Bangkok step one: die Parallelwelt

Vor einiger Zeit stand ich am Flughafen von Istanbul, nachdem ich in dieser großartigen Stadt einen ganzen Monat verbracht hatte (hier noch mal die Links zu meinen meistgelesensten Artikeln seinerzeit, Streetfood und Fisch). Natürlich hatte ich gehofft, dort ganz zum Abschluss noch einmal eine der vielen türkischen Spezialitäten essen zu können. Aber nichts. Am Flughafen gab es belegte Brötchen, Burger und Bier. Kein türkisches Essen. Da ist mir der Gedanke gekommen, was Globalisierung auch bedeutet: das Schaffen von Räumen, die abgeschottet sind von ihrer (lokalen) Umgebung und überall auf der Welt gleich aussehen.

Das sind nicht nur die McDonalds-Filialen, die ja genau damit werben, überall auf der Welt denselben Geschmack zu verbreiten. Der BigMac als räumliches Kontinuum sozusagen. Das sind nämlich neben den Flughäfen auch viele Hotels. Auf diese Weise habe ich meine ersten zwei Tage in Bangkok mit Kollegen aus fast allen Kontinenten verbracht, in der ruhigen, unhektischen, klimatisierten und umsorgten Fünf-Sterne-Parallelwelt.

Was ich dort von meiner Umgebung nicht mitbekommen habe, ist mir gerade erst bewusst geworden, als ich nur wenige Skytrain-Stationen weiter in meine neue Unterkunft umgezogen bin: die feuchte Hitze, die mich nach zwei Stockwerken Koffer schleppen (hoch zur Skytrain-Station) bereits die nächste Dusche herbeiwünschen ließ; zwei Verkehrsunfälle auf der Straße innerhalb weniger Meter; Geräusche und Gerüche von Straßenständen mit Thai-Pop und gebratenem Allerlei; die Sandsäcke vor allen öffentlichen Gebäuden, die darauf hindeuten, dass auch von offizieller Seite mittlerweile zugegeben wird, dass die Flut kommen kann.

Aber zurück zu meinem Luxus-Konferenzhotel. Dass wir uns in einer Parallelwelt befanden, die von der Wirklichkeit um sie herum so abgeschnitten ist wie wahrscheinlich alle Expat-Gemeinden – besonders in Krisengebieten – das war klar. Aber dadurch, dass sich hier morgens zum Frühstück Gäste aus allen Teilen der Welt laben wollten, gab es ein Angebot, das ich so noch nie gesehen hatte. Am ersten Morgen war ich vom langen Flug und der Zeitumstellung offenbar noch ein wenig verschlafen. Halb aus Sentimentalität wegen des kurzen England-Trips vor zwei Wochen und halb aus Schusseligkeit hatte ich mir nämlich ein veritables Full English Breakfast aufgetan. Hätte ich um die Ecke geschaut, hätte ich realisiert, dass dies erst ein Fünftel des Frühstücksbuffets war.

Am zweiten Morgen habe ich mich für die chinesische Variante entschieden. Verschiedenste kleine Köstlichkeiten, denen man von außen ihren Geschmack nur schwer ansehen konnte. Das ist ohnehin das Problem bei einem Buffet, weshalb ich nicht der allergrößte Freund derartiger Einrichtungen bin. Ein Koch wäre zum Beispiel in der Lage gewesen, mir einen harmonisch abgestimmten chinesischen Teller zusammenzustellen. Oder einen Thai-Teller oder einen Vietnam-Teller oder einen Indien-Teller und was es dort sonst noch so alles gab. Wenn man aber zehn verschiedene chinesische Häppchen in Unwissenheit der Gepflogenheiten selbst auf den Teller lädt, dann kann das Ergebnis mitunter ungewollt dissonante Züge tragen. Ich kam mir vor wie ein ebenso hilfloser Chinese in Deutschland, der sein Hackbrötchen mit Himbeermarmelade bestreicht.

Am dritten Morgen ging ich dann zu den Thai-Spezialitäten über. Und ich muss sagen, Hut ab, eine derartige Schärfe – hier meist wohlwollend mit “spicyness” umschrieben – hätte ich diesem Ort gar nicht zugetraut. Dennoch war natürlich das Essen alles andere als wild, genauso wenig wie der abendliche Meeting-Ausklang auf der Hotelterrasse mit Pool. Ich hätte zum Beispiel gern den nächsten Morgen mit laotischer Suppe gestartet wie mein Kollege aus Indonesien. Auf die japanischen Häppchen musste ich ebenso verzichten wie auf die Pancakes mit Ahornsirup. Aber auch ich habe schließlich nur einen Magen, und Völlegefühl ist etwas, auf das ich bei neun Stunden Permanentsitzen und Vortragslauschen gern verzichten kann.

Für mich geht das eigentliche Bangkok-Abenteuer jedenfalls jetzt erst mit “step two” aus der Überschrift los: dem Umzug in eine Welt, in der man die Fenster öffnen kann. Trotzdem war die Zeit im Luxushotel natürlich höchst interessant. Nicht nur des Fingerfoods wegen. Nein, auch wegen der Reflexionen, ob die Expat-Welt der Hilfsorganisationen, Militärberater und entsandten Firmenmitarbeiter eher ein großspuriges neokolonialstisches Gepräge zeigt oder allein durch die Schaffung von Service-Arbeitsplätzen für Einheimische einen großen Wert besitzt. Oder aber beides.

Zum Abschluss noch eine Frage an Euch. Da ich jetzt ja frei herumlaufen kann, aber zum ersten Mal in Bangkok bin: Was ist der eine Ort für Euch, den ich auf keinen Fall auslassen darf? Bislang habe ich mir nur vorgenommen, ein bis zwei Märkte zu besuchen und ansonsten einfach irgendwo hinzufahren und herumzustreunen.

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14 Antworten zu Bangkok step one: die Parallelwelt

  1. katha sagt:

    konsultiere vorerst mal http://www.austinbushphotography.com/category/foodblog/ bzw. vielleicht ist er grade in bangkok (wenn er nicht irgendwo im land unterwegs ist) und du kannst dich sogar mit ihm treffen? sein blog hatte ich mir damals (ist dreieinhalb jahre her) ausgedruckt (!) und spiralisiert (!) mitgenommen – das war noch vor iphone und leistbaren datentarifen. es war gewiss unsere wichtigste quelle für essen in bangkok (wir waren zwei mal dort, insgesamt 10 tage).
    not to miss: yaowarat (chinatown) – unbedingt abends/nachts, seafood in der soi texas, diese und viele weitere food stalls siehe austin bush
    eines meiner lieblingslokale ist das tida esarn nahe der skytrain-station victory monument – dort gibt’s eine große auswahl verschiedener papayasalate, sehr guten fisch und wahnsinnige nette gastgeber. (http://www.esskultur.at/index.php/katharina-seiser/ – auf dem foto links unten zeigen sie mir, wie sie som tam machen.)
    außergewöhnlich gute currypasten gibt’s bei nittaya, alleine das altmodische geschäft ist sehenswert, rundherum straßenmarkt. wüsste ich, wie wir uns dann, wenn du zurück bist, treffen könnten, würde ich dich bitten, mir rote currypaste mitzubringen 😉 (die schmeckt mir nämlich fast besser als meine selbst gemachte…) (http://www.esskultur.at/index.php/2008/02/28/wie-wars-in-thailand/ – auf dem zweiten foto links sind eine menge davon zu sehen.)
    chatuchak kannst du dir schenken (ich verstehe den hype drum nicht), die kleineren märkte in der stadt halte ich für viel interessanter. der blumenmarkt nahe little india hat mich auch beeindruckt. mir fallen gerade leider all die namen nicht ein, aber wenn wieder was auftaucht, melde ich mich. wie lange bist du vor ort?

    • chezmatze sagt:

      Wow, das sind ja großartige Tipps! Wäre ich nicht nur noch zwei Tage hier und ein wenig angeschlagen (die blöde, ununterbrochen laufende Klimaanlage im Hotel hat mir tatsächlich ein ordentliches Halsweh mitgegeben), ich würde am liebsten ALLES ausprobieren. Ich glaube, ich votiere heute für den Papaya-Salat. Ich brauch jetzt was Scharfes für meinen Rachen. Auf zu Tida Esarn! Vielleicht komme ich morgen auch zu Nittaya. Ich habe morgen nämlich noch ein Arbeitstreffen, das laut Stadtplan gar nicht so weit entfernt liegt. Sollte das funktionieren, mail ich Dir nachher;)

      Ansonsten war ich heute doch beim Chatuchak Market, weil ein hier lebender Engländer zu mir gemeint hat, ich müsste da auf jeden Fall hin, auch wenn es die Nr. 1-Lonely Planet-Destination ist. Bericht folgt… Der Markt, den ich gern noch besuchen würde, ist der Khlong Toei Market. Habe diesen Artikel darüber gefunden (http://douginbangkok.blogspot.com/2010/09/khlong-toei-market.html), und ich denke, das müsste mir liegen. Allerdings macht der eigentliche Markt schon um zwei Uhr nachts auf und um zehn Uhr vormittags schon wieder zu. Ein Markt für Restaurants also, nicht für Touristen.

  2. katha sagt:

    wobei, wenn ich mir die aktuellen nachrichten so anschaue, hast du evtl. andere sorgen. möge die sache glimpflich ausgehen.

    • chezmatze sagt:

      Ja, die Flut ist mittlerweile beim Don Muang-Flughafen angekommen, wo ich beim letzten Mal noch umgestiegen bin (als ich aus Vientiane kam, von Bangkok hatte ich nichts gesehen). Die Nachrichten sagen, dass die kritischste Phase jetzt nach dem 28. Oktober ansteht, wenn die Springflut erwartet wird, die das normalerweise recht niedrige Wasser ins Landesinnere drückt. Diesmal gibt es aber Druck von beiden Seiten… Zum Glück bin ich dann schon wieder weg, aber die Flut ist natürlich das alles beherrschende Thema hier. Die Solidarität ist aber wirklich groß, es gibt viele freiwillige Helfer, und Spenden werden auch reichlich gegeben. Etwas beunruhigt hat mich nur, dass mehrere LKWs vor das Nationalstadion gefahren sind und erst einmal jede Menge Sandsäcke abgeladen haben. Das liegt nämlich praktisch direkt vor meiner Haustür…

  3. Hallo Matze,
    Ich war noch nie in Bangkok (wird sich aber noch ändern!), habe aber schon eine genaue Vorstellung, was unbedingt sein muss: Bitte iss für mich einmal sticky rice with mango, probier die Garküchen bei der U-Bahn-Haltestelle Lumpini und iss einmal im Celadon Bananenblüten-Salat!

    • chezmatze sagt:

      Im Lumpini Park wollte ich eh noch etwas spazieren gehen – nach meinem für Dienstag geplanten Khlong Toei-Besuch. Aber schaun wir mal, wie sich die Dinge hier entwickeln.

  4. katha sagt:

    lustig, küchenschabe, wir waren im celadon, weil ich auch geglaubt hatte, dass das unbedingt sein muss. muss es nicht. diese art von essen hat uns ziemlich enttäuscht. an jedem guten straßenstand isst man die einzelnen gerichte besser als in den luxushotelrestaurants. zahlt sich nicht aus.

  5. @ katha
    dankeschön! wenn ich es mal schaffe, den mitkoch zu einer bangkok-reise zu überreden, werd ich dich sowieso vorher löchern, damit ich ganz viele tipps bekomme ;-))

  6. jens sagt:

    Hi Matze!

    Nur noch so kurz in Bangkok? Bleibst Du denn im Land oder musst Du schon wieder weiter? Es gibt sicherlich einige Dinge die man in Bangkok noch machen kann. Auch wenn das vielleicht alle Touris machen, aber die vielen Tempel in der Stadt sind einen Besuch wert. Die Ruhe darin, inmitten dieser hektischen Umwelt, habe ich immer genossen. Eine Fahrt mit dem Longtailboat durch die Klong’s eröffnet ebenfalls eine völlig neue Sicht auf die Stadt. Und einen Ausflug nach Aythaya sollte man eigentlich auch machen.

    • chezmatze sagt:

      Ja, ich muss wieder zurück. Eigentlich war ich ja nur wegen der Tagung hier, konnte dann aber noch ein paar Tage dranhängen. Mir hat seinerzeit die Stimmung in den Tempeln auch immer sehr gut gefallen, vielleicht komme ich morgen mal an einem lohnenden vorbei. Wenn Du übrigens die Königsstadt Ayutthaya meinst, die ist leider seit einer Woche komplett unter Wasser. Die Provinz hat es sogar mit am schlimmsten erwischt 🙁

      • jens sagt:

        Upps!!! Ja genau die meinte ich! Ok! Dann wird das ja nichts. Das ist natürlich ne totale Strapaze für nur ein paar Tage nach Thailand zu fliegen. Aber was solls’. Du hast sicher nen’ paar tolle Eindrücke mitgenommen. Wo geht es den nun hin? Wenn Du etwas länger in Deutschland bleibst müssen wir unbedingt mal was zusammen trinken. Meld Dich einfach.

        Grüße Jens

        • chezmatze sagt:

          Naja, noch bin ich ja hier. Mein Flug geht erst am Mittwoch. In Köln zurück bin allerdings erst so um den 1. November herum. Dann meld ich mich mal. Langsam hab ich übrigens das Gefühl, dass Du ein verdeckter Lonely Planet-Autor bist – oder gar noch schlimmer. Überall wo ich hinreise, bist Du auch schon gewesen 😉

  7. jens sagt:

    Hi Matze!

    Oder gar noch schlimmer!? Mach Dir keine Sorgen! Bin nur halt schon etwas rumgekommen in der Welt. Das ist alles. Ich besitze noch nicht mal einen Lonely Planet Reiseführer. Ich hatte damals bei meinem ersten Aufenthalt in Bangkok und Umgebung dass Glück, dass ich eine private Reiseleiterin hatte. Die Dame war die Sekretärin des Geschäftspartners meines Vaters und die hat mich morgens im Hotel abgeholt und wir sind durch Bangkok und auch so in einem Umkreis von 150 Kilometern um die Stadt rumgefahren und sie hat mir viel sehenswertes gezeigt. Gegessen haben wir Mittags oft am Straßenrand sehr einfach und dann Abends eher opulent mit vielen Leuten in den Tophotels, oder wir waren privat eingeladen. Das war natürlich auch immer super – aus kulinarischer Sicht.

    Grüsse Jens

  8. utecht sagt:

    Lese das leider erst jetzt – sonst hätte ich Dir noch zwei Globalisierungsgeschenke mit auf den Weg gegeben: Ich aß das beste Sushi meines Lebens in Bangkok. Und auch großartig indisch.
    Beim nächsten Mal…

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