Liebe Freunde, der Adel steckt in der Sinnkrise. Der englische Thronfolger ist einer Bürgerlichen verfallen, die deutsche Verteidigungsministerin macht eine Show im Privatfernsehen, und jetzt auch noch Don Mendo: Ein alteingesessener spanischer Edelmann, der sich im Supermarkt für einen Euro achtzehn verhökern lässt. Kann ich das gutheißen oder muss ich weinen? Seht selbst (und lest den Artikel bis zum Ende; es geht nicht nur um diesen Wein):
Um vielleicht erst einmal etwas Klarheit in diese diffuse Ankündigung zu bringen: Der Don Mendo Joven ohne Jahrgang aus dem spanischen Anbaugebiet Cariñena stammt von der Winzergenossenschaft “Bodegas San Valero” und besteht je zur Hälfte aus den Traubensorten Garnacha und Tempranillo. Wenn das allerdings Adel sein soll, dann derart bodenständig, dass er selbst die Bodenkrume mit der Hacke bearbeitet.
Was die Qualitäten des Weins anbelangt, habe ich sie im Video schon ausreichend gewürdigt: Es ist ein absolut genießbarer Wein, rot, beerenfruchtig, saftig, trocken, leichtes Tannin noch und auch eine etwas unharmonisch beißende Säure (zugesetzt?), aber für 1,18 € bekommt man anderorten noch nicht einmal Wasser der Hahnmarke. Hier hingegen gibt es Glasflasche, Kork und Etikett quasi gratis zum eigentlichen Produkt dazu.
Meine Punkte sind entsprechend: 2 für Charakter, 4 für Eleganz, macht – unlogisch aber wahr (schaut besser noch mal in der Blog-Titelzeile unter “Matzes neue Weinbewertung” nach) – 10,5 MP. Unter zehn Punkten ist ein Wein fehlerhaft, unter sieben gröbstens fehlerhaft, und darunter folgt nur noch diese grauenhafte, angegorene Hefestinkerei, die ich aus Testgründen mal bei einem Winzer probiert habe. Alles das ist dieser Wein hier nicht. Kein Charakter, keine Schmeichelei, aber definitiv gut trinkbar.
So. Was uns aber bei diesem Weintest viel mehr interessiert, ist der Preis. Oder vielmehr, wie ein solcher zustande kommen kann. Oder noch vielmehr, ob das ohne Subventionen überhaupt geht. Letzteres weiß ich ehrlich gesagt nicht, aber ich möchte Euch hier ein paar Punkte zum Bedenken und Diskutieren geben, die mir dazu eingefallen sind:
Der erste ist ziemlich klar: Wir befinden uns immer noch in der Marktwirtschaft. Irgendwo und an irgendwen muss dieser Wein also Geld abwerfen. Bei diesem Preis ist allerdings klar, dass die Gewinnmarge pro Flasche extrem gering sein muss.
Der Supermarkt – das ist kein Geheimnis – drückt wahnsinnig auf die Preise. Wer auch immer von Euch Winzern jemals versucht haben sollte (sehr unwahrscheinlich allerdings), in das Portfolio eines gewöhnlichen Supermarkts oder – noch schlimmer – in das eines Discounters aufgenommen zu werden, der weiß, was Preiskampf bedeutet. Hier geht es nicht um Euros, sondern um Bruchteile von Cents, weil halt die Menge das Geschäft macht und nicht die einzelne Flasche. Ein brutales Geschäft für den Erzeuger, und – ich sag’s mal ganz klar – wir als Generation Schnäppchenjäger, der ein okayes Produkt nicht billig genug sein kann, tragen eine nicht geringe Mitschuld. Denkt vielleicht nächstes Mal wenigstens ein bisschen daran, wenn Ihr zu einem Supermarkt geht oder zu einem Einzelhändler, WEN Ihr mit Eurem guten Geld am meisten unterstützen wollt.
Die zweite Sache hat mit der ersten zu tun und betrifft die Herstellungsbedingungen. Ein Wein, bei dem der Supermarkt schon kaum Gewinn macht, wird naturgemäß beim Hersteller auch nicht viel abwerfen. Es sei denn, er hält seine Kosten extrem niedrig. Konkret bedeutet das im Weinbau: hoher Ertrag, also kein Auslesen; viel Pestizid-, Fungizid- und ähnlicher Einsatz, damit beim Ertrag auch nichts dazwischen kommt; hoher Technikeinsatz auch beim Ernten, denn der Vollernter ist halt günstiger als der Pflücker; sollte das nicht der Fall sein, gibt es konsequenterweise Hungerlöhne für die Arbeiter im Weinberg. Weil das mit einheimischen Arbeitern in aller Regel nicht mehr geht, nimmt man dann die, die schlechter organisiert sind. In Spanien gibt es dafür ein Heer von Glücksuchenden ohne Aufenthaltsstatus, die deshalb auch nicht auf die Idee kommen würden sich zu beschweren.
Im wahren Leben und auch bei einer Genossenschaft wie der hier existierenden haben wir es aber selten mit solchen Schwarz-Weiß-Mechanismen zu tun. Oft sind die Bauern auch nur Kleingrundbesitzer und müssen sehen, wie sie über die Runden kommen. Und wir, die wir prozentual in der Geschichte der Haushaltsstatistik noch nie weniger für Lebensmittel ausgegeben haben als heute, wir unterstützen mit unserem Billigwahn derartige Verhältnisse.
Aber halt. Wein ist doch gar kein Lebensmittel, sondern ein Genussmittel. Finden wir, und der Gesetzgeber unterstützt uns auch dabei. Und da kommen wir zur Kehrtwende und zu dem Punkt, der meine Tirade nicht so fürchterlich arg moralinsauer erscheinen lässt:
Für uns in Mitteleuropa ist Wein ein Genussmittel, ähnlich wie Kaffee oder Schokolade. Als Lebensmittel würden wir rein mental Obst, Gemüse, Wasser, Milchprodukte oder Brot bezeichnen. Vielleicht auch Bier. Bier kostet einen Bruchteil von Wein, und das liegt möglicherweise daran, dass es kulturell über die Jahrhunderte eher als Lebensmittel geprägt wurde – vielleicht weil es aus Getreide stammt. Die Spanier und auch alle anderen Mediterranen würden das möglicherweise ganz anders sehen: Traditionell zählten dort nämlich neben dem Brot Olivenöl und Wein zu den Lebensmitteln. Auf dem Tisch der Bauern stand ganz selbstverständlich der Krug mit Wein. Und aus diesem Verständnis heraus kann man auch einen “billigen Hauswein” ganz anders betrachten, nämlich als Puzzleteil, ohne dass das kulturell tradierte Erscheinungsbild nicht komplett wäre.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass das bei diesem Wein auch eine nicht unerhebliche Rolle spielen könnte. Ein Indiz dafür ist zum Beispiel das komplette Fehlen irgendwelcher Marketingmaßnahmen. Nirgends habe ich eine Werbung für diesen Wein gesehen. Noch nicht einmal im Peñín, der im Prinzip fast alles auflistet, was an Wein in Spanien produziert wird, ist dieser hier erwähnt. Vielleicht ist der Don Mendo ja nur für ein paar Supermärkte auf die Flasche gezogen worden und fristet ansonsten ein gar nicht so trauriges Dasein als Fasswein für Bauern und Wirte von Cariñena.
Dass mir Billigweine trotzdem nicht gefallen, vor allem solche aus dem Supermarktregal, bleibt als Prinzip allerdings bestehen (genauso wenig übrigens wie reine Spekulationsobjekte, doch dazu mehr an anderer Stelle). Das Problem dabei ist nämlich, dass ich eben nicht weiß, wie der Herstellungskontext aussieht. Das weiß in der Regel keiner der Verbraucher, und ein Händler hat wenig bis gar kein Interesse daran, das zu ändern. Solche Vertuschungsmechanismen gefallen mir schon bei anderen Produkten nicht. Bei Wein, der für mich auch immer etwas mit regionaler Kultur, mit Landschaft, einfach mit Persönlichkeit zu tun hat, erst recht nicht. Und um es ganz klar zu sagen: Es gibt keine echten Schnäppchen. Irgendwer zahlt immer drauf. Garantiert.
Auch wenn der Kommentar 2 Jahre zu spät kommt, aber an der besprochenen Sachlage hat sich ja nichts geändert. Danke, daß das mal so gesagt wurde. Wäre vielleicht noch schön gewesen deine persönliche Einschätzung zu erfahren, ab welchem Preis Du denn Wein für vertretbar hälst oder für Ernst zu nehmend.
Ernte,Flasche, Etikett, Kapsel, Korken, Abfüllung und Transport grob veranschlagt 1 Euro, dann noch die Marge von Zwischenhändler/Endverkäufer. Optimistisch gesehen bleiben da bei 1,18 noch 9 cent für den Winzer. Wenn er 80ha mit 80hl/ha verarbeitet hatte, sind das trotzdem noch ca. 77Tsd. Euro. Ist doch garnicht so schlecht. Allerdings wären dann auch ca. 853Tsd. Flaschen an den Mann zu bringen. Geht bei einem Discounter mit 4500 Filialen (macht 190 Fl. pro Filiale die 223 Euro in die Kasse bringen) doch an maximal zwei Tagen weg – bei dem Preis. So kann man Klasse mit einem Billigstprodukt einen Tagesumsatz(gesamtfilialen) von etwas über 500000 Euro machen bei 38500 Euro Roh-Gewinn.
Das mit dem Preis ist natürlich schwer zu sagen, da es eine ganze Menge Variablen gibt, die man einbeziehen kann. Ein marketingmäßig gepushtes Produkt muss bei derselben Qualität immer einen höheren Preis haben, weil diese Kosten natürlich zu Buche schlagen. Der Don Mendo kann unter den gegebenen Herstellungsbedingungen ganz ohne Zweifel günstiger im Endverbraucherpreis sein als ein ähnliches Produkt aus einem Land mit höheren Herstellungskosten und/oder von einer Firma, die Fernsehwerbung betreibt. Ich persönlich halte die Fünf-Euro-Grenze so ganz grob für vernünftig. Was aber nicht heißen soll, dass darüber alle Weine gut sind ;).