Der wirklich ernsthafte Kölsch-Test

Kölsch, das ist nur in zweiter Linie ein charakteristischer, obergäriger Bierstil. In erster Linie ist es eine Weltanschauung. Der Kölsche liebt das Kölsch, weil es nur aus Köln kommen darf und weil es so schön spritzig ist. Der Unkölsche verspottet das Kölsch, weil sich gesetzlich reglementierte Herkunft und dünne Industriebrause nur in Köln derart die Hand geben können, und weil sich die Spritzigkeit durch die enorme Verdunstungsneigung des Kölsch bereits vor dem ersten Schluck erledigt hat. Alles üble Polemik? Ich habe mir hier fünf Kölsch vorgenommen, die zu den besseren Vertretern ihres Standes gehören.

Nummer 1: Mühlen Kölsch. Eine mittelgroße Brauerei mit 37.500 hl Ausstoß pro Jahr. Lokale mit Mühlen Kölsch sind tendenziell mitteljung und rockig. Dialekt spricht man hier keinen. Das tut dafür das Bier selbst: breites Mälzisch, aber immer mit diesem würzigen Kiekser in der Stimme. Dennoch habe ich das Gefühl, dass es früher (wie alles andere) besser war, inhaltsreicher, sattere Akkorde. Dennoch gut: Platz 2.

Nummer 2: Reissdorf Kölsch. Mit 638.000 hl Ausstoß pro Jahr die größte der unabhängig gebliebenen Brauereien. Ein kölscher Traditionsklotz, flüssiges Karnevalisten-Brot. Im Vergleich zum Mühlen gleich wesentlich zitroniger, heller, frischer, aber das ist nur relativ, denn später kommen leichter Hopfen und eine gewisse Nachhaltigkeit. Weil es schwerer in die Gänge kommt, beim ersten Antrunk nur auf Platz 4.

Nummer 3: Hellers Wiess. Die mit Abstand kleinste Brauerei hier, weniger als 5.000 hl pro Jahr. Hellers ist das Kölsch mit dem Biosiegel. Außerdem ist die “Wieß” der unfiltrierte Vorläufer des Kölsch. Ein kiffender Bekannter von mir aus Oberfranken hat hier mal gelernt. Also alles etwas alternativer hier. Das Bier schmeckt mir gut, vielleicht weil es dank der Trübheit weniger steril wirkt. Malz und Koriander. Platz 1.

Nummer 4: Gaffel Kölsch. Eines der drei großen Traditionshäuser neben Reissdorf und Früh. 460.000 hl Ausstoß pro Jahr. Ich kenne allerdings niemanden, der Gaffel als sein Lieblings-Kölsch bezeichnen würde. Es gilt trotzdem als “anständig” und verhält sich auch so: mit Abstand am dünnsten von der Materie her, dann aber feiner Hopfen. Würde gegen Sester, Dom und Konsorten sicher gewinnen, hier aber nur Platz 5.

Nummer 5: Braufactum Colonia. Der große Unbekannte aus der Radeberger-Dynastie. Kein Kölsch, sondern “rheinisches Bitterbier”. Ist aber vielleicht trotzdem in Köln gebraut worden, denn Brauer D. Maiwald könnte der Elefant von A. Maiwald (“die Maus”) sein. Während Radeberger ansonsten eher für das Kölsch-Prekariat verantwortlich zeichnet, ist hier viel Schmackes drin. Zu Anfang jedenfalls. Mit Abstand der meiste Hopfen, bietet als einziges auch eine Ahnung von Abgang, trinkt sich dafür aber auch ein wenig unkomfortabel. Für so viel Vorn und Hinten überraschend mager in der Mitte. Eine andere Interpretation von Kölsch, die ich begrüße, aber noch ein wenig im Stadium des Experiments. Platz 3.

Soweit also die ersten Testergebnisse. Was passiert aber mit unserer obergärigen Spezialität, wenn man sie nicht in einem Zug leert? Nach einer Viertelstunde im Glas – währenddessen habe ich den Gaskocher angeworfen und in Nullkommanix ein exotisches Hühnchen-Curry gezaubert – würde ich eventuell die Platzierung noch einmal umwerfen. Erste Erkenntnis: Kölsch steht wahnsinnig schnell ab. Zugegeben, das ist bahnbrechend neu. Zweite Erkenntnis: Das Reissdorf hält sich am besten. Das Heller’sche Wieß hat zwar als einziges noch einen vernünftigen Spund zu bieten, aber die Aromen erscheinen ziemlich ausgeblichen. Auch das Mühlen ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Das Gaffel war immer schon dünn, das Braufactum ist es interessanterweise auch geworden. Da hilft auch der Hopfen nicht mehr.

Mein Fazit: Kölsch bleibt Kölsch wie es singt und lacht. Oder so ähnlich. Ein Kölsch nach derzeitiger Brauart hat relativ wenig Gehalt, dafür aber viel zitronige Frische. Wer diese Phase nutzen möchte, sollte kleine Gläser ordern und sich auf Hellers Wieß oder Mühlen Kölsch stürzen. Wer ein Trinker von Welt ist und 3,49 € für eine 0,33 l-Flasche übrig hat, kann sich mehr Hopfen mit dem Braufactum Colonia einkaufen. Wer hingegen viel quasselt und kaum zum Trinken kommt, fährt mit dem Reissdorf am besten. Und das Gaffel ist definitiv auch – anders als im Video behauptet – noch diesseits der Kölschlinie. Aber knapp.

Was meint Ihr, welches Kölsch ist mir noch durch die Lappen gegangen, das ich unbedingt hätte testen müssen? Päffgen vielleicht? Gibt es das überhaupt in Flaschen?

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34 Antworten zu Der wirklich ernsthafte Kölsch-Test

  1. utecht sagt:

    Eigentlich hilft da nur eine Fassprobe! Allenfalls mal das Kalker Arbeiterbier Sünner probieren. Und natürlich: Immer ein ASS-Produkt zur Hand haben…

    • chezmatze sagt:

      Ab jetzt wieder in Köln! (fragt sich nur, für wie lange…) Recht hast Du mit der Fassprobe, wobei ich das dann ja nicht wirklich als “Probe” deklarieren würde. Sünner sollte doch durchaus erhältlich sein hier. Und ehrlich gesagt habe ich schon sehr lange kein ASS-Produkt mehr verwendet. Früher gern vor der Aktion, denn es ging ja das Gerücht um, dass dann die Kopfschmerzen erst gar nicht kommen…

  2. Marqueee sagt:

    Nein, Päffgen gibt es nicht in Flaschen. Dafür aber “Schreckenskammer” – aber dass das ein Proben “Must” ist, würde ich nicht behaupten. Ich fand es immer ein wenig overrated. Was sich als Fassbier im Laufe der Jahre ganz gut gemacht hat, ist erstaunlicherweise das Peters-Kölsch. In den frühen 80gern noch eher ein Bier von allgemeinem Verruf (was unter anderem mit der Tatsache begründet wurde, dass die Brauerei in gleichem Hause (!) auch ein Alt-Bier braute), hat es sich im Laufe der letzten 10 Jahre tatsächlich deutlich gebessert.
    Starken Formschwankungen unterlegen ist das “Helios” (kind-of-kölsch) der kleinsten kölner Brauerei, der Braustelle. Es kann großartig sein, es kann aber auch… in jedem Fall ist es aber auch eher auf der kräftigen Hopfen-Seite.

    • chezmatze sagt:

      Was Peters anbelangt, sagt mir das in diesem Fall offenbar gut informierte Wikipedia, dass es mittlerweile von Gilden gebraut wird und vertriebstechnisch zu Radeberger sprich Oetker gehört. Obgleich mich solche Angaben an sich eher abschrecken, kann es aber durchaus sein, dass der dortige Braumeister wirklich gute Arbeit leistet. Ist ja alles so schrecklich unsicher geworden in unserer Zeit. Die Kleinen sind nicht mehr nur die Guten, und die Großen nicht immer die Bösen, aber letztlich dann ja doch irgendwie… Jedenfalls steht die Braustelle (à propos klein) nun wirklich noch auf der Agenda. Falls Du also wieder in Köln bist und ich meine Termine einigermaßen hingebastelt habe, dahin würde es mich durchaus ziehen…

      • Marqueee sagt:

        Ich hatte dich da eh schon mal vorsichtig angekündigt. Für eine kleine Fortgeschrittenen-Probe. Sollten wir unbedingt angehen, sobald ich vom Foodcamp im Cilento zurück bin…

  3. als gebürtige Kölnerin trinke nach jugendlichen Exzessen ( wir haben eine Brauerei-Tochter im Freundeskreis und als Nachbarn den wohl mit seinem Bruder zerstrittesten Brauereibesitzer) kein Kölsch mehr, aber alle Kölner, die ich kenne schwören auf Fassbier ( Flasche? Was ist den das?) und PÄFFGEN! Das haben wir damals auch bis zum Abwinken getrunken…..

  4. utecht sagt:

    @matze + marqueee
    Zu einem Braustellen-Test würde ich gerne mitkommen. Könnte profundes kölsches Halbwissen beisteuern.
    Außerdem wäre das doch ein toller Anlass für ein Mini-MusikGenussBloggerTreffen…

  5. Marqueee sagt:

    @utecht: nur zu gerne. Wie gesagt, ich hatte da schon mal grob vorangekündigt. Und das nicht nur (aber durchaus AUCH) wegen der Braustellen-eigenen Biere. Sebastian Sauer – der auch der Mann hinter Bierkompass.de ist – ist wirklich ein hochkompetenter und interessanter Führer durch das Thema. Es wird in Deutschland nicht viele Leute geben, die derartig weit in der Craft-Beer-Szene vernetzt sind, wie er.Mit ihm bzw. vom ihm moderiert zu verkosten ist wirklich absolut lohnenswert.

  6. Marco sagt:

    @marqueee. utecht matze: Reserviert einen Tisch, dann gibts einen Brauereirundgang kostenlos. Helios in Flaschen gibt es übrigens beim Getränkeladen am Grünen Weg.

  7. jens sagt:

    Hi Matze!

    Als Kölner auf Zeit bin ich mit Mühlen und Reissdorf sozialisiert worden. Hab dann sicher auch viele andere Kölsch getrunken, aber, wenn ich mal wieder in Kölle bin, dann trink ich in der Regel noch die beiden Kölsch aus meiner Sozialisierungsphase. Warum kann ich nicht sagen. Müssen wohl “lecker” gewesen sein. Und außerdem, wenn schon Bill Clinton anlässlich des EU Gipfel 99 in Köln weilte und nur bei Mühlenkölsch nen’ Rheinischen Sauerbraten nebst Kölsch zu sich nehmen wollte, dann spricht das doch für sich. Den Tip dazu bekam er sicher nicht vom Secret Service sondern von nem’ echten köllschen Jong in Uniform. Mann war das damals nen Aufriss am Heumarkt als plötzlich der Bill da war…

    Grüße Jens

    • chezmatze sagt:

      Daran kann ich mich jetzt nicht direkt erinnern. Aber 99 war die Zeit, als ich in Rostock war und am Wochenende siebeneinhalb Stunden am Freitag mit dem Zug erst nach Köln gefahren bin und am Sonntag wieder zurück. Der Flug hätte irgendwas mit 600 oder 700 Mark gekostet. Da haben sich die Zeiten zum Glück in mancherlei Hinsicht geändert… Und damals habe ich bevorzugt Früh getrunken, aber ich weiß nicht mehr genau, warum das so sein musste.

  8. jens sagt:

    Früh!? Ist das nicht das Kölsch für Düsseldorfer!!!! Lach!!! 😉

    • chezmatze sagt:

      Oho, spricht das jetzt eher gegen die Düsseldorfer oder für die Kölner? Neulich habe ich übrigens Schlüssel gegen Uerige antreten lassen, die kann man beide hier in Köln kaufen (auch da wandeln sich die Zeiten) – natürlich nicht vom Fass. Und: Das sind wirklich gute Biere.

      • jens sagt:

        Hi Matze!

        Früh hatte mal so ne Werbekampagne, die auf Exklusivität ausgerichtet war. Damals anders als die eher zünftigen Werbungen der Mitbewerber. Da sagten meine Kollegen Früh wär das Kölsch für Düsseldorfer, wenn die sich mal hierhin verirren.

        Schlüssel und Uerige halte ich auch, vielleicht neben Füchschen, für die besten Altbiere. Ich muss aber zugeben das mein Opa Düsseldorfer war und ich dementsprechend sozialisiert worden bin. Wenn ich in Düsseldorf bin geh ich eigentlich immer ins Schlüssel. Das weckt Kindheitserinnerungen. Damals mit Opa und meinem Vater Samstags Morgens nen paar Alt zischen – äh, ich bekam damals noch Fanta oder sowas.

        Grüße Jens

        • chezmatze sagt:

          Ah, jetzt verstehe ich das mit dem Früh! Das wusste ich als Unkölscher natürlich nicht. Was die Altbiere anbelangt, da muss ich zugeben, dass ich die meisten anderen gar nicht gut kenne. Das liegt daran, dass ich mit Schlüssel und Uerige “angefangen” habe, und wenn du dann liest, dass die meisten geschmackssicheren Menschen die beiden für die besten Altbiere halten, bist du auch weniger geneigt, dir ein, sagen wir mal, Diebels zu kaufen.

  9. jens sagt:

    Trink’ gerade nen Pelforth Brune – auch nicht schlecht!!! Nur die Flaschen sind zu klein…. 😉

    • Marquee sagt:

      Das allerdings hat Mir auch sehr gut gefallen. Wie auch das Helle das beste vor Ort zu erwerbende Bier war.

      Zum Thena altbier: Der Name Schumachet sollte in dem Kontext schon noch genannt werden!

  10. nata sagt:

    Hat dieser Braustellentest jemals stattgefunden? Würde mich nicht nur aus beruflichen Gründen interessieren *hechel*.

    • chezmatze sagt:

      Nein! Wir haben, während Du Kartoffeln schältest, uns darüber unterhalten. Wir wollen alle gern – aber nur zusammen! Ich bin leider erst im April wieder zurück aus Asien, also meinte Marqueee, dann gehen wir halt im April hin. Ich will aber wahrhaftig kein Spielverderber sein, falls Ihr früher hingehen möchtet. Du kommst doch mit, nehme ich an ;).

  11. nata sagt:

    Oh, bitte! Nehmt mich mit, jajajajaa!

  12. janvcologne sagt:

    Es gibt doch jemanden: mein lieblings kölsch mit Abstand: Gaffel

  13. Herr Grau sagt:

    Etwas den “wirklich ernsthaften Kölsch-Test” betiteln und dann ein Bitterbier und ein Wiess gegen Kölsch zu testen, und dann auch noch gerade die Wiess zum Sieger zu küren, weil sie besser gefällt, ist irgendwie .. am Ziel vorbei. Hellers macht auch ein Kölsch, das hätte man durchaus dagegen testen können. Wenn Dir die Wiess besser schmeckt, dann teste Wiesse gegeneinander. Das ganze imponiert etwa so, als ob ich einen Test von Mittelklasse-Limousinen schreibe und dann einen Kombi zum Sieger erkläre, weil er mir mit seinem größeren Stauraum besser gefällt. Und der Roadster, der auch irgendwie im Test gelandet ist, verliert, weil er hinten zu wenig Beinfreiheit hat. Äpfel und Birnen.
    Das ist übrigens eine rein technische Kritik, ich hab für Kölsch nicht mal viel übrig.

  14. wiltrud sagt:

    Das hier http://web29.20587.whserv.de/gruendungsidee solltest du selbst 4-5 Jahre später noch mit in deine Testreihe aufnehmen. Neben einem lecker Bierchen trinkst du da auch noch eschte jüngste Kölsche Geschichte 😉

    • Matze sagt:

      Das ist sehr lobenswert, die Kölsche Geschichte auf diese Weise weiterzuführen. Vielleicht sollte man das Böllsch mal gegen das normale Sünner antreten lassen 😉

  15. djdadaeus sagt:

    Ja ich weiss der Beitrag ist lang lang her, aber ich muss da was zu los werden. Hellers Wieß is in der Reihe ja noch eher der Pirat als das Colonia von braufactum;) Das normale Hellers is aber auch ganz gut.
    Von eher erhältlichem Flaschenkölsch is Mühlen klar mein Favorit. Ansonsten liebe ich Päffgen,Pfaffen, Zunft, Bartmanns und Stecken…….Ich muss auch zugeben: Ich bin im Kölschraum großgeworden, war nie der größte Kölschfan, habe immer lieber expressivere Biere getrunken…Und hab dann 7 Jahre in Oberfranken gelebt.. Nun leb ich wieder da wos auch Kölsch gibt und endlich verstehe ich den Bierstil. Und ich glaube du verstehst ihn auch. Kölsch ist irgendwie sehr nah an nem bayerischem Hellen dran find ich ja;) subtil, aber doch interessant……Und deshalb find ich die Verkostung spannend. Und auch,dass du dich ernsthaft damit auseinandersetzt, tuen ja leider nicht vielle.

    • Matze sagt:

      Ja, ist in der Tat lang her, aber vielleicht sogar weniger auf die Zahl der Jahre bezogen als vielmehr auf die Geschwindigkeit der Bierentwicklung. Das hat ja mittlerweile fast West Coast-Tempo angenommen, was in Deutschland an neuen Dingen auf den Biermarkt gebracht wird. Ich hatte mich ja auf das “eher erhältliche Flaschenkölsch” konzentriert, aber vielleicht würde ich heute eine zweite Auflage mit “Spezial-Kölschs” machen.

      Übrigens finde ich es auch sehr wichtig, dass der hellere, leichtere, nicht gar so anspruchsvolle Bierstil hierzulande erhalten bleibt, denn um ehrlich zu sein mag ich mein Helles im Biergarten in der Regel lieber als ein Bourbon-Whisky-Fass-gereiftes-Imperial-Pale-Ale-mit-Kalthopfung-von-fünf-Hopfensorten-und-dröllfzehn-Spezialmalzen. Alles zu seiner Zeit halt, und Zeit für ein Kölsch (oder ein Helles) sollte man doch haben 😉

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