Hatte ich letztens mit dem Cumartesi Şirazettin einen unkomplizierten Wein für eine junge Kundschaft vorgestellt, ist dieser Wein fast das genaue Gegenteil. Muss es denn schon wieder ein Wein von Resit Soleys Weingut “Corvus” sein? Das habe ich mich gefragt, als ich den Wein im Fachgeschäft La Cave für umgerechnet schlappe 32 € gekauft habe. Nach dem Genuss desselben bin ich allerdings sehr schnell zu der Erkenntnis gelangt, dass die Entscheidung goldrichtig war und ich Euch den Wein nicht vorenthalten sollte.
Die Geschichte von Resit Soley und seinem Weingut auf der Insel Bozcaada habe ich ja hier bereits zum Besten gegeben. Kommen wir also ohne Umwege zu diesem Produkt. Die Traube “Bornova Misket”, nach der der Wein benannt ist, ist nicht heimisch auf Bozcaada. Erst dachte ich – wie wahrscheinlich viele, die es nicht besser wissen – dass die Rebsorte bulgarischen Ursprungs sein müsste. “Bornova”, das klingt doch herrlich bulgarisch, oder? Aber nichts dergleichen. Bornova ist ein Ort an der türkischen Ägäisküste, wenige Kilometer vom Meer entfernt und mittlerweile siedlungstechnisch einbezogen in den Großraum Izmir. Das alte Birunabad aus frühbyzantinischer Zeit wurde später zu Bournabat und noch später zu Bornova. Weinbau muss es hier schon seit antiken Zeiten gegeben haben, die Muskattraube, denn nichts anderes bedeutet “Misket”, war schon von Anfang an dabei.
Bei dem Muskat aus Bornava handelt es sich um ein kleinbeeriges, dickschaliges und aromatisches Mitglied der großen Muskatfamilie, das auf den Lehm- und Sandböden nahe der Küste offenbar sehr gut gedeiht. Dank des angenehmen Geschmacks der Trauben konnte die Bornova Misket auch die Zeiten überdauern, in denen in der Türkei kein privater Weinbau praktiziert wurde – als Frischobst und Rosine. Seit einiger Zeit werden aus dieser autochthonen Rebsorte auch wieder Weine bereitet, meist aber im unter- bis mittelpreisigen Segment wie der “Ancyra Muscat” von Kavaklidere. Resit Soleys “Bornova Misket” ist der vorläufige Höhepunkt der – trockenen – Muskatweine in der Türkei.
Im Glas sehe ich ein relativ kräftiges Weißgelb, farbstärker als von einem Muskat erwartet. Dass Muskatweine aromatisch zu den dominanten Burnern gehören, ist ja bekannt. Ich erinnere mich an eine Verkostung im Rahmen von Stuart Pigott’s Wine Lab, als das Motto “Weißwein extrem” oder so ähnlich lautete und ein Kompagnon einen astreinen Vino da Tavola mitbrachte (“einen Tafelwein, nix Ordinäres“). Der Weißwein stammte von der Genossenschaft Cormons aus dem Friaul und hieß “Vino della Pace”. 400 Rebsorten (laut anderen Quellen gar 600) aus einem einzigen Weinberg der Cantina sind in dem Wein enthalten, Staatsoberhäupter und auch der Papst erhalten jährlich drei Flaschen davon. Was das mit Muskat zu tun hat? Sehr viel, denn wenn von jeder Rebsorte eine Traube in den Wein geworfen wird, gewinnt am Ende – der Muskat. Der “Vino della Pace” schmeckt wie ein originaler trockener Muskat. Falls “unser” Benedikt jetzt hier mitliest, er könnte es sicher bestätigen.
So, jetzt aber wieder zurück zu diesem Muskatwein. In der Nase zeigen sich ganz typische Muskatnoten, ungeheuer traubig und auch mit einer durchaus süßen Anmutung. Nanu, sollte dieser Wein bei seinen 13,5vol% auch noch Fruchtsüße besitzen? Nur so halb. An die Zunge gelangt, gibt es zwar in der Tat traubig-süße Anklänge, aber die halten nur eine Weile an. Sehr viskos wirkt der Wein, gehaltvoll, der Alkohol ist auch spürbar. Weiter hinten folgt dann eine gewisse Bitternote, Strohblumen, ein bisschen Walnussschale, und die Fruchtsüße ist perdu. Das Interessante an diesem Wein ist, dass man vom allerersten Eindruck her denkt, “hm, lecker, wegschlucken”, bevor er dann deutlich fordender wird und man zum Schluss zu dem Ergebnis gelangt, dass dies hier irgendwie gar nichts für Uneingeweihte ist. Die feine Fruchtsäure, die sich erst sehr spät Bahn bricht, deutet an, dass hier auch noch Alterungspotenzial vorhanden ist.
Mein Fazit: Man muss trockenem Muskat und seiner Trauben-Nuss-Art gegenüber aufgeschlossen sein, um diesen Wein schätzen zu können. Auch ist bei dem mediterranen Klima nicht wirklich ein leichtes und beschwingtes Tröpfchen zu erwarten. Davon abgesehen hat mir der Wein gefallen, und ich bin versucht zu sagen, dass es der erste türkische Wein ist, den ich nicht seiner Eignung als Speisenbegleiter, sondern seiner Eigenständigkeit wegen weiterempfehlen würde. Ein kleiner Wermutstropfen ist allerdings dabei: Ich habe zu viel für den Wein bezahlt. Ab Weingut gibt es ihn für 38 TL, bei Onlinemahzen für 45 TL, und ich habe 68 TL dafür hingeblättert. Naja, wird Euch nicht weiter bedrücken, nehme ich an.
Was ist Eure Meinung zu Muskatweinen jeglicher Art? Die waren ja mal schrecklich out. Gilt das immer noch so?
Sach’ ma Matze! Bist Du Masochist!? ;-))
Nicht ernst gemeint! Musste ich trotzdem mal loswerden…Schmunzel!
Soll ich Dir nen’ Paket Riesling in die Weindiaspora schicken? 😉
Herzliche Grüße Jens, der gerade Philippe Alliet Chinon Rouge 08 im Glas hat und dazu französischen Chansons hört über Unitymedia Kabel Digital………….
Nein Jens, ich bin ein ständig Suchender (nach dem besonderen Wein natürlich) 😉
Lustigerweise muss es hier tatsächlich einen kleineren Betrieb geben, der in Richtung Bulgarien auch einen Riesling keltert. Rajnski, nicht Laški, versteht sich. Mal schauen, ob ich den noch bekomme.
Ansonsten bin ich hier in Istanbul natürlich eher auf dem Explorationstrip, was Essen und Trinken anbelangt. Allerdings habe ich die Excel-Tabelle dabei von allen Weinen, die in meinem Keller noch schlummern. Da ist Philippe Alliet natürlich gut vertreten. Zum Glück laufen die nicht weg (oder aus). Chansons höre ich hier auch. Von Kazım Koyuncu. Aber wenn ich jetzt auch noch anfange, über Musik zu sprechen, hältst Du mich endgültig für plemplem 😉