Glanz und Elend eines Pilzsammlers – das erste Kapitel

Der Sommer ist kühl, der Sommer ist nass. Natürlich nicht überall, aber anscheinend überall dort, wo ich gerade bin. Umstände, die romantische Picknicks regelmäßig ins Wasser fallen lassen, sind allerdings nicht für alle Menschen gleichermaßen schrecklich. Es gibt sogar eine Spezies, die ausgesprochen frohlockt, wenn es trieft in den Wäldern. In der Sprache der Wissenschaft heißt ihr Vertreter auch “schwammerlitus communis”, der gemeine Pilzler. Alter, Geschlecht und Sozialstatus sind dabei völlig unerheblich. Was die Pilzler eint, ist ihr schleppender, verzögerter Gang, ihre seltsamen Behältnisse zum Heimtragen der Beute und ihre Angewohnheit, sich durchs unwegsamste Dickicht zu zwängen. Was sie gelegentlich ebenfalls auszeichnet, ist die Tatsache, dass die Zecken hernach nur so wurlen auf ihnen, aber das wollen wir hier nicht vertiefen.

Ihr könnt es Euch nach dieser Ankündigung schon denken, ich gehöre auch zu dieser Zunft. Allerdings muss ich ein Schicksal tragen, das den meisten Pilzlern erspart bleibt: Ich bin räumlich unstet, um nicht zu sagen nomadisch. Das bedeutet, dass ich mir meine Reviere immer wieder neu suchen muss und deshalb häufig auf gut Glück in den Wald gehe, wenn sich gerade die Gelegenheit bietet. In diesem Jahr sollte mir das gute Glück eigentlich hold sein. Erst habe ich hier von beachtlichen Funden vernommen, und schließlich hat auch noch Frau Bezirksschwammerlsucherin persönlich nicht nur mein Rätsel geknackt, sondern auch noch ihren ersten diesjährigen Steinpilz gefunden, den Pilzlertriumph schlechthin. Es wurde also höchste Zeit, die Sache mit dem nötigen Ernst anzugehen.

Tatort Nr. 1, der Kölner Stadtwald: Ja genau, der Ort, an dem Fiffi seine Notdurft verrichtet, genauer gesagt tausend Fiffis, jeden Tag. Aus diesem “Wald” habe ich unter den wachsamen Augen der Jogger nicht nur drei lebende Zecken mitgebracht (aber nur zum Schauen, gefüttert habe ich sie nicht), sondern auch ein paar wenige Pilze. Freiwillig war ich übrigens nicht hier, aber nachdem die Werkstatt mein Auto immer noch nicht fertig hatte, wollte ich den Weg in die Außenbezirke wenigstens nicht völlig vergebens angetreten haben.

Der erste Pilz des Jahres war schon einmal prächtig – jedenfalls in der Makroaufnahme. Eine köstliche Marone hätte es werden sollen, aber auch ein köstliches Marönchen ist nicht zu verachten. Im weiteren Verlauf meines Rundgangs kam allerdings kaum etwas dazu, so dass ich mich gezwungen sah, auf junge Stäublinge zurückzugreifen. Einen Stäubling kann man jung durchaus essen, anders als einen Kartoffelbovisten beispielsweise, aber ich nenne ihn immer Mr. Fad, weil ich von der Konsistenz her zwar das Gefühl habe, in ein saftiges Stück Schaumgummi zu beißen, vom Geschmack her allerdings auch. Als Entschädigung für den mickrigen Fund durfte ich auch ein paar optische Wunder der Pilzwelt betrachten. Zum Beispiel den auf Deutsch unschön betitelten “Klebrigen Hörnling”, den ich für das Titelfoto dieses Artikels ausgewählt habe.

Tatort Nr. 2, der echte Wald: Ein paar Tage später ging es dann mit dem genesenen Auto und größeren Ambitionen in Richtung Süden, genauer gesagt ins obere Ahrtal. In den dortigen Wäldern hatte ich vor einigen Jahren schon einmal reichlich schöne Steinpilze gefunden, als ich ein Seminar oder einen Vortrag in der Nähe hatte. Natürlich bin ich erst nach dem offiziellen Ende des Seminars in den Wald gepilgert, versteht sich. Diesmal hatte ich das Gefühl, noch ein wenig früh dran zu sein. Oder in einer ungünstigen Zwischenperiode, in der Pilze nur am Nordhang wachsen. Zwar gab es Parasole in Massen, aber von Steinpilzen war wirklich noch überhaupt nichts zu sehen.

Die Parasolflut war sogar derartig groß, dass ich nach anfänglichem Zögern super snobby nur die ganz jungen Knöllchen mitnahm, also bevor sich der Hut so richtig ausbreitet. An sich ist ein Parasol nur ein B-klassiger Speisepilz, aber fest ist er und saftig. Ich habe früher einmal mit großem Erfolg die Hüte mit Eigelb und gepfeffertem Semmelmehl paniert, in heißem Fett ausgebacken und zu frischem Salat gereicht. Die zweite Variante, die mir immer wieder gefällt, ist das Verwenden von Parasolschnipseln in einer weißen Pastasauce.

Als ich gerade wieder fahren wollte, entdeckte ich in einem steinigen Kiefernhang noch einen Goldröhrling. Das Lustige ist, dass dieser Pilz auch “Lärchenröhrling” heißt, weil er mit der Lärche eine pilzige Partnerschaft eingeht. In dem Waldstück standen aber höchstens ein paar wenige Lärchen unter hunderten von Kiefern. Jene schienen aber zu dieser Zeit keinen Partner zu haben oder ihn zumindest nicht herzeigen zu wollen. Wie auch immer, die Aussicht auf noch wertvollere Röhrlinge veranlasste mich dazu, ein wenig weiter zu schauen. Außer den Goldröhrlingen war aber nichts zu finden. Dass ich dank dieses großartigen Funds deutlich zu spät zur Trollingerprobe bei Steffen erschien, ist leider peinlicher Fakt. Aber wenigstens hatte ich einen Haufen mittelprächtiger Pilze mitgebracht.

Soweit meine bisherigen Abenteuer im Westen. Dafür, dass es noch recht früh im Pilzjahr ist, würde ich diesem Kapitel als Zwischenfazit innerhalb des Glanz- und Elend-Spektrums eine sehr matte Glanznote geben. Keine großartigen Funde, aber ich bin satt geworden. Schauen wir mal, ob es im Solling und im Harz besser läuft. Ich denke schon.

Wie sieht es bei Euch aus? Auch schon im Pilzfieber, oder fasst Ihr “diese giftigen Dinger” nicht an? Habt Ihr gar schon einmal schlechte Erfahrungen mit selbst gefundenen Pilzen gemacht?

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15 Antworten zu Glanz und Elend eines Pilzsammlers – das erste Kapitel

  1. biertester sagt:

    Also, ich habe leider noch keine Zeit zum Pilze sammeln gehabt, aber hier im Rheingau scheint es eine wahre Pilzflut zu geben, insbesondere Steinpilze. Pilze wachsen hier aufgrund der klimatischen Verhältnisse sehr, sehr gut. Doch dieses Jahr muß es wirklich ausserordentlich sein, so berichteten mir einige Bekannte. Ob jede Geschichte stimmt, dies steht auf einem anderen Blatt, aber: Da muß was dran sein. Kein Wunder, ist hier doch seit Wochen “Waschküchen-Wetter”. Nächste Woche mache ich mal selbst ein Bild davon und fahre mal “raus”, immerhin gehe ich schon Pilze sammeln, seit ich 6 Jahre alt bin, also seit 31 Jahren. 😉

    • chezmatze sagt:

      Deine Bekannte liegen goldrichtig. Ich musste auch erst ein wenig Lehrgeld zahlen, aber ich bin mir ziemlich sicher, wenn Du hoch genug in den Taunus fährst, wirst Du mehr als genug finden. Pilze scheinen irgendwie gemäßigt feuchtwarme Bedingungen zu mögen und sonst nichts. Zu trocken und heiß – im ganzen Wald kein Pilz. Zu nass – alle Pilze noch in der Bodenschicht verborgen. Zu kalt – genau dasselbe. An Deiner Stelle würd ich gleich morgen losfahren, nach dem angekündigten WoE schaut’s mir persönlich zu heiß aus für eine gute Pilzernte… Viel Glück dabei!

  2. eline sagt:

    gestern habe ich meinen ersten heurigen Herrenpilz gefunden. er trocknet jetzt in der sonne am fensterbrett. h und ich, wir sind leidenschaftliche schwammerlsucher und auch meist sehr glueckliche -finder. wir essen ausser ab und zu eierschwammerl und kiefersteinpilzen jedoch keine. ich bin dahe rbei freunden und befreundeten gastronomen relativ beliebt, weil sie meine beute sauber und geputzt gescgenkt bekommen. ich freue mich aber ueber jeden seltenen pilz, den ich beim wandern sehe, ich muss sie gar nicht pfluecken. gestern war es eine kolonie von tigerritterlingen. die gibt es bei uns nur in den kalkalpen. zuhause im granit findet man sie nicht.
    schwammerlnomade, das ist kein schlechtes los, kommst du doch so immer wieder zu neuen pilzarten. ich war mal in den bergen bei ligurien wandern, das sahen sie steinpilze ganz anders aus als bei uns.

    • chezmatze sagt:

      Gratulation! Übrigens war ich früher bei den Sorten auch immer sehr wählerisch, was aber vor allem der Tatsache geschuldet war, dass ich kaum welche kannte 😉

      Mittlerweile habe ich so eine Art Abstufung in großartige, ordentliche und akzeptable Pilze. Wenn ich in einen mir unbekannten Wald gehe, möchte ich schon etwas finden, denn ich gehe eigentlich nur dann, wenn ich Appetit habe. Nein, also im Wald bin ich insgesamt sehr gern, aber gezielt pilzlerisch unterwegs bin ich nur, wenn ich glaube, am selben Abend mal wieder ein kleines Pilzgericht zubereiten zu müssen.

      Die Abhängigkeit von Gestein, Boden, Vegetation, Klima und Witterung ist schon verblüffend. Einmal habe ich, als ich auf der Durchreise im Brandenburgischen nur kurz austreten wollte (…okay), innerhalb von fünf Minuten zwei Kilo Röhrlinge gefunden. Ich wusste gar nicht, wie mir geschah. Ich war aber auch schon stundenlang in kraspeltrockenen Wäldern unterwegs, obwohl es vorher ausgiebig geregnet hatte.

      Ihr in oder an den Alpen habt es eh besonders gut, was Steinpilze anbelangt (oder Herrenpilze, wie Ihr sagt). Richtig viele habe ich nur dort, einmal in Schweden und im Ardèche-Hinterland gefunden. Ansonsten nur vereinzelt, aber wie gesagt, ich war sicher nicht immer zur rechten Zeit am rechten Ort…

  3. eline sagt:

    herrenpilze sind bei uns eine unterart der steinpilze: in manchen jahren gibt es sie in massen. sie sind eher weichfleischig, hellhuetig und der stiel ist schlanker als bei den besseren steinpilzarten.mein absoluter lieblingsroehrenpilz ist die eichenrotkappe. sie hat das haerteste und aromatischte pilzfleisch, das ich kenne.ich habe erst 2 davon gefunden, in filzmoos, in einem wanderurlaub bei der hannerl maier.
    ich sammle keine lamellepilze. je besser ich mich auskenne, desto mehr weiss ich ueber verwechslungsgefahren, die schwere verdaubarkeit von pilzeiweiss und leberschaeden durch den genuss bestimmter pilze. da trinke ich lieber wein 😉

    • chezmatze sagt:

      Ah, ich dachte, Stein- und Herrenpilz wäre dasselbe, also “boletus edulis”. Wird wirklich mal Zeit für ein deutsch-österreichisches Kulinarik-Wörterbuch, sollte es das nicht längst schon geben 😉

      Was die Lamellenpilze anbelangt, das mache ich ganz ähnlich. Bei den Röhrlingen kann ja, wenn man mal den Satanspilz in freier Wildbahn gesehen hat, eigentlich nicht viel schief gehen. Bei Lamellenpilzen schon. Ich sammele da nur den Fichten-Reizker, weil man ihn allerhöchstens mit dem Edel-Reizker verwechseln könnte, was ja auch nicht schlimm ist. Parasol ist praktisch unverkennbar, wenn auch ein wenig schwer verdaulich. Ich denke, ich habe schon viele Waldchampignons in verschiedenen Stadien stehen gelassen, weil ich mir nicht 100%ig sicher war.

      Einmal habe ich Bauchgrimmen von Goldröhlingen bekommen, die ich am Waldrand gefunden hatte. Bei den Pilzen war eine Verwechslung ausgeschlossen, und im Nachhinein sehe ich da nur zwei Ursachen: entweder eine sprunghafte Mutation aus irgendwelchen Gründen – oder die “pflanzenschützende” Behandlung des angrenzenden Feldes. Ich wasche die Pilze ja nie, und wie man spätestens nach Tschernobyl weiß, haben Pilze ein ganz besonders gutes Gedächtnis, was Schadstoffe anbelangt. An Autobahnen wachsende Pilze sind, glaube ich, auch nicht die allerbeste Wahl…

  4. anna sagt:

    Ich esse sehr gerne selbstgesammelte Pilze – allerdings nur bei meinen Eltern, da ich weiß, dass sie sich damit auskennen und schon seit vielen Jahren Erfahrung mit Pilzen haben. Bei fremden Menschen hätte ich Bedenken. – Hmmmm, Steinpilze…

    • chezmatze sagt:

      Ich habe die Leidenschaft auch von meinem Vater, mit dem ich schon als kleiner Junge auf irgendwelchen Kuhwiesen immer rumgestiegen bin. Ich muss zugeben, ich hatte da mehr Angst vor den Kühen als vor irgendwelchen Pilzen. Aber in dem Alter sind die Eltern eh noch Götter, denen du alles glauben würdest.

      Mittlerweile kenne ich mich selbst zwar besser aus, aber ich habe immer noch eine Positivliste. Also ich sammle nur das, was ich wirklich kenne. Aber ehrlich gesagt ist in meiner nächsten Umgebung niemand so begeistert davon wie ich. Deshalb komme ich auch nie in die Verlegenheit, Pilze von anderen Leuten angeboten zu bekommen 😉

  5. Lieber Matze,
    so schlecht war deine Ausbeute doch gar nicht! Bei uns ist derzeit gar nix mehr los mit Pilzen, jetzt isses einfach zu heiß.
    Was mich heuer total begeistert hat, war im Frühling, Ende April, ein Pilzfund in unserem Garten. Weiße Pilze. Jetzt ist es zwar so, dass wir aus Vorsicht normalerweise gar keine weißen Pilze (ausgenommen Champignons) essen, aber das war eindeutig ein Mairitterling. Du wirst einwenden, dass das nicht der weltbeste Pilz ist, aber nach einem pilzlosen Winter ist auch der Mairitterling eine Delikatesse. Und noch dazu im eigenen Garten. Recht viel bequemer geht´s wirklich nicht. Außerdem ist er standorttreu, das heißt, ich kann mich jetzt jeden Winter schon drauf freuen.
    Über Steinpilzfunde werde ich dich ausgesprochen gerne weiterhin informieren ;-), genauere Fundorte kann ich aber leider nicht bekanntgeben, ich glaube, Eline plündert dieselben Wälder wie wir ;-))

    • chezmatze sagt:

      Och, da bin ich etwas freigiebiger ;). Große Steinpilzfunde kann man aus meiner Erfahrung im Gebiet östlich des Klittstjärnen, eines kleinen Sees in Mittelschweden machen. Anreise am besten per Helikopter, wir sind damals zwei Tage zu Fuß durch die Wildnis gelaufen 😉

      Aber Du hast völlig recht, nach einem pilzlosen Winter ist ein Mairitterling im eigenen Garten ein Grund zum Jubilieren. Eline soll ja schon im Frühjahr auf Morcheljagd gehen, da sind bei mir die Pilzantennen noch nicht auf Empfang geschaltet. Vielleicht sollte ich das mal ändern, eine Morchel habe ich dadurch logischerweise noch nie finden können…

  6. lysmata sagt:

    Hallo Matze,
    ichbin keine Pilzammlerin,doch auf der Suche nach dem türkischen Wein “Corvus” bin ich auf deiner
    Plattform gelandet und lese mit grossen Vergnügen deine Erzählungen !
    Bist Du Journalist bzw. Autor ? Zu direkte Frage ?
    Nun hast Du jedenfalls einen Fan mehr – freue mich auf weitere Storys,danke für einen Break nach einem anstrengenden Dienst im OP…

    • chezmatze sagt:

      Oh, dankeschön fürs Kompliment! Nein, ich bin kein Journalist, sondern Geograph. Geschrieben habe ich allerdings schon immer gern, nur halt Reisetagebücher und so etwas, das nie jemand zu lesen bekommen hat. Der nächste Artikel wird übrigens furchtbar trocken. Ich habe nämlich gestern mein jährliches Lieblingsbuch gekauft, das fast nur aus Tabellen besteht 😉 Lass Dich aber nicht abschrecken, eine weitere Pilz- und eine Wildschweinstory sind schon in Vorbereitung…

  7. Charlie sagt:

    Gestern in einer Berliner Grünfläche eine kapitalen (400 g, kein Witz) Hexenröhrling gefunden und mit Genuss einen Teil davon verspeist. Leider verdaue ich Pilze, besonders die wilden, sehr schwer, schlafe danach schlecht und träume enthemmt, deshalb muss ich die Menge sehr klein halten.

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