Türkischer Wein: Çamlıbağ Vasilaki 2007

Manchmal tue ich mich ein wenig schwer in der türkischen Weinhandelslandschaft. Da war ich letztens in einem der wenigen Fachgeschäfte, und der Verkäufer empfahl mir Weine von Kavaklıdere. Als ich ihn fragte, weshalb ich unbedingt die nehmen sollte, antwortete er, “weil das der größte Produzent in der Türkei ist”. Hm. Ich hoffe, dass ein türkischer Weintourist in Deutschland nicht mit diesem Argument zu Weinen von Langguth oder dem Badischen Winzerkeller geleitet wird. Im Weingeschäft La Cave ging es mir fast genauso.

Da wollte ich einen Wein von einem kleinen Produzenten haben, also keinem der nationalen Giganten. Erst totales Unverständnis, dann wurde mir ein besonders kleiner Wein eines besonders großen Unternehmens präsentiert. Logik: Wenn jemand nach dem Wein eines kleinen, lokalen Winzers fragt, dann meint er einen bescheidenen Wein damit. Erst nach einigem Insistieren und Erklären, welche Art von Wein ich nicht meine, kam der nette Herr mit einer anderen Flasche herangeeilt. Dieser hier.

Zu Çamlıbağ kann ich ehrlich gesagt nicht allzu viel beitragen. Es handelt sich definitiv um ein kleines Weingut oder auch um einen kleinen Abfüller, der von mehreren Winzern beliefert wird. Stammsitz ist Yunatcılar auf der Insel Bozcaada. Vielleicht hat jemand von Euch ja einmal die Gelegenheit, dort vorbeizuschauen. Die einzige Info, die ich im Netz fand, war eine Notiz auf dem türkischen Blog “Şarap Oburu“, auf dem die Weine von Çamlıbağ als schmackhaft empfohlen werden. Man soll sie zusammen mit Freunden genießen. Die Website der Kellerei selbst bietet dann immerhin die Ergänzung, dass die Weinberge auf tonig-sandigen Böden im Nordteil der Insel stehen. Serviertemperatur laut Google Übersetzer: “Kalt wie ein Getränk.”

Daran habe ich mich gehalten. Im Glas fällt mir gleich das sehr kräftige, fast quittensaftfarbige Gelb auf. Die Rebsorte Vasilaki hört sich zwar komplett griechisch an, scheint aber außerhalb der türkischen Ägäis unbekannt zu sein. Wie schade, dass ich nicht mein Rebsortenlexikon von Galet dabei habe. Aber wenn man einen Monat lang in der Fremde weilt, droht das Damokles-Schwert des grotesken Übergepäcks ganz gewaltig. Insofern kein Galet, nichts weiter zu Vasilaki.

In der Nase ist der Wein erstaunlich. Ich spüre erst ein wenig flüchtige Säure, das stört mich aber nicht. Eher denke ich, aha, nicht super-sauber-weggeschrubbt, der ganze Charakter. Dann kommt eine Note, die ich so noch nie in einem Wein gerochen habe. Ein bisschen muffig, eindeutig getreidig, ein bisschen goldgelbe Pflaume. Nicht übel. Am Gaumen fühle ich mich sofort an einen Savagnin Ouillé aus dem französischen Jura erinnert. Das ist die Savagnin-Variante, bei der das Fass weiter befüllt wird, um die Oxidation zu vermeiden. Strohblume, Honig, Mango, Walnüsse, leicht ölig, feurig, bitter. Vielleicht auch ein wenig in Richtung trockener Furmint, wenn Ihr mit dem Vergleich mehr anfangen könnt. In jedem Fall relativ geringe Säure, wenig Primärfrucht, dafür aber diese seltsamen Anmutungen nach reifer, gelber Herbstfrucht mit Schale und Kern, die dem trockenen Sommer getrotzt hat. 12 Vol% übrigens nur, sehr angenehm ist mir das.

Wer Riesling mag und nichts als Riesling, der wird unflätige Worte über diesen Wein verlieren. Wer dagegen einen weißen Hermitage zu schätzen weiß, der ist zumindest nicht abgeschreckt. Und wer neugierig auf spannende Entdeckungen außerhalb des normierten, international kompatiblen Geschmacks ist, der freut sich über diesen Wein.

Kein Meisterwerk, ohne Frage. Aber als Begleiter zu würzigem Käse wahrscheinlich höchst angenehm. Meine Punkte: 4 für Eleganz, 6 für Charakter, macht 13 MP insgesamt.

Außerhalb der Türkei dürfte es schwer werden, diesen Wein zu finden. Hier kostet er umgerechnet etwa 10 €. Aber der nächste Segeltörn in der Ägäis steht ja bald wieder an, oder?

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8 Antworten zu Türkischer Wein: Çamlıbağ Vasilaki 2007

  1. jens sagt:

    Na da scheinst Du ja endlich einen einigermaßen trinkanimierenden Wein im ehemaligen Konstantinopel gefunden zu haben. 😉

    Labe Dich an den sonstigen kulinarischen Genüssen der Region und trinke Tee oder nen’ anständiges Bier. Wird billiger werden und weniger frustrierend.

    Grüße Jens

    P.S. Mit Phillipe Alliet im Glas………

    • chezmatze sagt:

      Ja, das Kulinarische ist hier wirklich fantastisch. Ich wüsste noch mindestens zehn Sachen, die ich noch probieren müsste und sicher zwanzig Orte, die ich gern noch besuchen würde, aber leider sind ja nur noch vier Tage übrig. Und das Wetter ist ziemlich scheußlich, Regen und Wind.

      Die Sache mit den türkischen Weinen ist halt in erster Linie meiner Neugier geschuldet, weshalb ich z.B. an Bordeaux nicht so stark interessiert bin. Die zehnte Notiz des zehnten Weintesters zum selben Wein ist meine Sache nicht. Ich werde aber noch ein Fazit zur türkischen Weinwelt verfassen, wo ich versuche, das Ganze ein wenig einzuordnen. Das Potenzial ist wirklich groß, wie in Griechenland, aber die Rahmenbedingungen sind derzeit sehr ungünstig.

      Viele Grüße, Matze

      • jens sagt:

        Dann noch viel Spass bei Deinen letzten 4 Tagen und besseres Wetter wünsch ich Dir. Wo auf der Welt machst Du den demnächst Station?

        Grüße Jens

        • chezmatze sagt:

          Hallo Jens,

          erst bin ich für knapp drei Wochen in Deutschland. Nürnberg, Harz Mountains, Köln. Da wird sich dann auch ein bisschen entscheiden, wo es noch hingeht. Das Ob müsste eigentlich klar gehen. Wenn ich’s weiß (hoffentlich nicht Reykjavik oder Wladiwostok ;)), werd ich’s wieder posten.

          Istanbul bleibt bis dahin aber nicht nur grau, es ist permanent Gischt in der Luft. Kein fetter Regen, dafür wird man von allen Seiten nass. Hätte nicht sein müssen, aber ich beklage mich derzeit nicht…

          Viele Grüße, Matze

  2. jens sagt:

    In Reykjavik könntest Du Robbensushi probieren und in Wladiwostok könntest Du impirische Wodkastudien starten….;-)

  3. chezmatze sagt:

    Grx, Deine Schadenfreude in Ehren, aber ich hoffe darauf, nicht in die kulinarische Wüste geschickt zu werden. Neulich habe ich übrigens einen Bericht über Island gesehen mit der Spezialität vergorener Rochen. Dazu gab es dann mindestens eine Pulle Klaren, um den Geschmack zu neutralisieren. Aber ok, kein Island-Bashing hier, hat zumindest immer gute musikalische Exporte von dort gegeben.

  4. thvins sagt:

    Lang lebe Sigur Ros!

    Wenn Du die Harz Mountains unsicher machen willst, dann melde dich bei mir…

    Beste Grüße

    Torsten

    • chezmatze sagt:

      Schaun wir mal. Ich fürchte, es wird nur eine Stippvisite zum Geburtstag meiner Mutter. Sollte ich länger bleiben und nicht arbeiten müssen, melde ich mich bei Dir.

      Viele Grüße, Matze

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