer nicht einfach brauen, wann und wo sie wollten. Das lag aber weniger daran, dass es ihnen nicht erlaubt worden wäre (okay, auch das kam vor, zum Beispiel in der bayerischen Brauordnung), sondern vielmehr daran, dass es einfach nicht richtig funktionierte. Im Sommer waren die Temperaturen meist zu hoch, um eine vernünftige Gärung hinzubekommen. Bei stark traditionellen Brauereien wie Cantillon in Brüssel braut man auch heute noch ausschließlich im Winterhalbjahr. Aus dieser Zeit stammt die wallonische Eigenart, immer im Frühjahr ein besonders gut gehopftes Bier mit ordentlich Stammwürze zu brauen, das sich auch über den Sommer hält. Dieses Bier wurde “Saison” genannt, weil man es erst in der nächsten Jahreszeit genoss. Ursprünglich taten sich die Erntehelfer daran gütlich. Ganz ähnlich verhält es sich übrigens mit dem Märzen, das ja auch im März gebraut und nicht etwa getrunken wurde.
Natürlich konnte Bier auch mit einer ordentlichen Zuckerzugabe haltbarer gemacht werden, weshalb manche Brauer auch ihr billiges Tafelbier gelegentlich als “Saison” bezeichneten – sehr zum Ärger der echten “Saisonniers”. Auch heute gelingt es dem unbedarften Biertrinker immer wieder, an süße Plörre zu kommen. Damit Euch das nicht passiert, möchte ich hier drei Biere vorstellen, die meiner bescheidenen Meinung nach zum Besten gehören, was belgische Brauerkunst zu bieten hat. Entgegen landläufiger Meinung sind belgische Biere nicht immer dunkel, stark und süß (wie die Abteibiere und ihre Nachmacher) und auch nicht dünn und geschmacklos (wie Jupiler, Stella Artois und ähnliches Industriezeug). Die echten belgischen “Saisons” stehen mit ihrer kräftig gehopften, obergärigen Art nämlich auf halbem Weg zwischen einem süddeutschen Hefeweizen und einem amerikanischen Pale Ale.
Dadurch dass gute belgische Biere in der Flasche nachreifen, sind sie auch immer unfiltriert und mit einem deutlichen Hefedepot versehen. Ich weiß nicht, ob ich das schon einmal gesagt hatte, aber die Belgier trinken das in aller Regel nicht mit. Beim bayerischen Weizenbier wird die gequirlte Hefe ja zum Schluss ins Glas gegeben. Belgische Bierkenner hingegen lagern die Flaschen stehend und schenken vorsichtig ein, damit die Hefe in der Flasche bleibt. “Lagern” ist sowieso ein gutes Thema, denn diese Biere entwickeln sich aromatisch weiter und erreichen ihren harmonischen Höhepunkt erst nach ein paar Monaten in der Flasche.
Das erste Bier, das ich Euch vorstellen möchte, ist das Saison d’Epeautre der Brauerei Blaugies. Die Brauerei ist winzig und wurde erst im Jahr 1988 gegründet, stellt aber mittlerweile vier hervorragende Biere her, die es nur in 0,75-Liter-Flaschen gibt. “Epeautre” heißt auf Deutsch “Dinkel”, was klar macht, mit welchem Getreide wir es bei diesem Bier zu tun haben. Beim Öffnen muss man ein bisschen aufpassen, wenn das Bier noch relativ jung ist und die Hefe dementsprechend kräftig werkelt. Die Nase ist durchaus hopfengeprägt, und nur ganz leicht kommen hefig-getreidige Noten durch. Am Gaumen bleibt der Hopfen weiterhin präsent. Das Bier ist sehr trocken und besitzt eine deutliche zitronige Säure, wirkt aber keineswegs aggressiv. Vielmehr macht unser Dinkelschätzchen einen sehr erfrischenden und reinen Eindruck – das ideale Sommerbier. So müsste ein gutes Kölsch schmecken, finde ich. Als Begleitung zu echten belgischen Fritten zeigt das Saison d’Epeautre, dass wir hier die königliche Kombination schlechthin gefunden haben. Ich bin entzückt: ein leichtes, frisches Obergäriges, das alles andere als mager ist. 17 MP
Das zweite Bier stammt von der Brauerei Dupont, die unter belgischen Bierfreunden ein hohes Ansehen genießt. Jedes Jahr am letzten Wochenende im September gibt es im Dorf Tourpes ein großes Fest mit viel Drumherum, bei der die Brauerei, die auch noch Käse herstellt, ihre Tore öffnet. Das “Saison Dupont” ist dabei ihr absolutes Flaggschiff und gilt als Archetyp des hopfig-vollen Saisonbiers. Es besitzt eine relativ helle, getreidige Farbe, trüb natürlich. Die Nase ist leicht süßlich, getreidig und malzig. Im Gegensatz zu vielen anderen obergärigen Bieren kommt hier die Fruchtnote kaum durch. Vermutlich liegt es an der verwendeten Hopfensorte. War das “Saison d’Epeautre” für mich ein echtes Sommerbier, ist das “Saison Dupont” eher ein Bier für alle Jahreszeiten: fruchtig-blumig mit mittlerer Hopfengabe, sehr ausgewogen und zunächst recht leicht wirkend. Später kommt erst der Hopfen und dann mit zunehmender Wärme eine gewisse melassige Note, an der man merkt, dass hier doch immerhin 6,5 vol% im Bier stecken. Auch ein schönes Bier, etwas stärker halt, ich ziehe die Dinkelversion von Blaugies leicht vor. 16 MP
Das dritte und letzte Bier stammt ebenfalls von Dupont und heißt “Saison Dupont Biologique”. Der Unterschied beschränkt sich aber nicht nur auf das, hm, nicht ganz so klassische Etikett und die Zutaten aus zertifiziert biologischem Anbau, sondern es ist tatsächlich ein anderes Bier. Mit 5,5 vol% ein Prozent leichter als das Original, spielt die Farbe mehr ins orangefarben-Getreidige als ins Gelbliche. Die Nase ist zwar auch getreidig, aber die Fruchtnoten kommen stärker durch. Wenn dies hier ein süddeutsches Weizen wäre, würde es eher die zitronige als die bananige Version sein, wenn Ihr wisst, was ich meine. Am Gaumen kommt erst die feinfruchtige Zitrone, ein bisschen Grapefruit, etwas Fruchtsüße, dann ein sehr ausgewogener, mittlerer Körper mit schöner Säure. Bis dahin könnte das Saison auch wie ein 1a Hefeweizen durchgehen, aber dann folgt noch ein Element, das ich aus einem Weizen nicht kenne. Es nennt sich Hopfen, und zwar ein ordentlich präsenter Hopfen, was das Bier eher in die US-Richtung driften lässt. Sehr appetitanregend. Für mich ist diese Version noch besser als das Original, weil sie noch mehr Understatement liefert und sich noch besser als Speisenbegleiter eignet. Weiterhin eines der besten belgischen Biere. 17 MP
Jetzt werdet Ihr Euch vielleicht fragen, weshalb ich diese Biere so hoch bewerte, obwohl sie einen weder mit Massen von Aromen beeindrucken noch echte “sipping beers” sind, die man am besten in ganz kleinen Schlucken genießt. Die Antwort lautet: vielleicht gerade deshalb. Diese Biere sind zum Durstlöschen gedacht, zum Begleiten von allerlei Speisen und nicht zum ehrfürchtigen Bewundern. Und das erledigen sie perfekt. Preislich liegen die Duponts um 2 €, das Blaugies bei etwas über 3 €. Eigentlich zu günstig, ich weiß.
Gekauft habe ich alle drei Biere in 0,75-Liter-Flaschen mit Sektkorken im Cora in Liège-Rocourt. Hier gibt es die praktischste Bierauswahl weit und breit, weil sie 1. groß ist, 2. auch richtig gute Biere darunter sind, man 3. alles prima mit dem Auto abtransportieren kann (liegt direkt an der Autobahnabfahrt) und es 4. auch noch so einige andere Dinge hier zu kaufen gibt, die den Einkaufswagen ganz schnell voll werden lassen. Ach ja, 5. gibt es sogar originale Biergläser von vielen im Markt angebotenen Bieren, das macht sich immer ganz nett. Der Bierkauf in Belgien ist für Uneingeweihte allerdings ein gewisses Vabanquespiel. Bei den ungefähr 150 verschiedenen belgischen Bieren, die ich laut meiner Excel-Liste offensichtlich schon getrunken habe, war jedenfalls von Himmel bis Hölle alles dabei. Wer nicht selbst per Schlucktest die Spreu vom Weizen trennen möchte, sollte sofort und unmittelbar dieses Buch bestellen. Eine große Hilfe, vor allem beim Entdecken großartiger Biere und beim Aufräumen mit alten Vorurteilen.
Die Meldung ist sehr intressant,
ich hab die Biere nicht gekannt,
wer bringt mir solche Biere her?
Nach Belgien komme ich nur schwer,
hab nur das GA für die Schweiz,
kenn gutes Bier in mancher Beiz
.
Lang ists her, dass mir jemand ein Gedicht geschrieben hat 😉
Das Dupont, hier noch als “Vieille Provision” bezeichnet, gibt es beim Bierkompass: http://www.bierkompass.de/Saison/Saison-Dupont-Vieille-Provision.html Leider beschneiden sie sich selbst ein wenig in der Kundschaft, da sie laut Lieferbedingungen nur innerhalb der EU versenden. Aber ein Anruf wird das sicher klären. Beim kurzen Switchen durch das Programm sind mir noch “La Rulles Brune” und das extrahopfige “IV Saison” aufgefallen, die ich sehr schätze. Auch das “XX Bitter” von De Ranke macht seinem Namen alle Ehre. Die Auswahl an (Oude) Gueuze und Kriek ist hervorragend, aber man sollte schon wissen, worauf man sich hier einlässt.
Ansonsten möchte ich Folgendes anmerken:
Warum zeigt die reiche Schweiz
einen derart großen Geiz
bei dem Exportieren
ihrer Exportbieren?
Völlig unbekannt
bleibt so hierzuland
was die Eidgenossen
hinter d’Bind sich gossen.