Jetzt habe ich das schon für Paris gemacht, obwohl ich doch nur einen zusammenhängenden Monat dort war. Wie ungerecht. Berlin kenne ich natürlich viel besser, und deshalb möchte ich Euch hier vier Weinhandlungen vorstellen, in denen ich immer wieder gern einkaufe. Es ist schon seltsam: Auch wenn die Pariser Vielfalt in Berlin nicht erreicht wird, ist hier – weit entfernt von allen Weinbaugebieten (Wer hat da “Werderaner Wachtelberg” gesagt? Schäm Dich!) – die größte Weinszene in ganz Deutschland entstanden.
Weil ich jetzt keine Rangliste machen möchte, was ja auch wirklich Quatsch wäre, möchte ich Euch einfach meinen heutigen Weg beschreiben, zusammen mit einem für das Geschäft irgendwie typischen Wein, den ich dort erstanden habe.
Station 1: Weinladen Schmidt, U-Bahn Theodor-Heuss-Platz. “Der Weinladen” müsste eigentlich “die Weinläden” heißen, denn Schmidt ist so etwas wie eine Mini-Kette mit fünf verschiedenen Standorten. Das kann Vorteile haben: Ist ein Wein in Laden A ausverkauft, hat das ignorante Publikum in Laden B ihn vielleicht nicht wahrgenommen, und man kann ihn sich liefern lassen. Ich war heute in der Filiale Westend, weil es sich von der Streckenführung her anbot. Was mir hier gefällt, ist die unmissionarische, aber dennoch nachhaltige Art, die Kunden langsam an bessere und charakterstärkere Weine heranzuführen. Das Frankreich-Angebot ist, mit Verlaub, nicht doll, die deutschen Weine stehen aber sehr gut da. Für Freaks und Kenner gibt es an Besonderheiten (gelegentlich) die abgelagerten Größen von Koehler-Ruprecht, den Geheimtipp-Geheimtipp Henrik Möbitz aus Freiburg, die berlinweit einzige (oder täusche ich mich?) Verkaufsstelle für Weingart vom Mittelrhein, Vollenweider von der Mosel oder auch Hirsch aus dem Kamptal. Ich habe heute hier den Riesling Kastanienbusch Schiefer 2009 vom Weingut Siener aus der Pfalz für 17 € erstanden. Saftig, mineralisch, erfrischend unkonventionell, das passt auch zum Weinladen Schmidt selbst.
Station 2: Viniculture, S-Bahn Savignyplatz. Holger Schwarz scheint mir einer der wenigen Weinhändler nicht nur in Berlin, sondern auch in Deutschland zu sein, der in seinem Sortiment echte Experimente wagt. An deutschen Weinen gibt es hier unter anderem die Produkte von Holger Koch, von Sven Leiner, von Florian Lauer oder von Peter Jakob Kühn. Was französische, italienische oder spanische Weine anbelangt, lasst Euch ruhig beraten, es gibt da ein paar ganz feine Exemplare, auch von extremeren Zeitgenossen wie Sébastien Riffault, der Domaine Pignier oder Escoda-Sanahuja aus Katalonien. Ich habe mich heute für den Amphoren-Wein von Peter Jakob Kühn aus dem Jahrgang 2005 entschieden. Jawohl, für 45 €. Alles weitere zu diesem Wein, wenn ich ihn getrunken habe. Aber ich fand es konsequent, in dieser Weinhandlung auch das Profil auszureizen, das mir woanders nicht geboten wird.
Station 3: Hammer’s Weinkostbar, U-Bahn Südstern. Dies war mal ein Kiez, in dem die Wohnungen Außenklos im Treppenhaus hatten. Jetzt ist Kreuzberg hier genauso, wie man es sich wünscht, nämlich total durchmischt. Mitten drin der kleine Laden von Manuela Sporbert und Jürgen Hammer, die neue, selbstbestimmte Welt nach all den Medaillen, Sternen und Dienstbarkeiten davor. Jürgen meinte heute, in Paris oder Barcelona würde sich niemand über ein solches Konzept wundern, hier hätten sie es den Pioniergästen erst einmal erklären müssen: Ja, es ist eine Weinhandlung, aber es gibt auch fantastische Käse- und Wurstwaren zum Mitnehmen und zum sofortigen Verzehr, mittags eine Suppe, und alle Weine kann man sowohl mitnehmen als auch an Ort und Stelle süppeln. Mit anderen Worten: ein gastlicher Ort, wie er in jedem Buche stehen sollte. Die Weinauswahl ist naturgemäß darauf ausgerichtet, dass die Weine gut zum Essen passen. Und weil ich zwischendurch noch woanders war, ist hier erst einmal eine kleine Stärkung mit Rote-Bete-Suppe angesagt. An Trinkwaren gibt es zum Beispiel die knackigen Rheingau-Exemplare von Hajo Becker, die Franken mit LandArt und Max Müller, aber auch mal Weine, die in Deutschland sehr selten sind wie die slowenischen Karstler von Klinec, Yann Chave von der Nordrhône oder die Basken der Domaine Arretxea. Ich habe heute den Silvaner Volkacher Karthäuser Spätlese trocken 2008 von Max Müller I mitgenommen, weil Rainer Müller für mich zur Zeit mit die schönsten Speisenbegleiter herstellt – Franken-Silvaner halt.
Station 4: Wein & Glas, U-Bahn Güntzelstraße. Wein & Glas ist für mich der Laden in Berlin, der dem Pariser Ursprungskonzept einer Weinhandlung am nächsten kommt. Hier wird – wie bei Taillevent oder Legrand – viel Wert auf echte Beratung gesetzt, und die ist immer fachkundig. Trotz der für gewöhnliche Berlin-Besucher per Zufall kaum zu findenden Adresse gilt Wein & Glas so ein bisschen als der Platzhirsch in Berlin. Hier gibt es die Klassiker, aber auch jede Menge speziellerer Weine, für die man dann auch gern mal ein paar Euro mehr über den Tresen rollen lässt. Joh. Jos. Prüm und Egon Müller in guter Auswahl, aha, die Granden sind da. Darüber hinaus nenne ich mal die üblichen Verdächtigen wie Christmann, Wittmann, Schäfer-Fröhlich, natürlich auch Dönnhoff, Keller oder Fritz Haag. Außerdeutsch fängt der Spaß aber erst an: Romanée-Conti ist zu bestellen, Ridge komplett da – oder warum nicht die Vinothekfüllung von Emmerich Knoll? Ich habe mir hier den Orleans 2008 aus dem Rüdesheimer Berg Schlossberg von Theresa Breuer für 56,50 € mitgenommen. Das Etikett ist handgeschöpftes Büttenpapier, das ganze Projekt höchst unterstützenswert. Es gibt vielleicht 100 tolle Rieslinge in Deutschland, aber nur einen Orleans (und demnächst hier auch einen Heunisch).
Natürlich fallen mir spontan noch etliche Weinhandlungen ein, die ich im Laufe der Zeit auch mit großem Gewinn besucht habe. Zur Vinothèque du Sommelier in Wilmersdorf brauche ich kaum etwas zu sagen, schaut Euch besser die Weinliste an. Bordeaux und Burgund galore, aber auch die Stars der Rhône oder die krassen Lager-Sauvignons von Cotat. In der Weinhandlung Cava wird endlich mal gezeigt, was der griechische Wein alles so zu bieten hat. Gibt’s in dieser Form nirgends sonst in Deutschland. Genauso einmalig ist das Portugal-Angebot der Weingalerie; wer hier alle Weine kennt, ist ein Lügner oder Gott. Wein & Vinos, die kleine Kette, tischt fast alles aus Spanien auf und besitzt auch – wie übrigens die meisten hier genannten Händler – einen beeindruckenden Internet-Shop.
Ich muss zugeben, dass ich extrem selten bis gar nicht Weine im Internet bestelle. Mir gefällt einfach der Kaufvorgang, das Plaudern, das Empfehlen, das Entscheiden, das Umentscheiden – und irgendwie auch das gleichzeitig großartige wie peinliche Gefühl, schon wieder viel mehr (Gutes) gekauft zu haben als vorgesehen.
Wann immer Ihr in Berlin seid, besucht einen dieser Läden. Oder alle, Ihr werdet nicht enttäuscht sein. Wie sieht’s aus, kauft Ihr primär beim Winzer, beim Händler oder im Internet?
Nochmal ein schöner Servicebeitrag, vielen Dank dafür. Ich hätte der Liste noch die Weinhandlung im Willy Brandt Haus hinzuzufügen, die ich zumindest vor einigen Jahren bei Berlin-Besuchen gerne aufgesucht habe. Knipser war da schon sehr früh und vor allem vollständig vertreten und auch Müller-Catoir mit nicht ganz so weit verbreiteten höheren Prädikaten bis herauf zur TBA (eine RieslanerTBA sollte man mal probiert haben!).
Wie Deine Frage nach dem eigenen Kaufverhalten betrifft, so kaufe ich inzwischen – nach Jahren des reinen Internet-Kaufs – wieder viel im Fachhandel, aber auch direkt vom Winzer. Dazu gesellen sich dann noch spontane Einkaufs-Gemeinschaften, die sich sporadisch bei Entdeckungen innerhalb von Weinproben bilden.
Von der Willy-Brandt-Handlung habe ich auch schon gehört (und jetzt nachgeschaut). Da sind ja auch ein paar schön gereifte Flaschen dabei, z.B. die Rieslaner-Auslese 1998 von Müller-Catoir. Nicht schlecht. Ich hoffe, das sind nicht nur längst verkaufte Restbestände, die sie einfach vergessen hatten auf der Website zu löschen… Zu Berlin im Allgemeinen habe ich ja ein etwas gespaltenes Verhältnis, aber was die Ausstattung mit Wein anbelangt oder auch die kulinarischen Möglichkeiten, da gibt es wahrscheinlich in der Breite nichts Vergleichbares in Deutschland.
Hallo Matze,
wider ein sehr gelungener Artikel von Dir. War vor zwei Wochen in Berlin und wollte zu Hammers gehen und stand aufgrund von Betriebsferien vor verschlossener Tür…
Du hast das Kadewe nicht erwähnt, gut, ist ja keine eigenständige Weinhandlung. Ich war aber über die große Auswahl von deutschen Weinen positiv überrascht. Wie bei vielen Kaufhäusern waren die Preise jedoch aus meiner Sicht heillos überteuert. Enttäuscht war ich vom Angebot in der Galeries Lafayettes; nahezu ausschlisslich französische Weine, wovon man ja bei einem französischen Kaufhaus ausgehen kann, ein wenig mehr Auswahl außerhalb Frankreichs hätte ich mir persönlich doch gewünscht.
Von Knipser gibt es übrigens einen sehr vorzüglichen Gelben Orleans, der um einiges preisfreundlicher als der von Breuer ist…
Ich kauf meine Weine hauptsächlich im Internet, da es in meiner Umgebung hier leider keinen empfehlenswerten Weinhändler gibt und das nächste Weinanbaugebiet recht weit weg ist. Bis auf wenige Ausnahmen habe ich damit bisher Glück gehabt.
Grüße und weiter so!
Karim
Hallo Karim,
die Hammers waren in Kambodscha und haben sogar in Phnom Penh ein gutes Weinangebot vorgefunden – wohl wegen der vielen Expats dort. Das KaDeWe hat wirklich eine sehr große Auswahl und immer ein paar Knüller, aber die sind so unverschämt teuer (also mindestens 20% über Weinhandlungspreis), dass ich das nicht unterstützen möchte. Die Galeries Lafayette in Berlin scheinen mir seit einiger Zeit in einer gewissen Krise zu stehen. Ich sehe dort seit drei oder vier Jahren dieselben (!) Flaschen in den Regalen. Das hatte mal ambitioniert angefangen, und die großen Weine von Alphonse Mellot oder Tissot oder auch die Beaujolais von Jean-Paul Brun, das ist an sich sehr beachtlich. Aber so lange in dieser trockenen Hitze? Ist in Paris mittlerweile genau dasselbe, ich hab da auch nichts gekauft.
Was den Orleans von Knipser anbelangt, vielleicht werde ich ihn auch kaufen, aber das ist definitiv ein anderes Kaliber als der von Breuer – und nicht nur des Preises wegen. Manchmal verderbe ich mir halt in vollem Bewusstsein den sanften Einstieg 😉
Ich habe auch eine ganze Zeit lang im Internet bestellt, Ende der 90er angefangen bei der Weinzeche und später dann bei K&U. Zufrieden war ich auch immer, und es ist schon großartig, was man dadurch so “auf dem Land” alles angeliefert bekommen kann. Mittlerweile mag ich aber auch sehr gern den Weinhändlern und ihrer Philosophie direkt zuhören (weshalb ich auch keinen Spaß daran hätte, im Supermarkt oder bei Jacques einzukaufen). Es gibt da echt ein paar Originale, die mich in ihrer unverblümten Art immer wieder begeistern…
Viele Grüße, ich zähle schon die Stunden bis Istanbul, Matze
Hallo Chezmatze, Deine Kommentare sind gut, aber wo gibt es denn den Didier Dagueneau zu kaufen. Ich wohne in Giessen, aber die Post findet trotzdem meine Adresse.
Karl
Hallo Karl,
meine eigenen Dagueneaus habe ich von Martin Kössler (www.weinhalle.de) und von David Michel (www.cavedesoblats.com). Ersterer führt sie aber glaube ich nicht mehr, Zweiterer ist in Belgien, also eher etwas kompliziert.
Ansonsten habe ich die Weine von Didier Dagueneau auch bei Bernd Kreis gefunden (http://shop.wein-kreis.de/wein/frankreich_loire_domaine_didier_dagueneau_saint.html) und bei Adrien Schmitt (http://www.vinotheque.de/110214/vinotheque2011_05.pdf). Die Weine sind aber immer ziemlich rar, und es empfiehlt sich, da vorher anzurufen. Als Beweis sozusagen, dass man wirklich an den Weinen interessiert ist. Gelegentlich stauben die nämlich die Mitarbeiter ab 😉
Ich nehme an, Du kennst die Weine von Didier Dagueneau, denn sie sind schon preislich und aromatisch in einer besonderen Liga. Sehr trocken, viel Apfelsäure, teils vif (Buisson Renard), teils spröde (Silex), aber immer sehr charakterstark. Ich persönlich würde sagen, man verpasst etwas von dem, was die Weinwelt an starken Charakteren zu bieten hat, wenn man sie nicht probiert. Also: Erst mal viel Erfolg… und dann viel Spaß!
Viele Grüße, Matze